Wirtschaftsumfeld | China | Außenhandel
Ist China bald nicht mehr Deutschlands größter Handelspartner?
China ist 2023 nochmal das bedeutendste Land im Warenhandel für Deutschland geworden. Die Krone könnte 2024 aber wechseln. Eine Reihe von Gründen sprechen dafür.
27.01.2024
Von Katharina Viklenko | Bonn
Die dominante Stellung Chinas im Außenhandel mit Deutschland bröckelt. War das Land seit 2016 der bedeutendste Handelspartner für die Bundesrepublik, deutet sich für 2024 ein Wechsel an der Spitze an. Seit 2022 ist China nur noch die Nummer vier bei deutschen Exporten, die sehr hohen Importe aus dem Reich der Mitte haben aber weiterhin zum 1. Platz im Gesamthandel geführt. Im Jahr 2023 sind sowohl die Importe aus China um rund 19 Prozent eingebrochen als auch die deutschen Exporte nach China um etwa 9 Prozent gesunken, zeigen Hochrechnungen von Germany Trade & Invest (GTAI).
China bleibt 2023 knapp Deutschlands größter Handelspartner
Der schlechten Entwicklung im Handel mit China steht eine überdurchschnittliche Performance mit den USA gegenüber. Laut GTAI-Berechnungen summierten sich die deutschen Ex- und Importe mit China 2023 auf rund 254 Milliarden Euro. Je nach Berechnungsmethode ist der Vorsprung von China gegenüber den USA damit auf nur 1 Milliarde bis 2 Milliarden Euro geschmolzen. Noch im Jahr 2022 wurden zwischen Deutschland und China Waren im Wert von nahezu 300 Milliarden Euro gehandelt. Zu den zweitplatzierten USA bestand mit satten 50 Milliarden Euro ein riesiger Vorsprung.
Die Prognose beruht auf vorläufigen Exportdaten des Statistischen Bundesamtes, Importdaten lagen zu Redaktionsschluss noch nicht vor und fußen daher auf einer Hochrechnung. Bei nachträglichen Revisionen der Handelsdaten durch das Statistische Bundesamt könnte es ein noch knapperes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen China und den Vereinigten Staaten werden, sodass die USA möglicherweise schon 2023 vorne landen.
Gründe liegen vor allem im Reich der Mitte
Derzeit entwickeln sich die Wirtschaften in den USA und China praktisch gegenläufig: Während im Reich der Mitte die Erholung ausbleibt, entwickeln sich die USA besser als erwartet. Die Investitionsprogramme und Ausgaben im Vorlauf der Präsidentschaftswahlen im November 2024 dürften weiter für Nachfrage in Nordamerika sorgen. Laut der Business Confidence Survey der AHK Greater China ist die Stimmung der deutschen Wirtschaft in China für dieses Jahr dagegen verhalten.
Dazu tragen die Immobilienkrise, geopolitische Verstimmungen im Verhältnis zu den USA und der EU sowie schwächelnde Industrieinvestitionen bei. Darüber hinaus ändern sich die Strategien deutscher Unternehmen in Bezug auf den chinesischen Markt. Während in der Beschaffung die Suche nach Alternativen in vollem Gange ist, setzen immer mehr Firmen auf Lokalisierung "in China für China". Beide Trends sorgen für einen geringeren bilateralen Handel. Zuletzt sinken die Produzentenpreise in China und sorgen für geringere Warenwerte im Export.
Sollten sich diese Trends 2024 fortsetzen, lösen die USA China an der Spitze des Rankings der bedeutendsten Außenhandelspartner Deutschlands ab. Insgesamt bleibt das Umfeld für deutsche Im- und Exporteure 2024 aber angespannt. Zu den Kriegen in der Ukraine und in Nahost gesellen sich Übergriffe auf Handelsschiffe im Roten Meer, dadurch steigen Transport- und Frachtkosten. Dies beklagt unter anderem der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen. Für die USA besteht zudem eine gewisse Unsicherheit über den Ausgang der Präsidentschaftswahlen und die daraus folgende Handelspolitik.
Dickes Minus bei Importen aus China – nur nicht bei Autos und Elektrotechnik
Besonders kräftig nahmen bei den Top-Ten-Importländern 2023 laut GTAI-Hochrechnung deutsche Importe aus China ab. Dadurch ist die deutsche Importabhängigkeit, also der Anteil der Einfuhren aus der Volksrepublik am deutschen Gesamtimport, mit 11,4 Prozent auf das Niveau des ersten Coronajahres 2020 gesunken.
Rang | Land | 2022 | Prognose 2023* | Veränderung |
---|---|---|---|---|
1 | China | 192,8 | 156,8 | -18,7 |
2 | Niederlande | 115,0 | 103,5 | -10,0 |
3 | USA | 93,3 | 94,6 | 1,4 |
4 | Polen | 78,3 | 81,5 | 4,0 |
5 | Italien | 73,2 | 71,9 | -1,7 |
6 | Frankreich | 70,0 | 69,5 | -0,6 |
7 | Tschechien | 59,2 | 61,3 | 3,6 |
8 | Österreich | 58,1 | 54,5 | -6,2 |
9 | Belgien | 63,0 | 53,4 | -15,3 |
10 | Schweiz | 55,7 | 52,4 | -5,9 |
Gesamtimport | 1.505 | 1.365 | -9,4 |
Bei den Importen aus China von Januar bis November 2023 nach Warenkategorien verzeichneten nahezu alle wichtigen Handelspositionen kräftige Rückgänge. Am größten war das Minus etwa bei chemischen Erzeugnissen mit einer Abnahme von 70 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum: Deutschland importierte deutlich weniger Industriechemikalien (-77,3 Prozent) und sonstige Chemie (-62,8 Prozent) wie etwa Insektizide. Alleine diese beiden Unterkategorien machen fast den gesamten Chemieimport Deutschlands aus China aus. Gesunkene Chemikalienpreise können das dicke Minus nur zum Teil erklären. Große Rückgänge gab es außerdem bei Einfuhren von Möbeln (-31,3 Prozent) sowie Textilien, Bekleidung und Schuhen (-25,6 Prozent).
Wachstum verbuchten im gleichen Zeitraum als große Ausnahme Einfuhren von chinesischen Kraftfahrzeugen und -Teilen mit einer Steigerung von 35,6 Prozent. Laut Angaben des chinesischen Verbands China Passenger Car Association hat die Volksrepublik beim Autoabsatz 2023 erstmals Japan als weltweit größten Exporteur nach Stückzahlen überholt. Insbesondere chinesische Elektroauto-Hersteller bereiten eine große Expansion vor und drängen immer stärker auf den internationalen Markt. Bei den größten Warenpositionen stiegen von Januar bis November 2023 außerdem lediglich deutsche Importe von Elektrotechnik mit 8,1 Prozent.
China verliert für Export an Bedeutung
Im Exportranking blieb China 2023 zwar wie schon im Vorjahr auf Rang 4. Dennoch verliert das Reich der Mitte als Abnehmermarkt an Bedeutung, der Anteil Chinas an den deutschen Gesamtausfuhren sank weiter auf 6,2 Prozent. Bei den wichtigsten Lieferpositionen "made in Germany" nach China stiegen von Januar bis November 2023 lediglich Ausfuhren von Elektrotechnik mit einem marginalen Plus von 0,6 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode. In allen übrigen bedeutendsten Warenkategorien gingen die Exporte im Vergleich zum gleichen Zeitraum hingegen zurück.
Zweistellige Rückgänge gab es bei Kfz (-18,2 Prozent) und chemischen Erzeugnissen (-13,7 Prozent), darunter auch bei Lieferungen von Arzneimitteln (-11,8 Prozent). Während also China seine Kfz-Exporte nach Deutschland steigern konnte, sanken sie in umgekehrte Richtung. Deutsche Ausfuhren von Medizintechnik nach China blieben mit einem marginalen Minus von 0,2 Prozent dagegen nahezu stabil.
Rang | Land | 2022 | Prognose 2023* | Veränderung |
---|---|---|---|---|
1 | USA | 156,2 | 159,3 | 0,8 |
2 | Frankreich | 118,2 | 117,8 | -0,3 |
3 | Niederlande | 112,3 | 112,9 | 0,6 |
4 | China | 106,8 | 97,9 | -8,9 |
5 | Polen | 92,7 | 89,8 | -3,1 |
6 | Italien | 89,2 | 85,9 | -3,7 |
7 | Österreich | 90,3 | 80,0 | -11,4 |
8 | UK | 73,8 | 78,2 | 6,0 |
9 | Schweiz | 70,6 | 67,4 | -4,5 |
10 | Belgien | 62,9 | 61,1 | -2,9 |
Gesamtexport | 1.594 | 1.576 | -1,1 |