Brasiliens Zement- und Betonhersteller investieren, digitalisieren Prozesse und mindern CO2-Emissionen. Der Baustoff Holz gewinnt nur sehr langsam an Bedeutung.
Zementsektor erwartet eine Wende im Jahr 2024
Die gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt könnte den schwächelnden Eigenbau animieren. Positive Impulse sind auch vom Wohnungsbau zu erwarten, der etwa 50 Prozent des Zementverkaufs ausmacht. Im 1. Quartal 2024 schwächelte der Absatz aufgrund starker Niederschläge im Süden und Südosten Brasiliens. Dennoch erwartet der Herstellerverband Sindicato Nacional da Indústria do Cimento (SNIC) für das Gesamtjahr 2024 eine Erholung um voraussichtlich 2 Prozent.
Nach dem Rückgang um 2,8 Prozent im Jahr 2022 sank der Zementabsatz 2023 erneut um 1,7 Prozent auf knapp 62 Millionen Tonnen. Damit lag das Marktvolumen im vergangenen Jahr etwa 9 Millionen Tonnen unter dem Niveau des Rekordjahres 2014. Nur im Nordosten Brasiliens zieht der Verkauf kontinuierlich an.
Branche steht vor erneuter Konsolidierung ...
Der zweitgrößte Zementhersteller InterCement (IC) steht zum Verkauf. Der bisherige Eigentümer, die Baugruppe Mover, will den Vertrag noch vor Mai 2024 unter Dach und Fach bringen. Mit der Übernahme würde der drittplatzierte Hersteller, der Stahl- und Bergbaukonzern CSN, fast zum unbestrittenen Marktführer Votorantim Cimentos aufschließen. Aber auch Votorantim selbst sowie der chinesische Konzern Huaxin, die italienische Gruppe Buzi Unicem, die in Brasilien Cimento Brennand kontrolliert, und Cimento MIZU sind an einer Übernahme von IC interessiert.
Die neun größten der insgesamt 22 Zementhersteller verfügen über 92 Prozent der Produktionskapazitäten in Brasilien. Dazu gehören auch das Unternehmen Nassau der Gruppe João Santos, MIZU, Nacional, Tupi, Ciplan und Itambé. Neben IC befinden sich auch die Gruppe João Santos, Cimento Tupi und Cimento Liz in finanziellen Schwierigkeiten.
... und einem neuen Investitionszyklus
Noch sind die landesweit 91 Zementwerke weit davon entfernt, ihre installierte Produktionskapazität von 94 Millionen Jahrestonnen auszulasten. Dennoch planen die Unternehmen bis 2026 Investitionen von insgesamt 3,4 Milliarden US-Dollar (US$), schätzt der Branchenverband SNIC. Darunter sind auch einige der elf kleineren regionalen Betriebe wie Cimento Gaúcho. Dabei geht es vor allem darum, Prozesse zu modernisieren und vorhandene Anlagen zu verbessern.
Votorantim setzt auf Innovationen, Nachhaltigkeit und effiziente, CO2-arme Technologien, kündigte allerdings auch an, die Produktionskapazität in Brasilien um 10 Prozent zu erhöhen. Anfang 2024 veröffentlichte der Konzern seinen Investitionsplan bis 2028. Im Jahr 2023 fuhr der siebtgrößte Zementhersteller der Welt mit einer globalen Kapazität von 52,8 Millionen Tonnen hohe Gewinne in Brasilien ein. Genau die Hälfte der geplanten Investitionen in Höhe von 2 Milliarden US$ fließt in das Heimatland.
In einem globalen Abkommen verpflichtete sich Votorantim, bis 250 klimaneutral zu werden. Bis 2030 sollen die Emissionen um 30 Prozent reduziert werden. Auch bei der Digitalisierung gibt das Unternehmen die Richtung vor, optimiert die Prozesse mit Hilfe von Industrie-4.0-Lösungen und setzt auf Open Innovation. Konkurrent CSN geht ganz ähnliche Wege. Für beide Konzerne ist auch die Nutzung von grünem Wasserstoff von Interesse.
Sektorziel: Klimaschutz
Gemeinsam mit dem Herstellerverband für Portlandzement Associação Brasileira de Cimento Portland (ABCP) veröffentlichte SNIC bereits im April 2019 eine Technologie-Roadmap. Bis 2050 will Brasiliens Zementindustrie die Treibhausgasemissionen um 33 Prozent auf 375 Kilogramm CO2-Äquivalente pro Tonne Zement senken.
Da die Preise für Petrolkoks in US-Dollar notiert werden, trieb die Abwertung des brasilianischen Real während der Coronakrise die Energiekosten der Werke in die Höhe. Umso lohnender ist die Umstellung auf alternative Brennstoffe. Neben Holzschnitzeln aus schnell wachsenden Eukalyptusbäumen stehen regional unterschiedliche Agrarreststoffe zur Verfügung. Zusätzlich zu den Bioenergieträgern setzen erste Werke auch auf die Verbrennung von Hausmüll.
Zementverkauf in BrasilienIn 1.000 Tonnen, Veränderung und Anteil in ProzentRegion | 2023 *) | Anteil 2023 *) | Veränderung 2023/22 *) |
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Südosten | 28.723 | 42,9 | -0,4 |
Nordosten | 12.504 | 21,5 | 0,4 |
Süden | 10.383 | 18,8 | -4,5 |
Zentrum-West | 7.342 | 10,5 | -3,2 |
Norden | 2.818 | 6,3 | -2,1 |
Insgesamt | 61.973 | 100,0 | -1,7 |
* vorläufige Angaben für 2023.Quelle: SNIC 2024
Digitale Technologie erobert die Betonfertigung
Brasiliens Betonmischer setzen pro Jahr etwa 6 Milliarden US$ um. Zu den großen Unternehmen gehören Cortesia Concreto, Valebeton, Concrebras (Cimento Itambé), Concreserv, Maxmohr, Ciplanentre und Polimix. Laut Branchenverband ABESC liefert die Branche rund 45 Millionen Tonnen Beton pro Jahr. Bei nahezu 40 Prozent der Produktion kamen 2023 digitale Technologien von Topcon zum Einsatz. Dies sparte Zement, CO2-Emissionen und Kosten. Seit 2020 bietet Topcon seine Software als Dienstleistung an und verdreifachte seitdem seinen Umsatz.
Holzrahmenbau mit neuem Rechtsrahmen
Im Juli 2023 trat die Norm für den Holzrahmenbau NBR 16.936 in Kraft. Mit einem staatlich anerkannten Standard steht der Marktdurchdringung der Baulösung "WoodFrame" nur noch wenig im Weg. Brasilien verfügt über eine hochproduktive Forstwirtschaft. Holz dürfte in der Bauwirtschaft Brasiliens daher zunehmend Beachtung finden.
Der Bauträger Construtora Tenda setzt mit seinem Start-up Alea auf den Holzrahmenbau. Die Produktionsanlage in Jaguariúna (São Paulo) ermöglicht den Bau von Häusern in einem Umkreis von bis zu 1.000 Kilometern und soll sich ab 2025 rentieren. Ab 2026 will das Unternehmen 10.000 Einheiten pro Jahr errichten.
Mit modularen Holzbausystemen und deutscher Maschinentechnologie will auch Tecverde den Markt erobern. Das brasilianische Jungunternehmen, das heute zum chilenischen Forstkonzern Arauco gehört, richtet seine Strategie neu aus und sucht derzeit neue Investitionspartner.
Der Baukonzern HTB (bis 2016 noch Hochtief do Brasil) der deutschen Zech-Gruppe entwickelte unter dem Namen "HTB eWOOD" ein modulares System für den Holzhybridbau. Dabei wird pro Kubikmeter Holz 1 Tonne CO2 gebunden. HTB erwartet jedoch, dass die verhaltene Konjunktur für Büroflächen das Marktwachstum bremst.
Weitere Unternehmen, die den Holzbau und Holzhybridbau vorantreiben, sind Immergrün am Standort Araucária (Paraná), das Start-up Urbem mit Fabrik in Almirante Tamandaré (Paraná) und das Architekturbüro Noah Tech.
Von Gloria Rose
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São Paulo