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Wirtschaftsausblick | Brasilien

Brasiliens Wirtschaft wächst erneut stärker als erwartet

Die Flutkatastrophe in Südbrasilien im Frühjahr 2024 erhöht die Unsicherheit beim Staatshaushalt. Die Zinsen bleiben hoch. Dennoch stützen die Investitionen die Konjunktur 2024.

Von Gloria Rose | São Paulo

Top-Thema: Rio Grande do Sul leitet Wiederaufbau ein

Im April und Mai 2024 wurde der südlichste Bundesstaat Brasiliens nach anhaltendem Starkregen großflächig überschwemmt. Rund 4.500 Kilometer Straße, mehr als 150 Brücken, wichtige Schienenverbindungen sowie 283.078 Häuser und Wohnungen und hunderte öffentliche Einrichtungen wurden zerstört. Zwei Monate später fließt der Straßenverkehr wieder auf drei Viertel der von der Flut beschädigten Strecken und 3.700 Vertriebene finden Unterkunft in fünf humanitären Aufnahmezentren. 

Die Flutkatastrophe trifft die Landwirtschaft hart. Schließlich trägt Rio Grande do Sul mehr als 12 Prozent zur landesweiten Wertschöpfung des Sektors bei. Dagegen fördert der Wiederaufbau von Wohnraum und Infrastruktur die Bauwirtschaft in dem Bundesstaat. Auch die Nachfrage nach Gütern wie Möbeln und Haushaltsgeräten steigt. Hilfszahlungen und zinsgünstige Kredite unterstützen betroffene Unternehmen und die bedürftige Bevölkerung. Der dafür eingerichtete Fonds FUNRIGS ist mit einem Kapital von etwa 2 Milliarden US-Dollar (US$) ausgestattet.

Wirtschaftsentwicklung: Brasilien auf stabilem Wachstumskurs

Zum fünften Jahr in Folge überrascht Brasilien 2024 mit einem Wachstum, das die zu Jahresbeginn getroffenen Prognosen der Finanzinstitute deutlich übertrifft. Entscheidend dazu beigetragen haben die Wirtschaftsreformen der Vorgängerregierungen wie die Arbeitsmarkt- und die Rentenreform sowie die Privatisierungen, die den Infrastrukturausbau ermöglichen.

Unter Präsident Lula da Silva schreitet nun die Steuerreform voran, die den Grundstein für weiteres Wachstum legen soll. Die Reform soll Bürokratie abbauen und Anreize für eine grüne Reindustrialisierung des Landes schaffen. Diesem Ziel dienen auch die neue Industriepolitik, das Förderprogramm für die Kfz-Industrie und das Rahmengesetz für kohlenstoffarmen Wasserstoff.

Trotz zweistelliger Zinsen wächst Wirtschaft um mehr als 2 Prozent

Nach einem sehr erfolgreichen Vorjahr schwächelt die Landwirtschaft 2024. Dafür wachsen der große Dienstleistungssektor und die Industrie. Im Durchschnitt rechnet der Finanzmarkt zurzeit mit einem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um real 2,1 Prozent im Jahr 2024. GTAI geht von einem Zuwachs von 2,3 Prozent aus.

Die Zinssenkungen von 13,75 auf 10,5 Prozent zwischen August 2023 bis Mai 2024 stimulieren die Investitionen und den Konsum. Aufgrund des Inflationsdrucks sind aktuell jedoch keine weiteren Zinsschritte zu erwarten. Die Zentralbank wird den Leitzins Selic voraussichtlich bis zum Jahresende unverändert lassen. Das drosselt das BIP-Wachstum im Jahr 2025.

Brasilianischer Real unter Abwertungsdruck

Das größte Inflationsrisiko stellt die Fiskalpolitik dar. Die Hilfszahlungen an Rio Grande do Sul erhöhen die Staatsausgaben. Wesentlich gravierender schlagen jedoch die stark gestiegenen Zinszahlungen und Pensionsleistungen zu Buche. Die Regierung kann dem 2023 verabschiedeten Rechtsrahmen zur Neuverschuldung schon in diesem Jahr nicht nachkommen. Die Unsicherheit über die Staatsverschuldung sorgt für Unruhe auf dem Finanzmarkt. Dies zeigt sich an hohen Wechselkursschwankungen.

Aufgrund des jüngsten Wertverlusts der Landeswährung wird Brasilien Italien in diesem Jahr noch nicht von Rang 8 der größten Volkswirtschaften der Welt verdrängen. Dies zeigen Zahlen des Internationalen Währungsfonds vom Juli 2024. Tendenziell gewinnt Brasilien jedoch weiter an Bedeutung. 

Ende 2023 stufte die Ratingagentur S&P die Kreditwürdigkeit Brasiliens auf BB hoch und zog mit Fitch und Moody's gleich. Im Mai 2024 änderte Moody's den Ausblick von stabil auf positiv. Von der Anerkennung einer sehr guten Bonität ist das Land aber noch zwei Ratingstufen entfernt. Die Auszeichnung "Investment Grade" hatte Brasilien 2015 verloren.

Zinssenkungen und Förderprogramme regen Investitionen an

Nach dem Rückgang 2023 ziehen die Bruttoanlageinvestitionen 2024 wieder an. Für Impulse bei den Bauinvestitionen sorgt das neue Programm "Programa de Aceleração do Crescimento" (PAC). Im Rahmen des PAC sollen bis 2026 etwa 250 Milliarden US$ in Infrastrukturprojekte fließen. Der Großteil der Vorhaben wird über das Programa de Parcerias de Investimentos (PPI) strukturiert und an private Betreiber vergeben. Investitionen in Maschinen und Anlagen fördert die Regierung über die beschleunigte Abschreibung.

Konsum: Kaufkraft steigt 

Die privaten Konsumausgaben legen 2024 fast so intensiv zu wie im Vorjahr. Im Zuge der Zinssenkungen entlädt sich die aufgestaute Nachfrage nach langlebigen Konsumgütern. In Umfragen äußern sich die Verbraucher optimistischer als die Haushalte in Europa und in anderen Schwellenländern. Auch die Unternehmer blicken positiv in die Zukunft und planen Neueinstellungen. Damit bleibt die Arbeitslosigkeit niedrig. Im 1. Quartal 2024 lag die Quote bei 7,9 Prozent und damit auf dem niedrigsten Wert für diesen Zeitraum seit 2014. 

Außenhandel: Import verteuert sich

Die Abwertung des Real verteuert den Import von Waren. Gleichzeitig werden die Exporte 2024 voraussichtlich nur wenig steigen. China ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner Brasiliens, auf den rund 30 Prozent der Exporte und über 20 Prozent der Importe entfallen.

 

Deutsche Perspektive: Konkurrenz aus China nimmt weiter zu

Deutschland überholte 2023 Argentinien und ist derzeit nach China und den USA das drittwichtigste Lieferland. Das Importvolumen aus China ist heute allerdings etwa fünfmal so hoch wie das aus Deutschland. Deutsche Produkte genießen in Brasilien einen hervorragenden Ruf, können auf dem preisorientierten Markt jedoch kaum mit Waren aus der Volksrepublik mithalten. Deutsche Maschinenbauer gewinnen ihre Kunden durch einen zuverlässigen After-Sales-Service. Jetzt strömen immer mehr chinesische E-Autos auf den Kfz-Markt. Ohne einen Abschluss des EU-Mercosur-Abkommens dürften deutsche Anbieter auf dem brasilianischen Markt weiter an Boden verlieren.

GTAI-Informationsangebote zu Brasilien

Weitere Informationen zu Brasilien bieten unter anderem unsere Reihen SWOT-Analyse, Wirtschaftsdaten kompakt und Branche kompakt. Ferner sind auf der GTAI-Länderseite Brasilien zahlreiche weitere Berichte zum Wirtschaftsumfeld, zu Branchen sowie zu Zoll- und Rechtsthemen zu finden. Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bieten die Rubriken "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte".

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