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China ist nicht mehr Deutschlands größter Handelspartner
Die USA sind 2024 zum bedeutendsten Land im Warenhandel für Deutschland aufgestiegen. Im Chinahandel bricht vor allem der Export ein. Ein Nachbarland überrascht.
20.01.2025
Von Christina Otte | Bonn
Chinas Rolle im deutschen Außenhandel schrumpft weiter: Nachdem die USA im letzten Jahr den Spitzenplatz knapp verfehlt hatten, haben sie 2024 die Führung übernommen. Seit 2016 war China Deutschlands wichtigster Handelspartner, doch nun ist das Land nur noch auf Platz 5 der deutschen Exportziele. Bei den Importen bleibt China jedoch weiterhin unangefochten auf Platz 1. Besonders auffällig ist der Rückgang der Exporte nach China um etwa 6,4 Prozent im Jahr 2024, während die Importe aus dem Reich der Mitte nur um 0,6 Prozent sanken, wie Hochrechnungen von Germany Trade & Invest (GTAI) zeigen.
USA lösen China als größten Handelspartner ab
Während der Handel mit China schwächelt, glänzen die Handelsbeziehungen zu den USA. Laut Berechnungen von Germany Trade & Invest (GTAI) beliefen sich die deutschen Ex- und Importe mit China im Jahr 2024 auf rund 247 Milliarden Euro. Damit haben die USA ihren Vorsprung gegenüber China auf etwa 8 Milliarden Euro ausgebaut. Zum Vergleich: Im Jahr 2022 betrug das Handelsvolumen zwischen Deutschland und China fast 300 Milliarden Euro, was einen deutlichen Vorsprung von 50 Milliarden Euro gegenüber den zweitplatzierten USA bedeutete. Doch bereits im Jahr 2023 war dieser Vorsprung auf nur noch 1,7 Milliarden Euro geschmolzen.
Die Prognose beruht auf vorläufigen Angaben des Statistischen Bundesamtes für den deutschen Außenhandel von Januar bis November 2024, die Dezemberdaten lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Chinesische Außenhandelsdaten zeigen, dass die chinesischen Exporte im Dezember 2024 wieder stärker gestiegen sind, auch nach Deutschland. Der Anstieg der chinesischen Exporte ist unter anderem auf die Ankündigung Donald Trumps nach seiner Wiederwahl im November 2024 zurückzuführen, höhere Zölle auf Waren aus China einzuführen. Chinesische Exporteure haben daher möglichst viel vor dem 20. Januar 2025 in die USA verschifft. Zudem sorgt das frühe chinesische Neujahrsfest und die damit verbundenen Betriebsferien für viel Containeraktivität. Sinkende Produzentenpreise und eine schwache Währung im Reich der Mitte bescheren chinesischen Exporteuren zusätzlich Rückenwind.
Strategische Neuorientierung in China
Derzeit entwickeln sich die Wirtschaften in den USA und China praktisch gegenläufig: Während im Reich der Mitte die Erholung ausbleibt, läuft die US-Wirtschaft weiter auf Hochtouren. Die Investitionsprogramme der Biden-Regierung, die Chipsanktionen gegenüber China sowie die angekündigte Zoll-Politik von Trump in seiner zweiten Amtszeit dürften weiter für Produktionsverlagerung in Richtung USA und anderen Standorten sorgen. Laut der Deutschen Auslandshandelskammer (AHK) in China ist die Stimmung der deutschen Wirtschaft in China für 2025 dagegen verhalten, Ende 2024 war sie auf einem bisherigen Tiefpunkt.
Dazu tragen die Immobilienkrise und lokale Verschuldung sowie geopolitische Verstimmungen im Verhältnis zu den USA und der EU bei. Während China den Handel vor allem in Richtung Südostasien und darunter Vietnam signifikant erhöht, ändern sich auch die Strategien deutscher Unternehmen in Bezug auf den chinesischen Markt. Die Suche nach Alternativen ist in vollem Gange, aus Vietnam stiegen die deutschen Importe 2024 beispielsweise um 11,6 Prozent. Gleichzeitig setzen viele Firmen auf Lokalisierung "in China für China", die Europäische Handelskammer in China warnt allerdings vor Herausforderungen zum Beispiel durch Doppelstrukturen. Beide Trends sorgen für einen geringeren bilateralen Handel.
Polen schiebt sich als Absatzmarkt vor China
Besonders erfolgreich bei der Erschließung neuer Absatzmärkte war Deutschland in den letzten Jahren in Polen. Das Nachbarland schob sich bei den deutschen Exporten vom zehnten Platz im Jahr 2012 auf Rang 4 im Jahr 2024 und überholte damit China. Der Anteil der Exporte in die Volksrepublik am deutschen Gesamtexport ist mit 5,8 Prozent dagegen auf das Niveau von 2010 gesunken.
Eine Erholung zeichnet sich im Handel mit dem Vereinigten Königreich ab. Nach einem heftigen Einbruch infolge des Brexits nahm der Export 2024 um rund 4,1 Prozent zu und das Land sprang vom neunten auf den sechsten Rang der Exportziele.
Kfz-Exporte im Minus, Nahrungsmittel im Plus
Bei den Exporten nach China war es vor allem das Warensegment Kfz und Kfz-Teile, das einen überdurchschnittlich starken Rückgang um 16,4 Prozent hinnehmen musste, das zeigt der Vergleich der ersten elf Monate 2024 zum gleichen Zeitraum 2023. China ist zwar der größte Kfz-Markt, doch erstens erhöht sich die Wertschöpfung vor Ort - sowohl bei chinesischen als auch bei ausländischen Herstellern - und zweitens haben deutsche Hersteller mit wachsender Konkurrenz chinesischer Autobauer zu kämpfen. Beides wirkt sich negativ auf die chinesische Importnachfrage aus.
Auch der deutsche Export von sonstigen Fahrzeugen nach China, wie etwa Flugzeugen, ging knapp um ein Viertel zurück. Die Maschinenexporte reduzierten sich zum Vorjahreszeitraum um 4,4 Prozent, weltweit gingen die deutschen Maschinenlieferungen ebenfalls um 4,6 Prozent zurück. Demgegenüber stiegen die Ausfuhren von Nahrungsmitteln nach China um 4,8 Prozent. Während sich chinesische Verbraucherinnen und Verbraucher bei großen Anschaffungen zurückhalten, geben sie wieder mehr für Lebensmittel aus. Der Export von Elektrotechnik und chemischen Erzeugnissen nach China erhöhte sich ebenfalls leicht entgegen dem allgemeinen Trend.
Deutsche Exporte nach China nicht in allen Segmenten rückläufig
Deutscher Außenhandel unter Druck
Alles in allem bleibt das Umfeld für deutsche Im- und Exporteure 2025 angespannt. Der deutsche Außenhandel verzeichnete im Jahr 2024 insgesamt ein Minus von voraussichtlich rund 2 Prozent. Die deutsche Wirtschaft rechnet mit einem rückläufigen Auslandsgeschäft, das zeigen die ifo Exporterwartungen von Dezember 2024. Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo Umfragen, stellt fest: "Die Unternehmen profitieren derzeit – im Unterschied zu früheren Jahren – nicht von der positiven wirtschaftlichen Entwicklung in anderen Ländern."
Unklar ist bislang, wie stark die USA unter Trump die EU und damit auch Deutschland ins Visier ihrer Handelspolitik nehmen. Zudem droht eine Verschärfung des US-chinesischen Handelskonflikts und entsprechender Druck auf Deutschland, sich den USA anzuschließen. Der Trend zum Nearshoring, also die Verlagerung der Lieferketten näher an den Markt, dürfte daher auch 2025 anhalten.