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Wirtschaftsumfeld | Lateinamerika | Verkehrsinfrastruktur

Neue Transportrouten vernetzen die Länder Lateinamerikas

Der Handel zwischen den Ländern Lateinamerikas ist gering. Das bremst das Wachstum. Initiativen zum Ausbau der Transportverbindungen zwischen den Ländern sollen das ändern.

Von Janosch Siepen, Stefanie Schmitt | Bogotá, Santiago de Chile

Die Länder Lateinamerikas treiben nur wenig Handel untereinander. Im Jahr 2022 entfielen nur 15 Prozent des Handels des Subkontinents auf den intraregionalen Warenaustausch, so eine Studie der Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL). In allen anderen Erdteilen ist der Anteil zum Teil deutlich größer. Verantwortlich für den geringen Handelsaustausch sind vor allem die Lücken in der Infrastruktur, wie eine Untersuchung des Internationalen Währungsfonds zeigt.

Mängel bei den Transportwegen bremsen nicht nur den Handel, sondern auch das Wirtschaftswachstum in der Region, schreibt die Lateinamerikaexpertin des US-amerikanischen Thinktanks Council on Foreign Relations, Shannon K. O’Neil, in einer Analyse. Die schlechte Infrastruktur sei einer der entscheidenden Faktoren, warum Lateinamerika hinter dem Wirtschaftsboom in Asien oder Osteuropa zurückgeblieben sei. O’Neil kritisiert:

„In Südamerika gibt es nur eine einzige große Autobahn, die den Atlantik mit dem Pazifik über Brasilien und Peru verbindet. Und die Panamericana-Autobahn, die von Argentinien nach Alaska führt, ist eher für Abenteurer als für Frachttransporte geeignet, da viele Abschnitte unbefestigt oder praktisch unpassierbar sind.“

Länder suchen Alternativen zum Panamakanal

Abhilfe könnten länderübergreifende Infrastrukturprojekte schaffen. Vor allem Alternativen zum Panamakanal werden immer wieder diskutiert. Dabei geht es darum, Atlantik und Pazifik über einen Landkorridor zu verbinden und so Zeit und Kosten für den Transport einzusparen.

Ein zentrales Puzzleteil ist der sogenannte Corredor Bioceánico Vial, eine Straßenverbindung von Chiles Pazifikküste über Paraguay und Argentinien bis an die Atlantikküste Brasiliens. Das Vorhaben war Thema bei verschiedenen Treffen der Staatschefs der Anrainerländer im Jahr 2024 und ist eine wichtige Priorität der Industrieverbände der beteiligten Staaten. Doch noch sind Fragen zur Finanzierung und zum Zeitplan des Gesamtprojekts ungeklärt.

Anbindung des neuen Megahafens Chancay

Eine weitere Möglichkeit ist der Ausbau bestehender Transportrouten, zum Beispiel der Anschluss des neuen peruanischen Tiefseehafens Chancay an die "Ruta Interoceánica" zwischen der brasilianischen Küste und der Pazifikküste Perus. Der wichtige Logistikknotenpunkt soll auch mit der "Ruta Amazónica" verbunden werden.

Das Vorhaben ist Teil der bislang rein politischen Pläne des brasilianischen Ministeriums für Planung und Haushalt (MPO) und der Agentur für Export- und Investitionsförderung (ApexBrasil), um Brasilien durch fünf strategische Routen besser mit der Region zu vernetzen. Lateinamerikas größte Volkswirtschaft ist eines der am stärksten vom Außenhandel abgeschotteten Länder der Welt. Das Handelsvolumen des Landes kommt auf einen Wert von nur 34 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, so die Weltbank.

Allerdings zweifeln Experten an der wirtschaftlichen Rentabilität und Machbarkeit der Projekte. Sicherheitsbedenken, der Widerstand der lokalen Bevölkerung und die Zollabfertigung an den Grenzen stellen Hürden dar.

Welche Bioceánico-Projekte gibt es in Lateinamerika?

In Lateinamerika wurden schon viele Projekte, welche die beiden ("bi") Ozeane Pazifik und Atlantik über den Landweg verbinden, diskutiert.

  1. Bereits vorhanden ist die insgesamt rund 6.200 Kilometer lange Ruta Interoceánica Brasil-Perú, die seit 2010 vom brasilianischen Santos zu den Häfen Marcona, Matarani und Ilo im südlichen Peru führt. 
  2. Ebenfalls in Betrieb ist die Strecke von Chancay nach Santos. Vor allem seit Eröffnung des Megaports Chancay 2024 rollen verstärkt Waren zwischen den beiden Hafenstädten. Allerdings gibt es unterwegs sehr viele Kurven, welche große Lkw nicht oder kaum passieren können. 
  3. Noch 2025 fertiggestellt sein soll eine neue Ruta Amazónica von Chancay zur brasilianischen Amazonasmetropole Manaus für geschätzte 10 Milliarden US-Dollar. Angeschlossen werden sollen ferner die Hafenstädte Tumaco in Kolumbien und Manta in Ecuador.
  4. Die Eisenbahnstrecke Ferrocarril Bioceánico von Perus Hafen Ilo über Bolivien und São Paulo nach Santos in Brasilien hat bislang noch wenig Fortschritt verzeichnet.
  5. Besonders der chilenische Industrieverband SOFOFA setzt sich für die Realisierung des Corredor Bioceánico Vial von Chile über Argentinien und Paraguay nach Brasilien ein. 
  6. Eine andere Variante ist der von SOFOFA vertretene Vorschlag Corredor Bioceánico Central. Dieser würde den brasilianischen Hafen Porto Alegre via Uruguay und Argentinien mit der chilenischen Hafenstadt Coquimbo verbinden. Voraussetzung hierfür wäre allerdings der Bau der gigantischen Tunnelanlage "Agua Negra" mit zwei parallelen Röhren, die die Anden auf chilenischer Seite auf 3.500 Metern Höhe und auf argentinischer Seite auf 4.000 Höhenmetern zu durchqueren hätten.
  7. Corredor Férreo del Pacífico (Pazifikzug) in Kolumbien: Neubau einer Strecke vom Pazifik zum bestehenden zentralen Schienennetz und damit Verbindung zum Atlantik.
  8. Corredor Interoceánico del Istmo de Tehuantepec, bestehende Zugstrecke zwischen der mexikanischen Pazifik- und Atlantikküste. 

Zugstrecke zwischen Peru und Brasilien wird konkreter

Nicht nur großangelegte Straßenprojekte zielen auf eine Verbindung beider Weltmeere. Auch über die Schiene sollen langfristig Güter zwischen wichtigen Logistikzentren der Region rollen. Der "Ferrocarril Bioceánico" von Perus Hafen Ilo über Bolivien und São Paulo nach Santos in Brasilien befindet sich in der Anfangsphase. Technische Studien sollen 2025 beginnen, so Aussagen des peruanischen Transportministeriums.

Medien in Peru berichteten, dass die Finanzierung vom chinesischen Staatsunternehmen Cosco Shipping kommen soll. Der Konzern betreibt auch den Hafen Chancay. Insgesamt seien Investitionen zwischen 10 Milliarden und 15 Milliarden US-Dollar erforderlich. Zweifel bestehen dennoch. In der Vergangenheit hatte Perus Transportministerium wenig Interesse an einer zusätzlichen Verbindung zum Atlantik gezeigt.

Nationale Projekte in Mexiko und Kolumbien sollen Weltmeere verbinden

Neben den internationalen Projekten gibt es eine Reihe nationaler Vorhaben, die die Ozeane verbinden. Dazu gehört der "Corredor Interoceánico del Istmo de Tehuantepec", eine bestehende Zugstrecke zwischen der mexikanischen Pazifik- und Atlantikküste. Entlang der Strecke sollen künftig Industrieparks entstehen. Das Projekt ist Teil von Global Gateway, der Konnektivitätsinitiative der EU. Allerdings gibt es noch kaum Fortschritte.

Eine weitere Alternative zum Panamakanal könnte der Pazifikzug in Kolumbien bieten, der sich in der Vormachbarkeitsphase befindet. Das Projekt soll die Strecke zwischen Buenaventura an Kolumbiens Pazifikküste mit dem zentralen Schienennetz und schließlich der Atlantikküste verbinden.

Chancen für deutsche Firmen

Die Vorhaben bieten Absatzchancen für deutsche Firmen, etwa im Tiefbau oder in der Planung. Für den Straßenbau werden insbesondere Mobil- und Drehkräne, Frontlader, mobile Plattformen und Verkehrsleittechnik gebraucht. Für Schienenverkehrsprojekte müssen Rahmen-, Mobil- und Drehkräne beschafft werden. Hinzu kommen Lokomotiven, Waggons, Stahlschienen, Fahrgestelle und Anhänger, Schienenverlege- und Wartungsgeräte sowie Signalsysteme. Neben spezialisierten Produkten und Maschinen besteht auch Bedarf an entsprechenden Ingenieur- und Beratungsleistungen sowie Software für Infrastrukturprojekte.

Verschiedene deutsche Firmen sind bereits aktiv. So beliefern Liebherr, Kaeser, Beumer Group, Wirtgen Group und Herrenknecht den mexikanischen Tiefbausektor. Die DB Engineering & Consulting GmbH expandiert im Planungsbereich von Zugstrecken und gewann im Mai 2023 den Auftrag für die Vormachbarkeitsstudie des Pazifikzugs in Kolumbien. Auch die KfW Bankengruppe hat Projekte im Infrastrukturbereich in ihrem Portfolio.

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