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Wirtschaftsstruktur: Die Provinz steigt ins Innovationsrennen ein
Frankreich schiebt die Entwicklung von Zukunftsbranchen an. Noch ist der Großraum Paris führendes Wirtschafts- und Forschungszentrum. Die Regionen aber gewinnen an Bedeutung.
18.04.2024
Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Paris
Deutschland und Frankreich sind dank Größe und Wirtschaftskraft die beiden wirtschaftlichen Zugpferde Europas. Für die deutsche Wirtschaft spielt der Nachbar eine überragende Rolle als großer, verlässlicher Absatzmarkt. Im Gesamtjahr 2023 exportierte Deutschland Güter im Wert von knapp 117 Milliarden Euro nach Frankreich, 20 Prozent mehr als nach China.
Der deutsche und französische Markt sind eng verflochten. Rund 2.500 deutsche Unternehmen sind mit Niederlassungen und Produktionen in Frankreich vertreten, 2.300 französische Unternehmen in Deutschland aktiv. Deutsche Unternehmensvertreter schätzen die Marktgröße, den hohen Ausbildungsstand der Mitarbeiter sowie die aktive Industrieförderpolitik.
Französische Regierung lockt die Industrie zurück ins Land
Die Reindustrialisierung des Landes steht im Zentrum der Regierungsanstrengungen. In den vergangenen Jahrzehnten war viel Industrie abgewandert. Die Verödung ganzer Regionen war die Folge. Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes am Bruttoinlandsprodukt war von 14,5 Prozent im Jahr 2000 auf 10,2 Prozent im Jahr 2021 zurückgefallen, erholt sich seitdem aber langsam. Die Regierung hat sich zum Ziel gesetzt, die Industrialisierungsquote bis 2035 wieder auf 15 Prozent hochzufahren und hat dazu Industrieförderprogramme ins Leben gerufen.
So stellt das Konjunktur- und Innovationsprogramm France 2030 insgesamt 54 Milliarden Euro für den Aufbau einer innovativen Industrie bereit. Ziel ist es, die Wettbewerbsfähigkeit der französischen Wirtschaft in Zukunftsbranchen zu stärken und die Produktion im Inland zu steigern. Das Gesetz "Loi sur des Industries vertes" soll die Ansiedlung umweltfreundlicher oder für die Klimawende erforderlicher Industrien erleichtern und beschleunigen.
Die französische Regierung treibt aktiv die ökologische Transformation des Landes und den Kampf gegen den Klimawandel voran. Im September 2023 hat sie die „Planification Écologique“ vorgestellt, eine umfassende Strategie zur Dekarbonisierung des Landes. Der Haushalt 2024 sieht insgesamt 40 Milliarden Euro für klimabezogene Projekte vor, 10 Milliarden Euro mehr als noch 2023.
Zur ökologischen Transformation braucht es Geld und elektrischen Strom
Die Förderung von Reindustrialisierung und ökologischer Transformation trifft auf Zustimmung der Wirtschaft. Allerdings verlangen Unternehmen größere Anstrengungen gerade im Hinblick auf die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Frankreich. Unternehmen fehlt es bei Energiepreisen und der Energieversorgung an hinreichender Planbarkeit. Soll die ökologische Transformation gelingen, ist - so aus Unternehmenskreisen zu hören - vor allem genügend Strom zu vertretbaren Preisen, aber auch Wasserstoff und eine Wasserstoffinfrastruktur erforderlich. Zudem kritisieren Unternehmen eine zu zögerliche Finanzierung von Dekarbonisierungs- und Wasserstoffprojekten von Seiten der Banken.
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Frankreich will internationaler Vorreiter bei Wasserstoff werden
Der Dienstleistungssektor, insbesondere Handel und Tourismus, ist bislang der mit Abstand stärkste Wirtschaftszweig des Landes. Die Landwirtschaft spielt zwar wirtschaftlich eine geringere Rolle, ist aber wesentlicher Bestandteil des französischen Nationalbewusstseins und genießt politische Aufmerksamkeit.
Die französische Industrie verfügt über große, weltweit zum Teil führende Wirtschaftscluster. Im Flugzeugbau, bei Luxusgütern, im Verteidigungsbereich, in der Chemieindustrie (vor allem in den Bereichen Kosmetik und Pharma) und bei Kfz und Kfz-Teilen ist Frankreich international gut aufgestellt. Darüber hinaus arbeitet die Regierung daran, die Bereiche Hochtechnologie und die Ansiedlung "grüner" Industrien anzuschieben. Insbesondere im Bereich Wasserstoff arbeitet die Regierung darauf hin, Frankreich zu einem der weltweit führenden Produzenten und Technologievorreiter zu machen. Auch der Bereich Elektromobilität expandiert und zieht Investitionen in die Zulieferstruktur an.
Sektoren | Anteil an der Bruttowertschöpfung 2022 | Anteil an den Beschäftigten 2022 |
---|---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 2,1 | 1,0 |
Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung) | 0,1 | 0,1 |
Verarbeitendes Gewerbe | 10,7 | 9,1 |
Energieversorgung | 1,7 | 0,7 |
Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung und Beseitigung von Umweltverschmutzungen | 0,8 | 0,8 |
Baugewerbe | 5,5 | 5,9 |
Dienstleistungen (gewerblich) | 56,9 | 49,6 |
Frankreichs Regionen holen auf
Politisches und wirtschaftliches Zentrum Frankreichs ist traditionell Paris und die die Hauptstadt umgebende Region Île-de-France. Hier werden 31 Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts generiert. Die Region ist das führende Finanz- und Forschungszentrum des Landes. Ausländische Unternehmen haben häufig ihren Hauptsitz in und um Paris. Dennoch gewinnen auch Regionen außerhalb von Paris wirtschaftlich an Gewicht und ziehen vermehrt ausländische und lokale Investitionen sowie Start-ups an.
Gebiet | Anteil am BIP (in %) | BIP pro Kopf (in Euro) | Bevölkerung (in Mio.) |
---|---|---|---|
Paris / Ile de France | 29,7 | 63.256 | 12,4 |
Auverge Rhône-Alpes | 11,5 | 37.271 | 8,2 |
Provence-Alpes-Côte d'Azur | 7,9 | 40.043 | 5,2 |
Nouvelle-Aquitaine | 7,6 | 32.210 | 6,1 |
Occitanie | 7,3 | 31.710 | 3,9 |
Hauts-de-France | 7,0 | 30.968 | 6,0 |
Der Großraum Lyon sowie die gesamte Region Auvergne-Rhône-Alpes ist Standort für Produktionsstätten einer Vielzahl international tätiger Großunternehmen. Rund um Lyon hat sich ein Großcluster der Chemieindustrie (Lyon Vallée de la Chimie) gebildet. Die Region ist Zentrum der Kunststoffindustrie, der Chemie- und Pharmaindustrie, Medizintechnik sowie für Entwicklungen im Bereich Wasserstoff und neue Energien. Auch in der Entwicklung von Umwelttechnologien ist die Region sehr aktiv. Toulouse, die Hauptstadt der Region Okzitanien, ist Zentrum der in Frankreich starken Luft- und Raumfahrtindustrie.
Die Region Hauts-de-France im Norden des Landes befindet sich in einer Phase der Neuorientierung und etabliert sich als Standort einer Vielzahl hochinteressanter "grüner" Industrieprojekte. Französische, aber auch vermehrt ausländische Unternehmen investieren in Großprojekte aus den Bereichen Dekarbonisierung, Wasserstoff, Erneuerbare Energien und E-Mobilität. Im sogenannten "Vallée de la battérie" errichten Unternehmen wie ProLogium, ACC, Verkor, Orano oder XTC Batteriegroßprojekte. Die Region will in Zukunft die gesamte Batteriewertschöpfungskette von der Produktion bis hin zum Recycling abdecken.