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Branche kompakt | Brasilien | Ernährungswirtschaft

Markttrends

Brasiliens Nahrungsmittelbranche wächst von Jahr zu Jahr, passt sich an Verbrauchertrends an und investiert. Der Markt lockt auch deutsche Investoren an.

Von Gloria Rose | São Paulo

Brasiliens Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie nutzt Chancen, die sich aus dem hochproduktiven und stetig wachsenden Agrobusiness ergeben. Viele Investitionen zielen auf den Export ab. Fast 27 Prozent des Umsatzes erwirtschaftete der Sektor 2023 im Ausland. Im Jahr 2023 löste Brasilien die USA dabei als weltgrößten Exporteur verarbeiteter Nahrungsmittel ab. Doch Impulse für die Branche kommen auch vom großen Binnenmarkt.

60,9 %

seiner Agrarproduktion verarbeitete Brasilien im Jahr 2023 selbst.

Nahrungsmittelpreise ziehen 2024 wieder an

Wochenlanger Starkregen führte im Mai 2024 zu flächendeckenden Überschwemmungen in Rio Grande do Sul, Brasiliens südlichstem Bundesstaat. Bereits vor der Katastrophe in der wichtigen Agrarregion rechneten Analysten für 2024 mit einer Verknappung des landwirtschaftlichen Angebots infolge des Klimaphänomens El Niño und mit entsprechenden Teuerungen. Nach den drastischen Steigerungen der Vorjahre gingen die Verbraucherpreise 2023 leicht zurück. Laut dem brasilianischen Statistikinstitut zahlten die Haushalte für den Nahrungsmitteleinkauf im Durchschnitt 0,5 Prozent weniger als 2022.

Mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 103 Kilogramm pro Jahr gehört Brasilien zu den Top-10-Ländern mit dem höchsten Fleischkonsum weltweit. Doch das Konsumverhalten hat sich in den vergangenen Jahren verändert. Wegen Kaufkrafteinbußen und höheren Rindfleischpreisen wichen die Haushalte auf Hähnchen- und Schweinefleisch aus und steigerten die Nachfrage nach Eiern. Auch Fisch essen die Brasilianer mehr. Dennoch liegt der Pro-Kopf-Verbrauch von Fisch nur halb so hoch wie im weltweiten Durchschnitt.

Während die breite Bevölkerung auf eine möglichst preisgünstige Versorgung achtet, setzt sich in den höheren Einkommensklassen die Nachfrage nach hochwertigen Produkten fort. Eine Ausnahme ist der Markt für Bier. Hier steigt der Konsum besonders stark im Premiumsegment. Marktführer Ambev registrierte 2023 ein Wachstum des Segments um 10 Prozent, während der Bierabsatz insgesamt um 3,6 Prozent zulegte.

Fertiggerichte werden beliebter

Laut dem Marktforschungsinstitut Kantar Worldpanel greifen bereits 61 Prozent der brasilianischen Haushalte auf Tiefkühlprodukte zurück. Das sind fast doppelt so viele wie im lateinamerikanischen Durchschnitt. Das Angebot an Fertiggerichten wächst. Bislang geben die Haushalte aber nur 3,9 Prozent ihrer Nahrungsmittelausgaben für Tiefkühlkost aus. Homeoffice und der Trend zur Bequemlichkeit dürften das Wachstum in diesem Segment weiter beleben. 

Brasiliens Gastronomie hat sich noch nicht von dem Einbruch in der Coronakrise erholt. Im Jahr 2023 entfielen 27,6 Prozent des Inlandsabsatzes der Nahrungsmittelindustrie auf die Sparte Food Services. Vor der Krise hatte der Wert noch bei etwa 33 Prozent gelegen.

Gesunde Ernährung und Nachhaltigkeit zählen

Für Fast Food-Ketten ist Brasilien ein Wachstumsmarkt. Andererseits achtet ein großer Teil der Bevölkerung auf gesunde Ernährung und treibt den Konsum von Sportnahrung und funktionellen Lebensmitteln an. Zudem verschärft Brasiliens Gesundheitsaufsicht Anvisa die Auflagen zunehmend. Transfettsäuren etwa sind seit dem vergangenen Jahr verboten.

Ein zweites Trendthema ist Nachhaltigkeit. Große Fleischkonzerne wie BRF erfassen bereits die Emissionen entlang ihrer Lieferketten. Gestützt wird der Trend zu gesunden und nachhaltigen Produkten durch ein dynamisches Start-up-Ökosystem. Mit dem Fokus auf Gesundheit und Nachhaltigkeit mischen Jungunternehmen wie Liv Up, Raízs, Foodz, Nude, Pratí, Beleaf, BeGreen und 100 Foods den Nahrungsmittelsektor in den Metropolregionen auf.

Ob Laborfleisch oder pflanzenbasierte Ernährung Brasilien ist dabei

Auch wenn die konkrete Regulierung für den brasilianischen Markt noch aussteht, wächst das Segment Fleisch- und Milchersatz aus pflanzlichem Eiweiß. Laut dem Marktforschungsinstitut Euromonitor legte der Umsatz in dem Bereich 2023 um 38 Prozent auf 220 Millionen US-Dollar (US$) zu. Auf den Zukunftsmarkt setzen sowohl die gigantischen Fleischkonzerne JBS, Marfrig und BRF als auch FoodTechs wie Fazenda Futuro. 

Am 16. März 2024 trat die Resolution RDC Nr. 839 in Kraft. Im Rahmen dieser Bestimmung vereinfacht Anvisa die Zulassung innovativer Nahrungsmittel und Inhaltsstoffe, unabhängig davon, ob sie über Zellkulturen oder Fermentierung erzeugt wurden. The Good Food Institute (GFI) sieht die Resolution als Startschuss für höhere Investitionen in Innovation und hofft auf eine schnelle Regulierung von In-Vitro-Fleisch.

Vielfältige Chancen für deutsche Unternehmen

Für deutsche Zulieferer von Maschinen und Ausrüstung sowie von Vorprodukten wie Malz bleibt Brasilien ein wichtiger Wachstumsmarkt. Chancen bieten sich auch für Getränke- und Nahrungsmittelhersteller. Bekannte heimische Marken mit eigener Produktion vor Ort sind Melitta, Dr. Oetker und Haribo. 

Die Ehrmann AG schloss 2022 die Übernahme des Molkereiunternehmens Trevo Lácteos ab. Im Jahr 2024 will Trevo 20 Millionen US$ investieren und die Kapazitäten in Sete Lagoas (Minas Gerais) verdoppeln. Der weltführende Gelatinehersteller Gelita AG betreibt in Brasilien drei Werke. Das Unternehmen VOSSKO aus Ostbevern im Münsterland erzeugt Tiefkühlkost in Lages (Santa Catarina).

Der Duft- und Geschmackstoffhersteller Symrise AG nahm 2023 sein zweites Werk in Brasilien in Betrieb. In Chapecó (Santa Catarina) stellt Symrise Heimtiernahrung her. Die Ireks GmbH aus dem fränkischen Kulmbach schloss bereits 2004 eine Partnerschaft mit der Agrargenossenschaft Agrária in Guarapuava (Paraná). Jetzt investierten die Partner in Brasiliens erste Mälzerei für Spezialmalze.

Deutsche Schokolade und Gebäck sowie Bier und Wein gehören zu den Gourmetprodukten für Haushalte der mittleren und oberen Einkommensklasse. In der Coronakrise ging der Import stark zurück. Mittlerweile finden sich wieder mehr deutsche Spezialitäten in den Regalen der brasilianischen Supermärkte.

Ausgewählte Projekte der Lebensmittel- und Getränkeindustrie in Brasilien
Projekt

Investitionssumme in Mio. US$ *) 

StandProjektträger
Neue Produktionslinien für Schokolade und Gebäck in Caçapava und Marília (São Paulo) sowie Vila Velha (Espírito Santo) für 540 Mio. US$, Ausbau der Premiumkaffeeproduktion für 200 Mio. US$, eine neue Tiernahrungsfabrik in Vargeão (Santa Catarina) sowie Investitionen in Industrie-4.0-Lösungen

1.200

Ankündigung 2023; Umsetzung bis Ende 2025Nestlé (Schweiz)
Betrieb zur Schlachtung und Fleischverarbeitung in Londrina (Paraná)

200

Ankündigung Ende 2023Gruppe Hinasou (Saudi-Arabien)
Fabrik für Instantnudelgerichte in Ponta Grossa (Paraná)

200

Baubeginn im Juni 2024, angekündigt im Dezember 2023Nissin (Japan)
Ausbau der Produktionskapazität der Getränkefabrik in Suape (Pernambuco) um 50 Prozent

140

Ankündigung Januar 2024, Umsetzung bis 2029Solar Bebidas
Mälzerei für Spezialmalze in Guarapuava (Paraná)

100

Baubeginn 1. Quartal 2024; Inbetriebnahme 2026Genossenschaft Agrária und die IREKS-Gruppe (Deutschland)
Bau einer Milchpulverfabrik in Castro (Paraná)

90

Ankündigung im Mai 2024Gruppe Unium (Agrargenossenschaften Castrolanda, Frísia und Capal)
* umgerechnet zum durchschnittlichen Wechselkurs 2023: 1 US$ = 5,00 R$.Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, Mai 2024

Stand: Mai 2024

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