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Branchenstruktur
Schwache Auslandsmärkte und steigende Kosten trüben die Bilanzen der Autobauer in Polen. Doch es gibt einige positive Signale.
14.03.2025
Von Christopher Fuß | Warschau
Polens Fahrzeugindustrie steht unter Druck. Die Automobilhersteller produzierten im Jahr 2024 über ein Viertel weniger Pkw als im Vorjahr. Eine schnelle Besserung scheint nicht in Sicht. Im Gegenteil: Im Januar 2025 brach die Produktion um fast 80 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat ein, berichtet der Automobilverband PZPM.
Etwas besser lief es bei den Lkw-Herstellern. Hier gab es 2024 ein Produktionsplus von 7,6 Prozent. Seit dem 4. Quartal 2024 gehen die monatlichen Produktionszahlen jedoch auch in dieser Fahrzeugsparte zurück. Im Januar 2025 lag die Zahl der fertiggestellten Lkw um 35,8 Prozent unter dem Vorjahreswert.
Die Bus-Hersteller blicken hingegen optimistisch in die Zukunft. Sie haben 2024 das Vor-Corona-Niveau in der Produktion erreicht. Auch zum Jahresauftakt 2025 hält das Wachstum an. Die starke heimische Nachfrage in Polen hilft den Firmen.
Europäische Konjunkturschwäche belastet Polens Kfz-Industrie
Insgesamt kämpft die polnische Fahrzeugindustrie mit rückläufigen Umsätzen. Laut der Statistikbehörde GUS erwirtschaftete die Branche 2024 einen Umsatz von 51,6 Milliarden Euro, rund ein Prozent weniger als im Vorjahr. In der polnischen Landeswährung Złoty beträgt das Minus sogar 5,9 Prozent. Der Grund für die Abweichung ist, dass der Złoty 2024 deutlich an Wert hinzugewonnen hat. Für Autobauer in Polen ist der Złoty-Wert entscheidend.
Die Branche sieht sich mit mehreren Herausforderungen konfrontiert. An erster Stelle steht die schwache Nachfrage auf wichtigen europäischen Absatzmärkten. Polens Fahrzeugindustrie hängt am Export. Mehr als drei Viertel aller Waren gehen ins Ausland. Angesichts der schwachen Verkaufszahlen von Elektroautos in Westeuropa können beispielsweise die Batteriehersteller in Polen ihre Werke nicht auslasten.
Hinzu kommen gestiegene Löhne und die im internationalen Vergleich hohen Energiekosten. Hersteller reagieren mit Kürzungen oder Schließungen. Der US-Zulieferer Lear Corporation verlagert ein Werk für Sitzheizungen von Polen nach Tunesien. Der italienische Teilebauer Magneti Marelli entließ bis Ende 2024 rund ein Drittel aller Beschäftigten eines Werks in Bielsko-Biała. Grund: Der Hauptkunde und Autobauer Stellantis produziert am Standort weniger Verbrennerfahrzeuge. Auch unter den deutschen Zulieferern gibt es Kürzungen. Das Unternehmen Dräxlmaier entließ bis Februar 2025 über 200 Beschäftigte, weil ein Kunde ein Projekt beendet hatte.
Unternehmen stellen Produktion um
Trotzdem bricht die Zahl der Beschäftigten in der Fahrzeugproduktion nicht ein. Im Januar 2025 gab es bei den Automobilherstellern und Zulieferern gerade einmal rund ein Prozent weniger Angestellte als im Vorjahr. Der stabile Arbeitsmarkt hängt auch damit zusammen, dass die Firmen kreativ werden.
Polens größter Batterieproduzent, der koreanische Technologieriese LG, will ab 2025 die Produktion auf Energiespeicher umstellen. Bislang rollen in dem Werk bei Wrocław nur Batterien für Elektro-Pkw vom Band. Die Energiespeicher könnten im Strommarkt beim Netzausbau zum Einsatz kommen. Damit reagiert LG nach eigener Auskunft auf den schwächelnden Absatz von Elektroautos.
Der strauchelnde Batterieproduzent Northvolt wiederum konnte ein Werk in Gdańsk an den Lkw-Produzenten Scania verkaufen. Das berichten schwedische Medien. Ein zweites Werk in der gleichen Stadt wird jedoch voraussichtlich geschlossen.
Fahrzeughersteller reagieren auf den angespannten Markt mit neuen Kooperationen. Stellantis und der chinesische Autobauer Leapmotor haben ein Joint Venture gegründet. Am Stellantis-Standort Tychy in Südpolen laufen neben Fahrzeugen der Marken Jeep, Fiat und Alfa Romeo mittlerweile auch Elektro-Autos von Leapmotor mit der Modellbezeichnung T03 vom Band.
Da Polen im Oktober 2024 im Rat der Europäischen Union für zusätzliche Zölle auf Elektroautos aus China gestimmt hatte, befürchteten einige polnische Medien, Leapmotor könne sich aus dem Projekt zurückziehen. Wie Stellantis auf GTAI-Anfrage bestätigt, läuft die T03-Produktion am Standort Tychy aber ungestört weiter. Die Frage, ob bald weitere Modellreihen von Leapmotor hinzukommen könnten, lässt die Pressestelle offen.
Vorhaben | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
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Bau einer Fabrik für Elektro-Kastenwagen | 1.300 | Projektdurchführung | Mercedes-Benz Manufacturing Poland |
Bau einer Fabrik für Kathodenmaterial | 1.000 | Projektdurchführung | Ningbo Ronbay New Energy Technology |
Bau einer Fabrik für Kupferfolien | 600 | Projektdurchführung | SK Nexilis |
Bau einer Fabrik für Automotive-Kunststoffelemente | 72,9 | Projektdurchführung | Cefa Poland |
Bau einer Fabrik für Motorkerne | 43,6 | Projektdurchführung | Posco Mobility Solution Poland |
Elektromobilität sorgt für Investitionen
Andere Hersteller erweitern trotz der Flaute am Fahrzeugmarkt ihre Anlagen. Ein Beispiel ist Volkswagen mit der Produktion des Nutz- und Personenwagens Caddy. Seit Herbst 2024 entstehen am Standort Poznań Modelle mit einem Hybridantrieb – zusätzlich zu den Versionen mit einem reinen Benzin- oder Dieselmotor. Das Werk in Zentralpolen ist weltweit die einzige VW-Niederlassung, die Caddy-Fahrzeuge herstellt.
Auch Mercedes-Benz glaubt an den Standort Polen. Im Dezember 2024 begannen die Bauarbeiten für eine neue Fabrik im südwestpolnischen Jawor. Hier sollen ab 2027 Nutzfahrzeuge mit Elektroantrieb vom Band rollen. Das bereits 2022 angekündigte Werk kostet über 1 Milliarde Euro.
Während einige Zulieferer ihre Aktivitäten in Polen reduzieren, kommen neue Firmen hinzu. Das chinesische Unternehmen Ningbo Ronbay wird in der Stadt Konin voraussichtlich ab 2026 Vorprodukte für die Batterieindustrie produzieren. Laut der staatlichen polnischen Investitions- und Handelsagentur PAIH liegt der Investitionswert bei über 1 Milliarde Euro. Ningbo Ronbay übernimmt ein Bauvorhaben eines britischen Unternehmens. Deutsche Zulieferer wie das Unternehmen Kirchhoff erweitern ebenfalls ihre Produktion in Polen. Zur Wahrheit gehört aber auch: Gegenüber Rekordjahren wie 2021 und 2022 fließen weniger Automobil-Investitionen nach Polen.
Insgesamt bleiben Zulieferer die wichtigste Stütze von Polens Kfz-Industrie. Sie machen knapp 60 Prozent der Branchenumsätze aus. Damit unterscheidet sich Polen von anderen Ländern in Mittelosteuropa, wo die Fahrzeugbauer größere Umsätze erzielen als die Teilebauer. Zulieferer mit polnischem Eigentümer arbeiten in der Regel mit internationalen Direkt-Lieferanten von Automobilkonzernen zusammen. Direkte Kooperationen mit Automobilherstellern sind hingegen seltener.
2024 | Veränderung 2024/2023 | aus Deutschland | |
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SITC 778.3 Kfz-Elektrik | 1.411 | +10,3 | 334,7 |
SITC 784 Karosserien, Stoßstangen etc. | 11.273,6 | +1,1 | 4.997,3 |
SITC 773.13 Zündkabelsätze | 655,4 | +1,7 | 88,6 |
SITC 713.2 Motoren | 1.219,3 | -17,7 | 857,2 |
Summe | 14.559,3 |
| 6.277,8 |