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Branche kompakt | Norwegen | Bauwirtschaft

Norwegens Bauindustrie hat noch immer zu kämpfen

Nahezu alle Bereiche der norwegischen Bauwirtschaft befinden sich in einer Krise. Im Bereich der Infrastruktur bieten sich Interessenten aber nach wie vor Chancen.

Von Michał Woźniak, Judith Illerhaus | Stockholm

Ausblick der Bauwirtschaft in Norwegen

  • Der norwegische Wohnungsbau steckt in einer seiner stärksten Krisen.
  • Im Tunnelbau und in der Energiewirtschaft bieten sich einige aussichtsreiche Projekte.
  • Der rückläufige Produktionsindex zeugt von einer insgesamt schwächelnden Branche.

 

Anmerkung: Einschätzung der Autorin für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: Mai 2024

  • Markttrends

    Norwegens Baubranche strauchelt noch immer. Insbesondere beim Wohnungsbau sieht es düster aus. Doch es scheint ein schwaches Licht am Ende des Tunnels.

    Die norwegische Baubranche sieht auf den ersten Blick wahrlich nicht verheißungsvoll aus. Der Wohnungsbau ist zuletzt beinahe zum Erliegen gekommen. Wer zuletzt auf die norwegische Bahn setzen musste, tat dies aufgrund sich häufender Meldungen zu Zugentgleisungen und einem mehrwöchigen Stillstand wichtiger Güterverbindungen mit einem eher unguten Gefühl. 

    Doch die norwegische Regierung hat die Defizite erkannt und sich zum Handeln bewegt: In ihrem

    Tunnelbau bietet Chancen

    Während das Schienennetz Norwegens längenmäßig lediglich 11 Prozent der deutschen Schieneninfrastruktur entspricht, gibt es in Norwegen fast annähernd gleich viele Tunnel wie hierzulande. Der Tunnelbau zählt zu den wichtigen Geschäftsfeldern in Norwegen, auch für deutsche Unternehmen.

    Ganz aktuell liegt dem norwegischen Parlament Storting ein Regierungsvorschlag zur Entwicklung sowie Finanzierung der zweiten Bauphase des Projekts E134 Oslofjord vor. Dabei geht es um den Bau einer weiteren Tunnelstrecke im Oslofjord mit dem Ziel einer sicheren Unterquerung des Fjords. Ebenfalls könnte hierdurch ein entscheidender Beitrag zur Verkehrssicherheit erzielt werden. Finanziert werden soll der Bau aus staatlichen Mitteln sowie Mautgebühren mit einem finanziellen Rahmen von umgerechnet etwa 660 Millionen Euro. Baustart soll 2025 sein. Darüber hinaus gibt es aktuell einige bereits laufende Tunnelprojekte.

    Wohnungsbaukrise geht weiter

    Der negative Trend des Wohnungsbaus des vergangenen Jahres setzt sich auch 2024 fort. "Wir müssen bis zur Bankenkrise Anfang der 1990er Jahre zurückgehen, um ähnlich schwache Zahlen für den Wohnungsmarkt in Norwegen zu finden", erklärt der CEO des Verbandes norwegischer Wohnungsbauer, Lars Jacob Hiim im April 2024. Im Zeitraum von März 2023 bis Februar 2024 seien lediglich 13.642 Wohneinheiten begonnen worden. Dies entspräche der Hälfte des geschätzten Wohnungsbedarfs und ist die geringste Quote, seit 2010 mit den monatlichen Registrierungen begonnen wurde. 

    Durch die weitere Verknappung des Wohnraums erwartet der Verband der Wohnungsbauunternehmen Boligprodusentenes Forening, dass die Preise wieder steigen werden. Besonders stark trifft dies auf die urbanen Zentren von Oslo und Stavanger zu, wo mit einer Preissteigerung des Wohnraums zwischen 7 und 9 Prozent gerechnet wird. Auch die Vereinigung der norwegischen Bauindustrie, BNL (Byggenæringens Landsforening) bestätigt einen weiteren Rückgang im Wohnungsbau für 2024. Gründe hierfür seien vor allem die anhaltend hohen Baukosten, nach wie vor hohe Zinsen und ein insgesamt schwacher makroökonomischer Ausblick, die für eine gedämpfte Nachfrage nach Neubauten sorgen.

    -20 %

    bei Baugenehmigungen von Wohngebäuden im Vergleich zum Vorjahr.

    Nach dem Produktionsindex des norwegischen Statistischen Amtes SSB ist die Produktion im Hochbau bereits fünf Quartale in Folge zurückgegangen, aber der größte Rückgang steht vermutlich noch bevor. Der Produktionsindex zeigt auch für das Baugewerbe in diesem Jahr einen Rückgang an.

    Unternehmen zeichnen pessimistischen Blick in die nahe Zukunft

    Auch die monatlich stattfindende Befragung der Bauunternehmen bestätigt den negativen Trend. Auf die Frage, wie die Unternehmen die Aussicht auf die kommenden zwölf Monate einschätzen, fällt die Antwort nach einem kurzzeitigen positiven Trend nun wieder deutlich negativ aus. Zwischen 84 Prozent und 91 Prozent der Unternehmen sagten, dass sie hinsichtlich der Verkaufspreise, der Investitionen, des Betriebsergebnisses als auch der Anzahl der Beschäftigten in den kommenden sechs Monaten mit einer Stagnation oder aber Verschlechterung der Parameter rechneten.

    Marktvolumen der Bauwirtschaft in Norwegenin Milliarden Euro; Veränderung in Prozent

    Kennziffer

    20211)

    20221)

    Veränderung 2022/20212)

    Marktvolumen insgesamt

    57,8

    63,5

    9,8

    Gebäudebau

    20,0

    22,0

    9,9

    Straßen- und Schienenbau

    4,0

    4,8

    18,0

    Leitungstiefbau und Kläranlagenbau

    1,5

    1,7

    11,6

    Bauinstallation

    9,8

    10,9

    12,2

    1) Umrechnung nach dem jeweiligen Jahresdurchschnittskurs der EZB; 2) auf Basis Landeswährung.Quelle: Norwegisches Statistikamt SSB 2023

    Geschäftschancen in der Energiewirtschaft

    Ein Sektor bleibt erfolgreich und sorgt für Wachstum: Die Energiewirtschaft bildet zurzeit das Rückgrat norwegischer Investitionen. Mit umgerechnet insgesamt etwa 20,4 Milliarden Euro für die Jahre 2024-2028 für den norwegischen Festlandsockel fällt die Investitionsanalyse des Verbands Offshore Norge überraschend hoch aus.

    Das staatseigene Energieunternehmen Statkraft kündigte zu Beginn des Jahres an, massiv in Onshore-Windparks zu investieren. Umgerechnet etwa 1 Milliarde Euro sind für die Modernisierung und auch den Neubau von Windkraftanlagen an Land geplant. Ausgebaut werden sollen beispielsweise die Windparks in Smøla, Hitra und in Kjøllefjord. Darüber hinaus stehen bis zu 3 Milliarden Euro für die Modernisierung beziehungsweise Umbauten bestehender Wasserkraftwerke zur Verfügung. Ziel ist auch eine 20-prozentige Steigerung der installierten Leistung, was etwa einen Zuwachs von bis zu 2.500 Megawatt bedeuten könnte. 

    Der ebenfalls staatseigene Netzbetreiber Statnett kündigte an, bis 2030 zwischen 5 Milliarden und 8,5 Milliarden Euro in seine Infrastruktur investieren zu wollen. Neben dem Anschluss neuer Stromquellen, gilt es Vorbereitungen für den steigenden Bedarf zu treffen: Bis 2050 soll der jährliche norwegische Stromverbrauch um über die Hälfte auf 220 Terawattstunden steigen. Der im November aktualisierte Netzentwicklungsplan konkretisiert die geplanten Maßnahmen.

    Neben Produktionskapazitäten für Wasserstoff, kristallisieren sich auch immer mehr Pipelineprojekte heraus. Rohrleitungen aus ganz Europa werden auch im Rahmen der Kohlenstoffdioxid-Abscheidung und Speicherung geplant.

    Ausgewählte Großprojekte der Bauwirtschaft in Norwegen
    Akteur/Projekt

    Investitionssumme 

    (in Mio. Euro)

    ProjektstandAnmerkungen
    Statens Vegvesen / Straßenprojekt E39 Rogfast

    1.800

    gestartetu.a. soll hier der längste Unterwassertunnel weltweit gebaut werden
    Blastr Green Steel / Fabrik für grüne Eisenerz-Pellets

    1.000

    in Entwicklungendgültige Investitionsentscheidung 2025; geplante Inbetriebnahme 2028
    Statens Vegvesen, Skanska / Straßenprojekt

    969

    gestartetGrößtes Straßenbauprojekt in Nordnorwegen; Ziel: bessere Anbindung der Lofoten
    Avinor / Flughafen Bodø

    612

    Baubeginn ab Mai 2024geplante Inbetriebnahme: 2029
    Implenia / U-Bahn-Tunnel Oslo

    111

    gestartetgeplante Fertigstellung: 2025
    Anlegg Øst Entreprenør AS / Bau einer Umweltstraße

    4

    Beginn 2024Pilotprojekt der öffentlichen Straßenverwaltung für emissionsfreie Baustellen
    Statens vegvesen / Arna-Stanghelle, Sørfjord

    k.a.

    geplantBau eines Straßen- und Schienentunnels für die Seeentsorgung von Tunnelmassen 
    Hav Eiendom / Stadtentwicklungsprojekt Grønlikaia, Oslo

    k.a.

    in Entwicklunggeplanter Abschluss aller Regulierungsbeschlüsse 2025; geplanter Baustart 2026
    Stanett / Hybrid Connection

    k.a.

    geplant"offene" Hybridverbindung im norwegischen Bereich der Nordsee, der Norwegen, einen Offshore-Windpark und ein weiteres Land verbindet
    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Von Judith Illerhaus | Stockholm

  • Nachhaltiges Bauen und Energieeffizienz

    Die norwegische Baubranche hat bereits Maßnahmen zur Reduzierung der Emissionen ergriffen. Die zeitgerechte Umsetzung der Klimaziele wird aber von manchen Experten angezweifelt.

    Holzbau liegt seit jeher im Trend

    Norwegen blickt auf eine lange und erfolgreiche Tradition im Holzbau zurück. Auch die norwegische Regierung unterstützt die Branche, beispielsweise durch Initiativen wie die Grüne Plattform. Projekte wie circWOOD haben Millionen erhalten, um eine zirkuläre Wertschöpfungskette für Holz zu etablieren, und verschiedene Cluster, wie der WoodWorks! Cluster oder der norwegische Holzcluster, sorgen für Synergien innerhalb der Forst- und Holzwirtschaft. 

    Auch Ökolabels wie der Nordische Schwan helfen Verbrauchern und gewerblichen Abnehmern, umweltfreundliche Waren und Dienstleistungen zu erkennen. Als Instrument sorgt es für mehr Sichtbarkeit von Unternehmen, die sich auf nachhaltige Lösungen spezialisiert haben. Insgesamt auf 59 Produktkategorien ist die Kennzeichnung anwendbar. Für die Baubranche stellt das Label beispielsweise Anforderungen an den Energieverbrauch eines Gebäudes, chemische Produkte, Bauprodukte und eine Reihe von Umweltaspekten in Innenräumen, die für die Gesundheit und die Umwelt von Bedeutung sind. Aber auch das Qualitätsmanagement während des Bauprozesses kann ausgezeichnet werden.

    Ziel: CO2-Neutralität bis 2030

    Das Königreich gilt bereits als führend auf dem Weg zu einer umweltfreundlicheren Bauindustrie mit nachhaltigen Materialien, emissionsfreien Baustellen bis möglichst 2025 und intelligenten, energieeffizienten Gebäuden. Grund hierfür sind auch durchweg ambitionierte Ziele, die sich die Regierung selbst gesetzt und damit Maßnahmen auferlegt hat.

    Konkrete Pläne für den Gebäudebau

    Es bestehen aber Zweifel, inwiefern die großen Pläne zu erreichen sind. Denn zufolge der letzten Studie des Beratungsunternehmens DNV soll Norwegen, das derzeit noch über einen ausgeprägten Stromüberschuss verfügt, bereits 2030 mit einem nennenswerten Stromdefizit zu kämpfen haben. Dies beeinträchtigt letztlich die groß angelegte und angestrebte grüne Transformation der Industrie. Selbst NHO Byggenaeringen, der Verband der norwegischen Bauindustrie, hat in seiner jüngsten Studie darauf verwiesen, Norwegen habe sich zu lange auf seinen Lorbeeren ausgeruht. Reiche Vorkommen natürlicher Ressourcen seien längst nicht mehr genug, um die bisherige Vorreiterrolle auch zu halten. 

    Eine Stärke Norwegens sind Dynamik und Pragmatismus. Entsprechend passend ist die kürzliche Ankündigung weiterer Gelder, um Norwegen nicht ins Abseits geraten zu lassen. Laut einer Pressemeldung der norwegischen Klima- und Energieagentur ENOVA wurde eine Zusatzvereinbarung zwischen der Agentur und dem Ministerium für Klima und Umwelt getroffen, wonach noch im laufenden Jahr 2024 zusätzlich zu den bereits geplanten Mitteln rund 240 Millionen Euro in den Klima- und Energiefonds fließen sollen. Etwa 76 Millionen Euro davon sind konkret für Energieeffizienzmaßnahmen in Gewerbegebäuden und im Wohnungsbau vorgesehen.

    Der Stellenwert der Branche wird auch aus groß angelegten Förderzentren wie dem Forschungszentrum für umweltfreundliche Energie (FME) deutlich. Ziel ist die Erforschung von Null-Emissions-Gebieten, als Erweiterung zu der bereits fortgeschrittenen Erforschung von Gebäuden, die beim Bau und während des Betriebs keine Treibhausgasemissionen verursachen. Erfolgreiche Beispiele für diese Gebäudeklassen finden sich mit Visund in Haakonsvern in Bergen, oder dem Campus Evenstad in Koppang oder der Heimdal-Oberschule in Trondheim.

    Longship ist das CCS-Flaggschiff

    Bei den Bemühungen, ganzheitliche CCS (Carbon Capture and Storage)-Wertschöpfungsketten abzubilden, gilt Norwegen als Vorreiter. Auch ein deutsches Unternehmen ist von Beginn an mit an Bord. Heidelberg Materials ist einer der Projektpartner und baut im Rahmen der Initiative sein Zementwerk in Brevik so um, dass dort bis Ende 2024 die weltweit erste großtechnische CCS-Anlage in der Zementindustrie entsteht. Insgesamt stellt die Regierung für die Investition knapp 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung.

    Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit gehen Hand in Hand

    Baumaschinen stehen fast die Hälfte der Arbeitsstunden still und sind für 20 Prozent der Treibhausgasemissionen der Bauindustrie verantwortlich. Hier setzt das Forschungsprojekt zu datengesteuerten Baustellen an, das der Baukonzern Skanska ins Leben gerufen hat. In Kooperation mit SINTEF, Volvo und dem Softwareunternehmen Ditio soll eine künstliche Intelligenz entwickelt werden, die zu mehr Effizienz beim Betrieb der Baumaschinen und einer Senkung von mindestens zehn Prozent der produzierten Emissionen führen soll. Das Projekt verfügt über ein Budget von 1,6 Millionen Euro, wovon die Hälfte vom norwegischen Forschungsrat im Rahmen des Pilot-E-Förderprogramms finanziert wird.

    Die Methode wird im Rahmen eines Pilotprojekts beim Bau der neuen Autobahn E16 bei Jevnaker im Bezirk Viken getestet. Ditio hat ein Programm entwickelt, das die Daten aller von Skanska eingesetzten Baumaschinen aufzeichnet. Zusammen mit den Daten, die direkt von den Baumaschinen stammen, verwenden die Forscher von SINTEF maschinelles Lernen, um den effizientesten Betrieb der Maschinen zu berechnen.

    Auch ENOVA setzt hier mit konkreten Maßnahmen an: Durch zwei Förderprogramme sollen die Emissionen auf Norwegens Baustellen gesenkt werden. Mittel werden beispielsweise für die Anschaffung emissionsfreier Baumaschinen sowie für mobile Ladestationen für elektrische Baumaschinen vergeben. In der ersten Antragsrunde dieses Jahres wurden Käufe von insgesamt 58 Maschinen mit einem Fördervolumen von knapp 6,5 Millionen Euro unterstützt. Marie Tranaas Skjærvik leitet den Bereich Landverkehr bei ENOVA und stellt fest, dass "Optimismus und Interesse unter den Marktteilnehmern zugenommen haben und dass ENOVA nun über mehr Erfahrung verfügt, um das Angebot zukünftig auszuweiten." Fest steht jedenfalls schon heute, dass die besagten Programme auch über das Jahr 2024 hinaus fortgeführt werden sollen.

    Von Judith Illerhaus | Stockholm

  • Branchenstruktur

    Die Dominanz regionaler Spieler wird zunehmend durchbrochen - wegen hoher Ansprüche, attraktiver Projektdimensionen sowie Personal- und Kapazitätsmangel.

    Die norwegische Baubranche spielt eine wichtige Rolle im Land, denn sie trägt etwa zu 10 Prozent zur Bruttowertschöpfung Norwegens bei. Nichtsdestotrotz hat die Bauindustrie zuletzt erhebliche Einbußen hinnehmen müssen. Der Produktionsindex lag im März 2024 bei -2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Und eine deutliche Besserung ist für das aktuelle Jahr noch nicht in Sicht. 

    Noch härter hat es den Bereich der Baustoffe getroffen. Der Verband der Baustoffindustrie, Byggevareindustriens Forening verweist auf einen ansonsten starken Sektor mit rund 220 Unternehmen, die zuletzt einen Gesamtumsatz von umgerechnet 1,78 Milliarden Euro erwirtschaftet haben.

    Zeichen der Erholung ab 2025

    Veidekke, einer der größten Akteure am Markt, rechnet für das laufende Jahr mit einem Produktionsrückgang von 13 Prozent. Für den Sektor Infrastruktur sieht es trotz allem deutlich besser aus. Dies nicht zuletzt auch aufgrund umfassender regierungsseitiger Maßnahmen: Große Verkehrsinfrastrukturprojekte werden voraussichtlich noch mehrere Jahre lang ein starkes Segment bleiben und durch einen Anstieg der Straßeninstandhaltung sowie durch höhere Investitionen in Wasserversorgungs-, Kanalisations- und Energieprojekte ergänzt werden.

    Auch andere Faktoren sprechen dafür, dass sich die Situation ab nächstem Jahr deutlich bessern wird. Als Haupttreiber gelten die enorme Wohnungsnot, insbesondere im Großraum Oslo, verstärkter Zuzug auch aus dem Ausland als auch ein Ende steigender Zinssätze.

    Neue Herausforderungen, neue Chancen

    Das anspruchsvolle Klima, die Technologieaffinität und das Bemühen um - nicht nur nachhaltige - Vorzeigeprojekte machen ausländisches Know-how oft zum gefragten Gut - ob bei Architekten, Ingenieuren oder Baudienstleistern. Hier können vor allem die internationalen Wettbewerbe für prestigeträchtige Projekte einen guten Einstieg bieten, und zwar nicht nur in den Wirtschaftszentren im Süden und Westen. Die norwegische Politik ist bestrebt, die Attraktivität des Norden des Landes auszubauen. Nur sollten interessierte Büros auf der Höhe der Zeit sein: Norwegen ist bereits führend bei Building Information Modeling (BIM) und die staatlichen Auftraggeber sind bemüht, diese Stellung auszubauen. Mittlerweile kommen auch digitale Zwillinge oder künstliche Intelligenz immer breiter zum Einsatz.

    Die Suche nach öffentlichen Aufträgen sollte über die Datenbank des sehr transparenten öffentlichen Ausschreibungswesens Doffin führen. Dort werden alle öffentlichen Beschaffungsmaßnahmen ab einem Schwellenwert von 1,1 Millionen Norwegische Kronen (aktuell rund 93.000 Euro) veröffentlicht. Eine kostenpflichtige Datenbank zu Bauprojekten in Norwegen bietet das Branchenportal Byggfakta an.

    Etwas schwieriger ist die Gewinnung privater Auftraggeber. Wie in ganz Skandinavien ist auch in Norwegen die Wirtschaft stark vernetzt, Geschäftsbeziehungen bestehen oftmals bereits seit Jahrzehnten. Zudem priorisiert man auch in Norwegen einheimische Anbieter vor denen aus dem restlichen nordischen Raum und erst dann weiteren Konkurrenten. Referenzen und bestehende Kontakte können einen wichtigen Beitrag zum Auftragseingang leisten.

    Spezialisten sind im Vorteil

    Laut dem norwegischen Statistikamt SSB waren Anfang 2023 knapp 73.000 Unternehmen in der Baubranche tätig. Nahezu zwei Drittel von ihnen waren Einmannbetriebe, etwa 240 konnten eine dreistellige Mitarbeiterzahl vorweisen. Dabei verfügen fast ausschließlich die großen Firmen über nötiges Know-how, ausreichende Ressourcen und entsprechende technische Fähigkeiten zur Planung und Durchführung komplexer Bauvorhaben. Trotz der Verlangsamung im Hochbau bietet das weiterhin eine Einstiegschance für ausländische Konkurrenten: Diese kommen vor allem bei spezialisierten Arbeiten sowie Infrastrukturprojekten zum Zug.

    Die meist großangelegten öffentlichen Projekte sind für internationale Anbieter zum Magneten geworden. Neben Baukonzernen aus Deutschland, Österreich oder Spanien wagen zunehmend auch chinesische Firmen einen Blick Richtung Norwegen.

    Vor allem bei öffentlichen Aufträgen sollten die Technologie-Anforderungen genau beachtet werden. Kunden, wie Bane NOR, Nye Veier, Statsbygg, Statens Vegvesen oder die Kommunen verstehen sich als Innovationstreiber und Technologiemultiplikatoren, stellen hohe Ansprüche bezüglich Nachhaltigkeit und digitaler Lösungen. Dies kann eine gute Einstiegschance sein, die sich bei Erfolg in der stark vernetzen norwegischen Bauwirtschaft schnell herumspricht.

    Wichtige Branchenunternehmen in Norwegen Umsatz in Milliarden Euro

    Unternehmen

    Sparte

    Umsatz 2023*)

    VeidekkeHoch- und Tiefbau

    3,78

    AF GruppenHoch- und Tiefbau, Immobilien, Energie

    2,67

    Skanska NorgeHoch- und Tiefbau, Immobilien

    1,60

    OBOSHoch- und Tiefbau, Immobilien

    0,61

    NRC GroupSchieneninfrastruktur

    0,59

    *) Umrechnung nach dem Jahresdurchschnittskurs der EZBQuelle: Recherchen von Germany Trade & Invest; Jahresberichte der Unternehmen 2023

    Von Judith Illerhaus | Stockholm

  • Rahmenbedingungen

    Norwegen ist weitestgehend an Normen der Europäischen Union gebunden. Zahlreiche Registrierungs- und Meldepflichten sorgen aber für einen nicht ganz unkomplizierten Markteinstieg.

    Durch die Mitgliedschaft Norwegens im Europäischen Wirtschaftsraum gelten zahlreiche Regelungen der Europäischen Union (EU). Darunter auch die zur Entsendung von Arbeitnehmern (96/71/EG) oder zur gegenseitigen Anerkennung von Berufsqualifikationen (2005/36/EG) sowie auch die Dienstleistungsrichtlinie (2006/123/EG). Auch sollen europäische und einheimische Firmen gleichbehandelt werden. Daraus resultieren allerdings auch gewisse Pflichten, die aus deutscher Sicht nicht unbedingt offensichtlich sind.

    Erst Formalitäten, dann erster Spatenstich

    So muss sich jedes Unternehmen, das in Norwegen tätig werden will, im zentralen Handelsregister eintragen. Die Pflicht deutscher Unternehmen zur Beauftragung eines norwegischen Fiskalvertreters wurde 2017 abgeschafft. Nicht abgeschafft wurden hingegen die Registrierungspflichten. Ab einem Umsatz von 50.000 Norwegischen Kronen (nkr; etwa 4.386 Euro; 1 Euro = 11,339 nkr; Stand: 5.4.23) binnen 12 Monaten muss zudem eine Registrierung beim Merverdiavgiftsmantallet erfolgen. Zusätzlich muss steuerlichen Meldepflichten nachgekommen werden.

    Für Bauarbeiter gilt zudem in den meisten Fällen der Branchentarifvertrag mit einem Mindestlohn, der jährlich angepasst wird. Sie sind ferner dazu verpflichtet, während der Arbeitszeit eine sogenannte HMS-kort bei sich zu führen. Für ihre Beantragung ist der Arbeitgeber verantwortlich, der zu dem Zweck zusätzlich über eine digitale Identität in Norwegen verfügen muss. Der Arbeitgeber ist außerdem verpflichtet, eine auftragsbezogene Meldepflicht (A-melding) mit Gehaltsangaben zu erfüllen. Schließlich ist im Fall einer Beauftragung durch öffentliche / gewerbliche Auftraggeber das Formular RF-1199 auszufüllen. Da diese Formalitäten teilweise ausschließlich auf Norwegisch erforderlich sind, empfiehlt sich das Einbeziehen eines externen Dienstleisters. Mehr Informationen dazu bietet die Deutsch-Norwegische Handelskammer. 

    Da Norwegen kein volles EU-Mitglied ist, können Einfuhrregelungen, Zölle und nichttarifäre Handelshemmnisse bei ausgewählten Produkten gelten. Vor der Bewerbung auf ein Projekt sollte geprüft werden, welche Bauvorhaben in Norwegen einer Baugenehmigung bedürfen, was in den §§ 20-1 und 20-2 des Planungs- und Baugesetzes (Plan- og bygningsloven) geregelt ist. Zur Durchführung nach § 20-1 Absatz 1 genehmigungsbedürftiger Vorhaben müssen Unternehmen garantieren, dass in allen Etappen des Bauvorhabens die Vorschriften des Planungs- und Baugesetzes eingehalten werden. Der Generalauftragnehmer haftet sowohl für die Nichteinhaltung der Vorschriften durch seine eigenen Mitarbeiter, als auch die der Unterauftragnehmer. Solche Unternehmen nennt man haftende Unternehmen (ansvarlige foretak). Um als haftendes Unternehmen zu gelten, wird eine Zulassung (godkjenning) benötigt (§ 22-1).

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Judith Illerhaus | Stockholm

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & InvestAußenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft
    AHK Norwegen

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Portal 21

    Informationsportal zu Dienstleistungen in Europa

    Wohnungs- und Bauministerium

    Ministerium zuständig unter anderem für Wohnungspolitik und Planungswesen

    Behörde für Bauqualität (Direktoratet for byggkvalitet, DiBK)

    Nationales Kompetenzzentrum und Anlaufstelle für Normen und Zertifizierung

    Byggenaeringens Landsforening

    Nationaler Bauverband

    Byggevareindustriens Forening

    Branchenverband für Baumaterialien

    Boligprodusentene

    Branchenverband für Wohnungsbau

    Norsk Eiendom

    Nationaler Branchenverband der Immobilienunternehmen

    Byggfakta

    Datenportal und Fachzeitschrift (auf Norwegisch)

    Byggindustrien

    Fachzeitschrift (auf Norwegisch)

    Building Supply 

    Fachzeitschrift (auf Norwegisch)

    Doffin

    Zentrale Veröffentlichungsstelle für Ausschreibungen

     

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