Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Branchen | Lateinamerika | Tiefbau, Infrastrukturbau

Infrastruktur: Lateinamerika setzt auf private Investoren

Die Staaten in Lateinamerika haben einen großen Nachholbedarf bei der Infrastruktur. Betreibermodelle und PPP sind ein beliebtes Instrument. Das bietet Chancen für deutsche Firmen. (Stand: 06.08.2024)

Von Fabian Nemitz | Bonn

In den vergangenen Jahrzehnten haben die Staaten in Lateinamerika zu wenig in Straßen, Bahnstrecken, Häfen sowie die Wasser- und Energieinfrastruktur investiert. Das bremst das Wirtschaftswachstum und hemmt den Handel innerhalb der Region.

Im Jahr 2023 gaben die Länder der Region 2,2 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung für Investitionen in die Infrastruktur aus. Das zeigen Berechnungen der Economist Intelligence Unit (EIU) und von Global Infrastructure Hub. Notwendig wären aber 3,5 Prozent. Die Investitionslücke von 1,3 Prozentpunkten entspricht einem Wert von 90 Milliarden US-Dollar (US$). Nur in Afrika ist der Abstand zwischen Ist und Soll mit 2 Prozentpunkten noch größer. Weltweit liegt der Schnitt bei 0,5 Prozentpunkten.

Lateinamerika setzt auf Betreibermodelle und PPP

Die EIU schätzt, dass sich die Investitionslücke auch künftig fortsetzt. Statt der erforderlichen 250 Milliarden US$ dürften von 2024 bis 2028 jährlich nur 160 Milliarden US$ in die Infrastruktur fließen. Ein Grund hierfür sind die knappen Mittel und hohen Schuldenstände vieler Länder der Region. Nur rund 40 Milliarden US$ werden die Staaten im genannten Zeitraum pro Jahr aus eigener Kraft investieren können.

So ist damit zu rechnen, dass die Bedeutung des privaten Sektors bei Infrastrukturinvestitionen weiter zunimmt. Viele Länder Lateinamerikas setzen bereits seit langem auf private Investoren, sei es im Rahmen von Betreibermodellen oder öffentlich-privater Partnerschaften (PPP). Das bietet Chancen für deutsche Unternehmen, denn in der Regel achten private Betreiber bei ihren Investitionen mehr auf die langfristige Wirtschaftlichkeit und Effizienz als staatliche Akteure.

Für Investoren, Zulieferer und Betreiber bietet Lateinamerika ein weites Feld. Die Projektdatenbank des Informationsdienstleisters BNamericas weist eine große Fülle an Projekten in allen Bereichen der Infrastruktur auf. Doch gibt es Unwägbarkeiten, die die Umsetzung beeinträchtigen können. Hierzu zählen laut EIU Mängel bei den regulatorischen Rahmenbedingungen, Korruption sowie die politische und wirtschaftliche Instabilität in vielen Ländern.

Versteigerung von Konzessionen in Brasilien gewinnt 2024 an Fahrt

Der größte Teil der Infrastrukturinvestitionen in Lateinamerika entfällt auf Brasilien, Global Data beziffert den Anteil 2023 auf 42 Prozent. Wie die Vorgängerregierungen setzt auch Präsident Lula da Silva beim Ausbau der Infrastruktur auf Betreibermodelle. Die größten Projekte werden im Rahmen des 2016 gestarteten Programa de Parceiras de Investimentos (PPI) vergeben.

Nach einer Schwächephase 2023 ist künftig wieder mit mehr Versteigerungen zu rechnen. Im Jahr 2024 sollen insgesamt 56 Projekte mit einem Investitionsvolumen von knapp 35 Milliarden US$ vergeben werden, darunter der Bau von Autobahnen, Konzessionen für Häfen sowie für Stromtrassen. Für Impulse sorgt das im Sommer 2023 verabschiedete Programa de Aceleração do Crescimento, in das 92 PPI-Projekte übernommen wurden.

Auch die Bundesstaaten vergeben Projekte. Ende 2023 wies die Pipeline São Paulos 21 Projekte im Wert von 40 Milliarden US$ auf. Mit Spannung wird die Privatisierung des größten Wasserkonzerns Lateinamerikas, Sabesp, erwartet. Hohe Investitionen erfordert auch der Wiederaufbau im Bundesstaat Rio Grande do Sul nach der Flutkatastrophe im Frühjahr 2024.

Infrastrukturinvestitionen in Mexiko schalten einen Gang zurück

Auch in Mexiko bietet sich ein weites Feld für Infrastrukturinvestitionen. Das Land erlebt einen Nearshoring-Boom. Das erfordert Investitionen in neue Fabriken, Lager und Logistik, darunter den Ausbau von Schienenwegen in die USA.

Der Tiefbau profitierte in den vergangenen Jahren von Megaprojekten. Pünktlich zum Ende der Amtszeit von Präsident López Obrador im September 2024 sollen Großprojekte wie die Zugstrecke Tren Maya und die Raffinerie Dos Bocas in Betrieb gehen. Die Dynamik dürfte danach etwas nachlassen. Doch rücken neue Projekte in den Fokus, darunter der Bau von Flüssiggasterminals sowie der Ausbau von Zugstrecken im Süden Mexikos als Alternative zum Panamakanal.

Der Panamakanal selbst leidet unter dem klimabedingten Wassermangel, der die Nutzung der für den Welthandel so wichtigen Wasserstraße einschränkt. Der Betreiber des Kanals plant daher den Bau eines dritten Wasserspeichers für 890 Millionen US$.

Kolumbien setzt auf Ausbau der Schienenwege

Auch in Kolumbien gibt es Pläne zum Bau einer alternativen Route zum Panamakanal. Hierzu will das Unternehmen Zergratan Häfen an der Pazifik- und Karibikküste bauen und diese mit einem Eisenbahntunnel verbinden. Die Regierung setzt auf den Ausbau und die Wiederinbetriebnahme von Bahnstrecken sowie die Erweiterung von U-Bahn- und Nahverkehrsstrecken. Auch Seilbahnen rücken in den Fokus. Bis 2035 könnten in der bergigen Hauptstadt Bogotá sieben Strecken entstehen.

Milliardenschwere Projekte zum Ausbau der Infrastruktur verfolgt auch Peru. Ein Großprojekt könnte im November 2024 fertiggestellt werden: der Hafen Chancay, den der chinesische Konzern Cosco für 3,6 Milliarden US$ an der Pazifikküste baut.

In ganz Lateinamerika ist China zunehmend präsent. Um ein Gegengewicht zu schaffen, hat die EU die Global Gateway-Initiative ins Leben gerufen. Lateinamerika ist eine Schwerpunktregion. Rund 45 Milliarden Euro will die Staatengemeinschaft bis 2027 für Projekte in der Region bereitstellen.

Chancen für deutsche Firmen

Der Ausbau der Infrastruktur bietet Chancen für deutsche Unternehmen. Bei Großprojekten sind die Länder der Region vielfach auf Ausrüstungen aus dem Ausland angewiesen. Deutschland zählt zu den wichtigsten Lieferanten von Baumaschinen. Auch für beratende Ingenieure bieten sich Chancen, nicht zuletzt bei Entwicklungsprojekten.

China ist Lateinamerikas wichtigster Baumaschinenlieferant 1)Baumaschineniporte ausgewählter Länder in Lateinamerika, in Millionen US-Dollar
Land

Baumaschinenimporte 2023

Anteil Chinas (in %)

Anteil Deutschlands (in %)

Rang Deutschlands

Mexiko

2.718,8

21,0

3,6

5

Brasilien

1.871,7

36,8

5,9

3

Chile

1.864,3

13,2

4,9

5

Peru 2)

898,0

24,8

3,0

8

Argentinien

646,0

40,0

4,6

4

Kolumbien

644,8

26,6

3,9

6

1 SITC-Warenposition 723 (Maschinen, Apparate und Geräte für Erd- oder Steinbrucharbeiten, den Bergbau oder Tiefbohrungen, Hoch- und Tiefbau und dergleichen; Teile davon); 2 Angabe für 2022Quelle: UN Comtrade 2024

Doch ist es für deutsche Anbieter nicht einfach, Fuß zu fassen. In vielen Ländern der Region wird der Bausektor von lokalen, iberischen sowie chinesischen Baufirmen dominiert. Für Technologieanbieter ist es daher umso wichtiger, frühzeitig in Kontakt mit den zuständigen Behörden und mit den Hauptauftragnehmern der Projekte zu kommen.

Dieser Inhalt gehört zu

nach oben
Feedback
Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.