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Bauwirtschaft bietet großes Nachholpotenzial
Hohe Zinsen und der Anstieg der Baustoffpreise belasten den Bausektor. Der finanzielle Spielraum der meisten Staaten der Region ist begrenzt. Für Impulse sorgen private Investoren.
14.02.2023
Von Fabian Nemitz | Bonn
Mit einer Bevölkerung von rund 660 Millionen Einwohnern sind die Staaten Lateinamerikas und der Karibik ein bedeutender Markt für die Bauwirtschaft. Dabei besteht in vielen Bereichen noch großer Nachholbedarf. Deutlich wird dies an den Armutsvierteln rund um die großen Metropolen sowie Mängeln bei der Abfall-, Wasser- und Verkehrsinfrastruktur.
Großer Nachholbedarf im Wohnungsbau
Laut Angaben der Interamerikanischen Entwicklungsbank (IDB) leben in Lateinamerika und der Karibik 86 Millionen Haushalte in informellen Stadtvierteln, denen es an grundlegenden Dienstleistungen mangelt. Das entspricht rund einem Viertel der gesamten städtischen Bevölkerung. Den Mangel an Wohnraum beziffert die IDB auf über 23 Millionen Wohnungen. Mehr als 43 Millionen Häuser befinden sich zudem in einem schlechten Zustand.
Gründe für die Rückstände liegen an der weitverbreiteten Armut und Ungleichheit. Rund 33,7 Prozent der Bevölkerung der Region lebten 2022 unter der Armutsgrenze (2018: 29,8 Prozent), schreibt die UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL). Hinzu kommen knappe öffentliche Kassen.
Gelingt es jedoch, die Wirtschaft und Kaufkraft weiter anzukurbeln, bietet sich entsprechend ein riesiges Nachholpotenzial für die Bauwirtschaft. Die Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) sehen für die großen Staaten der Region mittelfristig aber ein für Schwellenländer verhältnismäßig geringes Wirtschaftswachstum vor.
Hohe Zinsen und teure Baustoffe bremsen Hochbau
Gebremst werden die Aktivitäten im Wohnungsbau aktuell durch hohe Zinsen und die stark gestiegenen Preise für Baustoffe. In Mexiko etwa lag der Umsatz im Wohnungsbau im 1. Halbjahr 2022 rund ein Drittel unter dem Niveau von 2019. Aufgrund mangelnder Finanzmittel stockt in Brasilien der Bau vieler öffentlicher Gebäude, darunter für Bildungseinrichtungen. Allerdings will der seit Anfang 2023 amtierende Präsident Lula da Silva das öffentliche Bildungswesen wieder stärker fördern.
Positiver sieht es in der Region dagegen beim Bau von Lager- und Logistikflächen aus. Der Bereich profitiert vom weiteren Wachstum des Onlinehandels. Impulse kommen auch vom Wirtschaftsbau. Der Trend zum Nearshoring führt besonders in Mexiko zu vermehrten Investitionen in Industrieparks.
Der Büromarkt hingegen weist weiter eine verhältnismäßig hohe Leerstandsquote aus, darunter in Chile. Da viele Unternehmen nach der Coronapandemie auch langfristig auf hybride Arbeitsmodelle umstellen, dürfte der Leerstand nur langsam abnehmen.
Eine Sonderkonjunktur erlebt die Bauwirtschaft dagegen in Argentinien. Grund hierfür ist vor allem die Flucht in Sachwerte vor dem Hintergrund der galoppierenden Inflation.
Region investiert zu wenig in Infrastruktur
Groß ist der Nachholbedarf in Lateinamerika und der Karibik auch bei der Transport- und sonstigen Infrastruktur. Seit Jahren investieren die Länder der Region zu wenig. Laut Berechnungen der CEPAL erreichten die Investitionen im Zeitraum von 1950 bis 2021 im Durchschnitt einen Wert von 19,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist wesentlich weniger als in den erfolgreichen Tigerstaaten in Asien. Und die Aussichten auf eine deutliche Steigerung sind gering, angesichts des erwarteten niedrigen Wirtschaftswachstums, hoher Zinsen und der in der Coronapandemie gestiegenen Staatsschulden, schreibt die CEPAL in ihrem Economic Survey of Latin America and the Carribean 2022.
Ersichtlich wird der Nachholbedarf bei der Infrastruktur an den Ergebnissen des International Institute for Management Development (IMD). Im weltweiten Ranking zur Qualität der Infrastruktur belegten die Länder der Region 2022 hintere Plätze.
Mehr private Investitionen
Angesichts knapper öffentlicher Kassen setzen die Länder der Region vermehrt auf Betreibermodelle und öffentlich-private Partnerschaften. Das gilt besonders für Brasilien. Über das 2016 gestartete Programa de Parcerias de Investimentos strukturiert und versteigert die brasilianische Regierung langjährige Konzessionen für Straßen, Bahnstrecken, Häfen und Flughäfen. So hat das deutsche Unternehmen Fraport 2018 den Betrieb der Flughäfen in Porto Alegre und Fortaleza übernommen. In den jüngsten Jahren wurde auch der Wassersektor für Investoren geöffnet. Die Projektpipeline für 2023 beziffert sich auf insgesamt rund 45 Milliarden US-Dollar.
Das bietet auch Chancen für deutsche Unternehmen. Denn an die Stelle staatlicher Vergabeverfahren und das Prinzip möglichst niedriger Kosten treten professionelle Betreiberunternehmen, die ihre langfristige Effizienz maximieren wollen. Qualitätsaspekte gewinnen an Bedeutung.
Deutsche Firmen sind wichtige Lieferanten
Deutsche Baufirmen sind kaum in Lateinamerika vertreten. Zu den Ausnahmen zählt die Firma HTB, eine Tochter der Zech Group, in Brasilien. Eine wichtige Rolle spielen heimische Unternehmen aber als Lieferanten von Bau- und Bergbaumaschinen. Zu den führenden Anbietern zählen sie auch bei Baumaterialien und Ausstattungen für den gehobenen Bedarf. Bei einfachen Produkten gibt es häufig lokale Produzenten.
Chancen bieten sich auch im Consulting, darunter besonders im Infrastrukturbereich. Wichtige Erfolgsfaktoren für Zulieferer und Dienstleister sind eine Präsenz vor Ort sowie eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit den zuständigen Behörden und den Hauptauftragnehmern von Projekten.
In vielen Ländern der Region ist die Bauwirtschaft konservativ und stark preisorientiert. Neue Trends, Technologien und Materialien setzen sich nur langsam durch. Das lange vernachlässigte Thema Energieeffizienz gewinnt an Bedeutung, nicht zuletzt vor dem Hintergrund steigender Energiekosten und eines wachsenden Umweltbewusstseins. In Argentinien etwa hat die Regierung 2022 eine Anhebung der subventionierten Preise für Strom und Gas für Besserverdiener beschlossen. Impulse kommen auch von Projekten internationaler Entwicklungsbanken.
Land | Gesamt | Anteil Deutschlands (in %) | Rang Deutschlands |
---|---|---|---|
Brasilien | 1.649,0 | 4,6 | 6 |
Chile | 1.543,1 | 7,0 | 5 |
Mexiko | 1.241,3 | 3,5 | 7 |
Peru | 975,2 | 4,3 | 7 |
Argentinien | 498,4 | 3,1 | 5 |
Kolumbien | 467,3 | 5,5 | 6 |
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