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Branchen | China | Nahrungsmittel

Nahrungsmittelindustrie vor Ende der Sonderkonjunktur

Noch läuft das Lebensmittelgeschäft pandemiebedingt gut, doch das könnte sich bald ändern.

Von Roland Rohde | Hongkong

Chinas Wirtschaft befindet sich im Sommer 2022 weiterhin in einer veritablen Krise. Die Ursachen dafür sind vielfach hausgemacht. Das Land setzt auf die sogenannte Null-Covid-Politik und selbst bei kleinen Infektionsausbrüchen auf strikte Lockdowns und massenhaftes Zwangstesten. Die ökonomischen Konsequenzen sind teils verheerend. Nicht wenige haben ihren Job verloren. Kleine Geschäftsinhaber leiden unter Umsatzverlusten. Zugleich sind viele Haushalte durch den schwächelnden Immobiliensektor auf dem Papier ärmer geworden.

Chinas Einzelhandelsumsatz brach in der Folge der pandemiebedingten Konsumflaute im Frühjahr 2022 regelrecht ein und dürfte sich im Verlauf des Jahres nur zögerlich erholen. Für den April und Mai verzeichnete das nationale Statistikamt einen Rückgang von nominal 11 beziehungsweise 7 Prozent, im Juni lag das Plus bei 3 Prozent. Das gesamte 1. Halbjahr schloss damit im Minus ab. Zu Vorkrisenzeiten war ein Wachstum von 8 bis 9 Prozent per anno normal.

Lebensmittelgeschäft blüht noch

Demgegenüber entwickelte sich bisher die Nachfrage nach Nahrungsmitteln noch sehr lebhaft. Die Haushalte legten sich nämlich große Vorräte an, um sich im Falle eines Lockdowns selbst versorgen zu können. Der Einzelhandelsumsatz mit Lebensmitteln (ohne Getränke) stieg in den ersten vier Monaten 2022 um 10 Prozent zum Vorjahr. Als besonders dynamisch erwies sich - da in einigen Metropolen die Supermärkte geschlossen hatten - das Onlinegeschäft. Die entsprechenden Umsätze legten in dem Zeitraum um 13 Prozent zu.

Anders sah die Lage bei alkoholischen Getränken aus. Chinesen gelten als gesellige Trinker, die sich gerne bei einem gemeinsamen Restaurantbesuch eine edle Flasche teilen. Doch da viele Gaststätten geschlossen blieben, ging der Konsum zurück. Für die ersten vier Monate 2022 ergab sich (einschließlich der Tabaksparte) aber immer noch ein Plus von 8 Prozent. Sobald die Restaurants wieder öffnen, dürfte sich das Geschäft beleben.

Sonderkonjunktur dürfte bald auslaufen

Allerdings muss die Lebensmittelbranche damit rechnen, dass die durch Hamsterkäufe bedingte Sonderkonjunktur im 2. Halbjahr auslaufen wird. Auch mittelfristig werden sich viele Haushalte von der zugeknöpften Seite zeigen. Die Zeiten stürmischen Wirtschaftswachstums sind wohl endgültig vorbei. Die rasche Alterung der Gesellschaft und die hohe Verschuldung (sowohl von Haushalten als auch von Unternehmen) drücken auf Konsumlaune und -fähigkeit.

Umsatz in Chinas Nahrungsmittelbranche (in Milliarden US$, nominale Veränderung gegenüber dem Vorjahreszeitraum in Prozent) *)

2021

Veränderung 2021

Veränderung 1. Quartal 2022

Nahrungsmittelverarbeitung

851,8

12,6

3,7

Nahrungsmittelproduktion

334,8

10,0

8,7

Getränkeherstellung

252,4

13,1

13,3

Tabakwaren

226,7

6,6

10,1

*) Zahlen beziehen sich auf Unternehmen ab rund 3,7 Millionen US$ JahresumsatzQuelle: China Economic Information Network (CEInet) 2022

Im Jahr 2021 war der Umsatz der gesamten Lebensmittelindustrie nach Angaben des China Economic Information Network (CEInet) noch um gut 11 Prozent auf umgerechnet rund 1.640 Milliarden US-Dollar (US$) gestiegen. Die Gewinne legten hingegen nur um 5 Prozent auf 116 Milliarden US$ zu. Im 1. Quartal 2022 gab es keinen eindeutigen Trend. Die Umsatzlage trübte sich ein, während es zu einer Verbesserung auf der Gewinnseite kam.

Gewinn in Chinas Nahrungsmittelbranche (in Milliarden US$, nominale Veränderung gegenüber dem Vorjahreszeitraum in Prozent) *)

2021

Veränderung 2021

Veränderung 1. Quartal 2022

Nahrungsmittelverarbeitung

29,8

-9,2

-22,9

Nahrungsmittelproduktion

26,0

-0,1

13,3

Getränkeherstellung

41,6

24,1

24,6

Tabakwaren

22,1

3,3

9,4

*) Zahlen beziehen sich auf Unternehmen ab rund 3,7 Millionen US$ JahresumsatzQuelle: China Economic Information Network (CEInet) 2022

Die Anlageinvestitionen waren 2021 laut Angaben des nationalen Statistikamtes in allen Sparten der Industrie zweistellig gestiegen. In den ersten vier Monaten legten - mit Ausnahme der Tabaksparte - die Zuwachsraten noch einmal kräftig zu. Doch die Zahlen sind mit einer gewissen Portion Vorsicht zu genießen. Starke Steigerungsraten zum Jahresbeginn sind in der Statistik nicht unüblich. Ihnen folgt oft eine deutliche Abschwächung in den Folgequartalen.

Anlageinvestitionen in der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie (nominale Veränderung gegenüber dem Vorjahreszeitraum in Prozent)

2021

1. Quartal 2022

Nahrungsmittelverarbeitung

18,8

23,1

Nahrungsmittelproduktion

10,4

23,2

Getränkeherstellung

16,8

38,9

Tabakwaren

34,5

-38,3

Quelle: Nationales Statistikamt (NBS) 2022

Störungen bei Lieferketten und Fachkräftenachschub

Auch stellt sich die Frage, wie produzierende Unternehmen ihre Anlageinvestitionen rein praktisch durchführen wollen. Die Lieferketten funktionieren nicht mehr zuverlässig. Fast alle Firmen berichten von Engpässen bei Vorprodukten und Kapitalgütern. Nicht nur ist es äußerst schwierig, eine Maschine an ihren Bestimmungsort zu befördern. Auch bei der Installation gibt es Probleme, wenn die Ingenieure in Quarantäne sitzen oder nicht reisen dürfen.

Insbesondere für internationale Maschinenbauer ist die Lage äußerst schwierig. Ausländer können seit über zwei Jahren praktisch gar nicht mehr nach China einreisen. Unter diesen Beschränkungen leiden vor allem kleinere Firmen, die kein eigenes Personal vor Ort haben. Zudem ist keine Besserung in Sicht. Die Grenzen werden wohl erst im Laufe des Jahres 2023 durchlässiger werden. Die chinesischen Kunden weichen dann teilweise auf einheimische Konkurrenzprodukte aus.

Hohe Importabhängigkeit bei Fleisch, Getreide und Futtermitteln

Von den Grenzschließungen weniger betroffen sind die Anbieter von Nahrungsmitteln und Getränken. Für sie besteht "lediglich" das Problem, die Waren von den chinesischen Flug- und Containerhäfen zu den Kunden zu befördern. Sie konnten bislang ein relativ gutes Geschäft generieren. China kann sich nicht selbst ernähren. Das besonders fruchtbare Land in der Küstennähe ist extrem stark besiedelt. Es besteht vornehmlich bei Fleisch, Getreide und Futtermitteln eine hohe Importabhängigkeit.

Allerdings kann es in einzelnen Sparten immer wieder zu Einfuhrbeschränkungen kommen. Meist werden diese mit medizinisch-hygienischen Aspekten begründet. Doch können sie auch rein protektionistischer oder sogar politischer Art sein. Das mussten insbesondere Anbieter aus Australien lernen. So wurden zahlreiche Nahrungsmitteleinfuhren aus "Down Under" wegen diplomatischer Unstimmigkeiten unterbunden. Besonders stark litten die australischen Winzer und Hummerfischer.

Chinas Nahrungsmittelimporte nach Lieferpositionen (in Milliarden US$)

HS-Pos.

Warenbezeichnung

2020

2021

12

Ölsamen und Ölhaltige Früchte, Heilpflanzen, Stroh und Futter

45,0

54,3

02

Fleisch und Schlachterzeugnisse

30,3

29,1

03

Fische und andere Wassertiere

12,4

12,2

08

Früchte und Nüsse

12,0

14,6

10

Getreide

9,3

18,4

15

Öle und Fette

11,3

14,4

04

Milch und -erzeugnisse, Eier, Honig

7,3

9,0

19

Backwaren, Zubereitungen aus Getreide oder Mehl

7,3

6,1

22

Getränke

5,1

6,0

23

Rückstände der Lebensmittelindustrie, Tierfutter

4,8

6,1

Quelle: International Trade Centre (ITC) 2022

Das führt zu Unsicherheit für ausländische Branchenunternehmen. Tendenziell können sie aber mit einem weiter hohen oder noch steigenden Importbedarf rechnen. Der Fleischkonsum etwa wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten eher zunehmen. Gemessen am Pro-Kopf-Verbrauch besteht noch Nachholbedarf. Im Jahr 2021 führte das Reich der Mitte laut dem International Trade Centre (ITC) Nahrungsmittel und Getränke im Wert von 180 Milliarden US$ ein, ein Plus von fast 12 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

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