Branchenanalyse | China | Bauwirtschaft
Verschuldung großer chinesischer Baufirmen nimmt zu
In China dominieren vorwiegend riesige Baufirmen und Immobilienentwickler. Sorgen bereiten die wachsende Unternehmensverschuldung in Kombination mit steigenden Leerständen.
01.07.2021
Von Stefanie Schmitt | Beijing
Trotz einer Vielzahl kleiner Firmen in der chinesischen Bauwirtschaft dominieren nach wie vor einige große – fast ausschließlich staatliche – Unternehmen das Geschäft. Bauherren sind – speziell im Hochbau – in der Regel Immobilienentwicklungsgesellschaften sowie in Einzelfällen öffentliche oder private Auftraggeber.
Tab. Bauunternehmen
Projektrisiko liegt immer häufiger beim Lieferanten
Strategische Vereinbarungen mit den Bauentwicklern wie Evergrande oder Vanke helfen, verlieren aber an Gewicht, da neuerdings vermehrt Generalunternehmer zwischengeschaltet werden. Die Entwickler wälzen so das Realisierungsrisiko ab, während der Generalunternehmer alles daransetzt, seine Kosten zu minimieren.
Zunehmend müssen deshalb gleich zwei Parteien vom eigenen Produkt überzeugt werden. Nicht selten werden außerdem die Projektrisiken auf den Lieferanten übertragen. In hart umkämpften Segmenten werden oft gar keine Anzahlungen mehr geleistet. Hinzu kommen irrationale Zahlungsziele, sodass sich viele Aufträge nicht mehr rechnen. Deutsche Zulieferer bleiben deshalb immer häufiger außen vor.
Tab. Immobilienentwickler
Immobilienentwickler in finanzieller Schieflage
Nicht zuletzt wegen ihrer enormen Vorleistungen zählen einige der Immobilienentwickler zu den größten Schuldnern des Landes. Doch solange sich die Preise stabil halten oder weiter nach oben bewegen, seien größere Rückzahlungsprobleme nicht zu erwarten, heißt es aus der Branche.
Aber ganz so entspannt ist die Lage wohl doch nicht. Der Immobilienriese Evergrande hat laut einem Bericht des Mercator Institute for China Studies (MERICS) vom Oktober 2020 Schulden in Höhe von 120 Milliarden US-Dollar (US$) angehäuft, von denen in den kommenden Monaten 5,8 Milliarden US$ fällig werden. Nur eine Vereinbarung mit der Regierung auf höchster Ebene, schrieb der Thinktank, habe Evergrande vorerst retten können. Vermutlich ist das Unternehmen nicht der einzige Immobilienkonzern in finanzieller Schieflage.
Vor diesem Hintergrund achtet der Staat mit Blick auf die Finanzmarktstabilität zunehmend darauf, dass "die drei roten Linien" nicht überschritten werden: Das Verhältnis zwischen Verbindlichkeiten und Vermögenswerten muss unter 70 Prozent liegen. Der Nettoverschuldungsgrad der Entwickler darf maximal 100 Prozent betragen. Des Weiteren sind Grenzen für das Verhältnis Barmittel zu kurzfristigen Schulden festgelegt.
Beunruhigend wirkt zudem, dass der Bestand an unverkauftem Wohnraum, welcher 2016 und 2017 rückläufig war, seit 2018 wieder zunimmt – und dies vor allem 2020 mit wachsender Geschwindigkeit. Er betrug laut Angaben von E-House China Ende August 2020 in 100 untersuchten Städten rund 483 Millionen Quadratmeter und damit 7,5 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Schon 2019 hatte der Bestand mit knapp 483 Millionen Quadratmetern im Jahresvergleich um 5,7 Prozent zugenommen. Die Tendenz ist angesichts der anhaltenden Bautätigkeit und immer neu fertig werdenden Baukomplexen steigend.