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Markttrends
Die gute wirtschaftliche Lage Polens hilft dem Verkauf von Fahrzeugen. Doch nicht in allen Sparten läuft es rund. Gleichzeitig wehrt sich Polen gegen neue europäische Vorgaben.
14.03.2025
Von Christopher Fuß | Warschau
Automobilhersteller in Polen durften sich 2024 über ein kräftiges Absatzplus freuen. Die Erstanmeldungen von Pkw lagen um 16,1 Prozent über dem Vorjahresniveau. Das berichtet der polnische Verband der Automobilindustrie PZPM (Polski Związek Przemysłu Motoryzacyjnego). Besonders stark entwickelte sich die Nachfrage bei Privatverbrauchern, was unter anderem mit dem steigenden Wohlstand in Polen und einem stabilen Arbeitsmarkt zusammenhängt. Trotzdem bleiben gewerbliche Abnehmer die wichtigste Kundengruppe. Mehr als zwei Drittel aller neuen Pkw gehen an Unternehmen. Fahrzeugbauer profitieren davon, dass die Arbeitgeber in Polen immer häufiger auf Dienstwagen setzen.
des polnischen BIP hängen an der Automobilindustrie.
Die Verkaufszahlen von Autos liegen damit erstmals wieder auf dem Vor-Corona-Niveau. Ob das Wachstum weitergeht, bleibt offen. Das polnische Marktforschungsinstitut Samar zeigt sich optimistisch und prognostiziert für 2025 ein Absatzplus von 4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Erstanmeldungen zwischen Januar und Februar 2025 sprechen jedoch eine andere Sprache. Sie lagen in Polen nur um 0,3 Prozent über dem Vorjahresniveau.
Ein Grund für die Stagnation könnten die zum Jahresbeginn gestiegenen europäischen Emissionsziele sein. Sie machen einige Fahrzeuge teurer. Die Hersteller schauen nun auf die Europäische Kommission. Sie versprach im Februar 2025 eine Reform. Damit würden die Unternehmen mehr Zeit erhalten, um die Ziele zu erreichen. Leasing-Unternehmen hoffen außerdem, dass die polnische Zentralbank NBP (Narodowy Bank Polski) den Leitzins senkt. Damit würde der Preis für Auto-Leasingverträge fallen.
Starkes Wachstum auch bei Anbietern aus Fernost
Wie schon in früheren Jahren wächst das Premium-Segment schneller als der Rest des Fahrzeugmarktes. Eine deutsche Automarke darf sich darüber besonders freuen. Mercedes-Benz meldet für 2024 ein Verkaufsplus von knapp 35 Prozent. Der Platzhirsch am polnischen Kfz-Markt bleibt aber Toyota. Fast jedes fünfte neu registrierte Auto stammt von dem japanischen Hersteller. Die Marken Volkswagen und Audi wiederum starten mit sehr guten Zahlen in das Jahr 2025. Sie melden zweistellige Zuwachsraten zwischen Januar und Februar 2025.
Chinesische Hersteller befinden sich ebenfalls im Aufwind. Die Marke MG konnte ihren Verkauf zum Jahresauftakt mehr als vervierfachen. Sie schafft es im Februar 2025 erstmals unter die Top 20 der beliebtesten Automarken Polens. Ähnlich wie der chinesisch-schwedische Hersteller Volvo gewinnt MG neue Kunden vor allem mit Verbrenner-Fahrzeugen und Hybrid-Modellen.
Von einer Dominanz des Pkw-Marktes sind die chinesischen Firmen aber noch weit entfernt. Alle Automarken mit Eigentümer im Reich der Mitte haben zusammengerechnet einen Anteil von rund 5 Prozent am polnischen Fahrzeugmarkt.
Gemischtes Bild abseits des Pkw-Marktes
Die Lkw-Sparte rutscht derweil immer tiefer in die Krise. Nachdem die Verkaufszahlen 2024 um knapp ein Fünftel zurückgegangen waren, melden Hersteller für die ersten beiden Monate 2025 ein weiteres Minus von 15,9 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Angesichts wachsender internationaler Konkurrenz und schrumpfender Aufträge halten sich Speditionsunternehmen mit dem Kauf neuer Fahrzeuge zurück.
Kleiner Trost: Der Absatz von Lieferwagen unter 3,5 Tonnen entwickelt sich weiterhin positiv. Kurier- und Lieferdienste kaufen neue Fahrzeuge als Reaktion auf das dynamische Wachstum von Online-Bestellungen.
Auch die Bus-Hersteller verzeichnen einen steigenden Absatz. Kein Unternehmen verkaufte 2024 in Polen mehr Busse als die deutschen Marken Mercedes und MAN. Das spanisch-polnische Unternehmen Solaris landete auf Platz 3. Europäische Zuschüsse für städtische Verkehrsbetriebe gelten als einer der wichtigsten Wachstumsmotoren der Branche.
Hersteller | Stückzahl | Veränderung 2024/2023 | Marktanteil 2024 |
---|---|---|---|
Toyota | 103,8 | +13,9 | 18,8 |
Skoda | 60,1 | +16,8 | 10,9 |
Volkswagen | 38,4 | +13,2 | 7,0 |
Kia | 33,3 | - 7,6 | 6,0 |
Hyundai | 31,0 | +15,1 | 5,6 |
Audi | 29,2 | +12,1 | 5,3 |
Mercedes-Benz | 28,8 | +34,9 | 5,2 |
Holpriger Start für Umweltzonen
Insbesondere in den Städten bleibt die Feinstaubbelastung ein Problem. Zu den Verursachern gehören Pkw, die in Polen ein Durchschnittsalter zwischen 14 und 15 Jahren aufweisen. Laut dem europäischen Automobilverband ACEA (Association des Constructeurs Européens d'Automobiles) sind nur die Fahrzeugflotten im Baltikum und in Griechenland älter.
Weil alte Pkw viel Feinstaub ausstoßen, führte Warschau im Juli 2024 eine Umweltzone ein. Dieselfahrzeuge ohne mindestens Euro Norm 4 und Benziner ohne mindestens Euro Norm 2 dürfen nicht mehr in die Innenstadt fahren. Die technischen Anforderungen steigen in den nächsten Jahren. Statistiken des Warschauer Ordnungsamtes belegen aber, dass Verstöße bislang nur selten geahndet werden.
Auch Krakau wollte 2024 eine Umweltzone einführen. Doch ein Gericht kippte die Entscheidung, weil die Grenzen der Umweltzone ungenau definiert waren. Die Stadtverwaltung wagte daraufhin einen weiteren Anlauf und verschob den Starttermin für Krakaus Umweltzone auf Juli 2025. Ähnlich wie in Warschau gibt es eine Reihe von Ausnahmeregelungen, beispielsweise für Anwohner.
Es handelt sich voraussichtlich nicht um die letzte Umweltzone. Der Grund dafür ist ein neues Gesetz. Es verpflichtet Gemeinden mit über 100.000 Einwohnern dazu, ab dem Jahr 2026 Umweltzonen einzuführen, wenn der Grenzwert für die Belastung mit Stickstoff überschritten wurde. Die neuen Zonen könnten die Nachfrage nach moderneren Pkw ankurbeln.
Prämie ersetzt Steuer
Ein weiteres Vorhaben scheint hingegen vom Tisch zu sein. Polen sollte nach dem Willen der Europäischen Kommission eine zusätzliche Steuer auf neue Pkw mit Verbrennungsmotor einführen. Im Gegenzug hätte das Land Zugang zu weiteren EU-Geldern erhalten. Diese Maßnahme zielte darauf ab, emissionsfreie Antriebe zu fördern, da beispielsweise Elektrofahrzeuge von den Zahlungen ausgenommen wären.
Das zuständige polnische Ministerium konnte in Brüssel aushandeln, dass anstelle der Steuer eine neue Kaufprämie für Elektrofahrzeuge eingeführt wird. Gleichzeitig macht sich Polen auf europäischer Ebene dafür stark, das Verkaufsverbot für Neufahrzeuge mit Verbrennungsmotoren ab 2035 zu kippen.