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Special | Polen | Wasser - die knappe Ressource

Polen: Wasserwirtschaft nach Regierungswechsel im Umbruch

Polen hat sein Wassernetz deutlich ausgebaut, hinkt aber beim Umsetzen von EU-Vorgaben hinterher. Das Kanalisationsnetz ist nicht die einzige Baustelle in Polens Wasserwirtschaft.

Von Christopher Fuß | Warschau

In Polen fehlt Wasser. Die jährlich nutzbaren Süßwasservorräte liegen pro Kopf bei 1.600 Kubikmetern. Das ist weniger als in den deutlich heißeren Ländern Spanien oder Portugal. Das Abwasser der Gemeinden und der Industrie belastet die knappen Süßwasservorräte Polens zusätzlich.

Im Süden des Landes verbrauchen Bergbau, Stahlindustrie und weitere Branchen viel Wasser. Die Gemeinden wiederum tun sich schwer, den ländlichen Raum an das Kanalisationsnetz anzuschließen. Eine Folge davon ist, dass knapp die Hälfte aller Kommunen gegen die europäische Abwasserrichtlinie verstößt.

Wozu diese Rahmenbedingungen führen können, zeigte das Jahr 2022: Niedrigwasser, hoher Schadstoffeintrag und ein heißer Sommer verursachten ein massives Fischsterben im deutsch-polnischen Grenzfluss Oder.

Wasserversorger benötigen Mittel für Modernisierungsprojekte

Polen will die Probleme in der Wasserwirtschaft mit einer Reihe von Investitionen in den Griff bekommen. Auf kommunaler Ebene ist das nationale Abwasserprogramm KPOŚK (Krajowy program oczyszczania ścieków komunalnych) entscheidend. In dem Dokument listen die Gemeinden alle Bauvorhaben auf, die nötig sind, um europäische Vorgaben zu erfüllen. Laut aktuellem KPOŚK planen die Gemeinden, bis 2027 für rund 6,2 Milliarden Euro Kläranlagen zu bauen und Kanalisationsleitungen zu verlegen. Die zentralstaatliche Wasserbehörde Polnische Wasser (Wody Polskie) überwacht die Umsetzung. 

Doch viele Wasserversorger kommen mit ihren Projekten nur langsam voran, moniert die Wasserbehörde Polnische Wasser in ihren Jahresberichten. Die Betriebe hingegen geben der zentralstaatlichen Behörde die Schuld. Sie muss zustimmen, wenn Versorger die Gebühren für Haushalte anheben wollen. Polnische Wasser lehnt viele Anträge ab. Die Folge: Ende 2022 befanden sich laut Wasserwirtschaftsverband IGWP (Izba Gospodarcza Wodociągi Polskie) rund 81 Prozent aller Wasserversorger in der Verlustzone. Darum fehlen für Investitionen oft die Mittel.

Seit dem Regierungswechsel im Dezember 2023 entspannt sich die Lage. Die neue Vorsitzende von Polnische Wasser, Joanna Kopczyńska, zeigte sich bei einem Treffen mit IGWP kompromissbereit bei Gebührenerhöhungen. Auch der Verband bewertet die ersten Gespräche positiv.

Abwassernetze werden mit europäischen Geldern gebaut

Neben Einnahmen aus höheren Gebühren hoffen die Wasserversorger auf Fördergelder der EU. Im Oktober 2023 endete eine Ausschreibung für Gemeinden und Wasserversorger im Umfang von insgesamt 180 Millionen Euro. Das Geld finanziert Kläranlagen, Abwassernetze und intelligente Messtechnik. Der zuständige staatliche Umweltfonds NFOŚiGW (Narodowy Fundusz Ochrony Środowiska i Gospodarki Wodnej) will die Gewinner der Ausschreibung im 2. Quartal 2024 bekanntgeben. Die Mittel stammen aus dem Programm FEnIKS (Fundusze Europejskie na Infrastrukturę Klimat Środowisko), das Teil der europäischen Kohäsionspolitik ist.

Bereits in der Vergangenheit halfen EU-Gelder den Gemeinden. Beispielsweise schlossen die Versorgungsbetriebe im Umkreis der zentralpolnischen Stadt Kielce bis Anfang 2024 ein Investitionsprojekt im Wert von rund 20 Millionen Euro ab. Etwa die Hälfte der Gelder stammte aus EU-Töpfen. Mit 32 Millionen Euro etwas mehr europäische Zuschüsse erhielt die Gemeinde Jarocin in Westpolen für ihr rund 66 Millionen Euro teures Abwasserprogramm.

Wenn Investitionen in der kommunalen Wasserversorgung stattfinden, dann können sich auch deutsche Zulieferer erfolgreich positionieren. Ein Beispiel: Aquanet, der Wasserversorger der Großstadt Poznań, rüstete die Kläranlage Koziegłowy mit Lösungen der Firma KROHNE Messtechnik aus, um den Durchfluss von gereinigtem Abwasser zu ermitteln.

Neueinsteiger im Markt sollten bedenken, dass die kommunale Wasserversorgung in Polen sehr kleinteilig ist. Jede Gemeinde verfolgt eigene Investitionspläne. Allein die Projektliste aus dem KPOŚK umfasst knapp 5.000 Seiten. Um den Überblick zu behalten, gründen viele deutsche Unternehmen eine Vertriebsniederlassung in Polen oder haben einen Vertriebspartner.

"Vieles hängt von der weiteren finanziellen Situation der Gemeinden ab"

KROHNE Messtechnik hat seit 2002 eine Repräsentanz in Polen. Die Lösungen des Unternehmens werden unter anderem in der Kläranlage von Aquanet, dem Wasserversorgungsunternehmen für den Ballungsraum Poznań, eingesetzt. Bogdan Szutowski, Business Development Manager bei KROHNE Polska, erläutert das Projekt und die Besonderheiten des Marktes.

Wie funktioniert Ihre Messtechnik in der Kläranlage von Aquanet?

Unser magnetisch-induktiver Durchflussmesser Tidalflux misst den Durchfluss des gereinigten Abwassers am Ausgang der Kläranlage. Einer seiner größten Vorteile ist, dass er auch in teilweise gefüllten Rohrleitungen funktioniert.

Herkömmliche elektromagnetische Durchflussmesser arbeiten nur dann zuverlässig, wenn die Rohrleitung vollständig mit dem zu messenden Medium gefüllt ist. In solchen Fällen erfolgt der Einbau des Messgeräts in einem als Siphon geformten Abschnitt der Rohrleitung. Dadurch stellt man sicher, dass die Rohrleitung an der Messstelle vollständig gefüllt ist. Allerdings verstopfen Siphons sehr häufig und müssen regelmäßig gereinigt werden. Mit unserer Lösung spart der Kunde Wartungsarbeiten.

Was sind die Merkmale des polnischen Wasser- und Abwassermanagementsystems?

In Polen gibt es aus wirtschaftlicher und ökologischer Perspektive keine landesweit integrierte Abwasserreinigung, sondern viele lokale Lösungen. Investitionen finden statt, wenn eine Stadt oder Gemeinde die notwendigen Mittel aufbringen kann.

Unter diesen Umständen greifen Gemeinden mit begrenzten Mitteln auf Lösungen zurück, die zwar günstig in der Anschaffung sind, sich aber in der Wartung als kostspielig oder umständlich erweisen. Das ist eine Herausforderung für uns, denn unsere Messgeräte rechnen sich durch langfristige Betriebskosteneinsparungen.

Wie schätzen Sie die zukünftigen Geschäftsaussichten in Polen ein?

Es gibt nach wie vor ein großes Potenzial. Der Markt wird sich weiter entwickeln. Die Frage ist nur, in welchem Tempo.

Vieles hängt von der weiteren finanziellen Situation der Gemeinden ab. Eines der größten Probleme ist, dass die Gemeinden ihre Wassertarife nicht ohne Zustimmung der Zentralbehörde anheben dürfen. Wenn Preiserhöhungen abgelehnt werden, die für Investitionen nötig sind, dann kürzen die Wasserversorger ihre Ausgaben.

Positiv ist, dass wir mittlerweile ein ausgeprägtes Bewusstsein für mehr Umweltschutz beobachten, also auch für Investitionen in die Abwasserbehandlung. Allerdings geht es am Ende immer um die Frage, ob man bereit ist, die nötigen Mittel aufzubringen.

Wasserstraßen sorgen für Kontroversen

Eine Region rückt in Polens Abwasserwirtschaft besonders in den Fokus. Die Rede ist vom deutsch-polnischen Grenzfluss Oder. Nach dem Fischsterben 2022 brachte die Vorgängerregierung Polens ein Gesetz zur Revitalisierung des Flusses auf den Weg. Es verspricht Kläranlagen, Abwassernetze, eine neue Aufsichtsbehörde und strengere Umweltauflagen. Naturschutzverbände kritisieren, es ginge eher darum, Bauvorhaben zu beschleunigen, die das Ökosystem weiter belasten werden.

Damit beziehen sich die Verbände auf geplante Staustufen bei Ścinawa und Lubiąż, die ebenfalls im Gesetz Erwähnung finden. Dank der Infrastrukturinvestitionen sollen mehr Schiffe auf der Oder fahren. Die Staustufen sind auch im Nationalen Schifffahrtsprogramm enthalten, das die alte Regierung im Oktober 2023 verabschiedete. Neben der Oder spielt in dem Dokument Polens längster Fluss, die Weichsel, eine wichtige Rolle. Eine Staustufe soll bei Siarzewo entstehen.

Wie es unter Polens neuer Regierung weitergeht, bleibt unklar. Der Koalitionspartner Polska2050 kritisiert die für 1,7 Milliarden Euro geplante Staustufe Siarzewo. Der Ausbau der Oder stößt auf weniger Widerspruch, doch auch hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Nach dem Regierungswechsel kündigte das Klimaministerium einen neuen Nationalpark entlang des Flusses an. Der Zielkonflikt zwischen Umweltschutz und Infrastrukturausbau besteht damit weiter.

Lösungen aus Deutschland in der Industrie gefragt

Den größten Wasserbedarf entlang der Oder und in anderen Landesteilen hat die Industrie. Das liegt vor allem an den Kraftwerken. Sie benötigen Kühlwasser aus den Flüssen. Die Energieerzeuger werden in den kommenden Jahren voraussichtlich weniger Wasser nutzen. Der Grund: Kohlekraftwerke scheiden nach und nach aus dem Energiemix aus.

Unterschiedliche Branchen versuchen, die Ressource Wasser effektiver zu nutzen. Der Mineralölkonzern Orlen baut zusammen mit dem Wasserversorger der Weichsel-Stadt Płock eine Leitung, um grob aufbereitete Abwässer für technische Prozesse in der nahegelegenen Raffinerie nutzen zu können. Der Vorteil: Das Unternehmen müsste weniger Wasser aus der Weichsel entnehmen.

Es gibt weitere Investitionen, an denen auch deutsche Lieferanten mitwirken. Das Unternehmen H2O aus Baden-Württemberg hat eine Vakuumdestillationsanlage bei einem Wärmepumpenhersteller in Polen installiert. Die Anlage scheidet Verunreinigungen aus dem Industrieabwasser ab. Das saubere Wasser fließt zurück in die Produktion. Der Vertriebsleiter von H2O für Polen, Marcin Dymek, erklärt: "Nur 2 bis 5 Prozent an aufkonzentrierten Abfällen bleiben dann zur Entsorgung übrig, was die Kosten erheblich senkt."

Lösungen wie die von H2O könnten in Zukunft noch stärker gefragt sein. "Zurzeit arbeiten viele Anlagen mit veralteten Technologien und müssen modernisiert werden. Außerdem steigen die gesetzlichen Anforderungen, und die Unternehmen werden umweltbewusster. Ausländische Investoren bauen neue Fabriken und suchen nach Lösungen für die Wasserrückgewinnung", erklärt Dymek.

Gelder aus dem europäischen Wiederaufbaufonds könnten eine wichtige Rolle bei der Finanzierung spielen. Bis Mitte 2024 starten zwei Ausschreibungen. Sie unterstützen Unternehmen mit insgesamt 160 Millionen Euro bei Investitionen im Bereich Kreislaufwirtschaft. Es werden nicht die letzten Ausschreibungen sein. Marcin Dymek von H2O ist sich sicher:

 "Wenn das Geld aus Brüssel erst einmal da ist, wird der Markt in Polen weiter an Fahrt gewinnen."

Adressen
AHK PolenVertretung der deutschen Wirtschaft in Polen
InfrastrukturministeriumZuständig für Verwaltung der Gewässer
KlimaministeriumAufsicht über den Umweltfonds NFOŚiGW
Wody PolskieZentrale Wasserbehörde unter Aufsicht des Infrastrukturministeriums
NFOŚiGWWichtigster staatlicher Geldgeber bei Umweltprojekten
PARPStaatliche Industrieagentur mit Förderprogrammen
NCBRStaatliche Förderstelle für Forschungsprojekte
e-ZamówieniaAusschreibungsplattform der öffentlichen Hand
Fundusze EuropejskieÜbersicht über geplante und laufende EU-Förderprograme in Polen
Wod-KanPolens größte Messe für Wasser- und Abwassertechnik

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