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Fachkräfte
Südkorea verfügt über gut ausgebildete Arbeitskräfte. Vor allem ältere Arbeitnehmer sind lange Arbeitszeiten gewohnt. In einzelnen Segmenten bestehen personelle Engpässe.
14.11.2024
Von Katharina Viklenko | Seoul
Im Jahr 2023 zählte Südkorea rund 29 Millionen Beschäftigte. Das waren nahezu 280.000 Personen mehr als im Vorjahr. Die offizielle Arbeitslosenrate fiel auf 2,7 Prozent. Am höchsten ist die Arbeitslosigkeit in der Gruppe der 20- bis 29-Jährigen. Behörden weisen für sie eine Rate von 5,9 Prozent aus. Nicht regulär Beschäftigte und nicht gemeldete Arbeitslose eingeschlossen ist die tatsächliche Unterbeschäftigung in allen Altersgruppen deutlich höher.
Angesichts hoher Lohnkosten setzt Südkorea stark auf Automatisierung. Firmen weichen zudem auf kostengünstigere Produktionsstandorte im Ausland aus und bauen dort ihre Produktion aus.
Arbeitskräfte mit hohem Bildungsniveau
Südkorea verfügt innerhalb der Mitgliedsländer der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) über die höchste Absolventenquote: Fast sieben von zehn der 25- bis 34-Jährigen verfügen über einen Hochschulabschluss. Arbeitskräfte sind im Durchschnitt gut ausgebildet. Vor allem Absolventen führender Hochschulen wie Korea Advanced Institute of Science and Technology, Seoul National University, Korea University, Yonsei University oder Postech haben eine solide theoretische Ausbildung. Praktische Fähigkeiten werden gewöhnlich im Betrieb vermittelt.
Regulär Beschäftigte und Männer im Vorteil
Der südkoreanische Arbeitsmarkt weist strukturelle Ungleichgewichte auf: So genießen regulär Beschäftigte einen hohen Kündigungsschutz und werden besser entlohnt als nicht regulär Beschäftigte. Darunter fallen etwa Teilzeit-, befristet Beschäftigte, Leiharbeiter oder Beschäftigte bei Subunternehmen. Vor allem Angestellte von Großunternehmen und im öffentlichen Dienst sind zu einem hohen Anteil fest angestellt. Sie profitieren so von stabilen, langfristigen Beschäftigungsverhältnissen. Der Großteil der Beschäftigten in kleinen und mittelständischen Unternehmen ist hingegen anfälliger für konjunkturelle Schwankungen.
Frauen in Führungspositionen sind in Südkorea viel seltener vertreten als Männer und erhalten im Durchschnitt eine wesentlich geringere Bezahlung. Ihre Beschäftigungsquote lag 2023 mit 54,1 Prozent deutlich unter der von Männern mit 71,3 Prozent. Nach wie vor ziehen sich weibliche Angestellte nach der Geburt eines Kindes häufig aus dem Arbeitsleben zurück.
Starke Gewerkschaften
Gewerkschaften sind in Südkorea meist Betriebsgewerkschaften. Sie sind relativ stark und so kommt es im Rahmen zäher Lohnverhandlungen immer wieder zu Streiks. Im Jahr 2023 stieg die Zahl der Streiks und Aussperrungen von 132 im Vorjahr deutlich auf 223. Insgesamt fielen 2023 durch Streiks rund 355.000 Arbeitstage aus. Von 2016 bis 2021 stieg die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder auf den Höchstwert von 2,9 Millionen. Damit erreichte der Organisationsgrad den Spitzenwert von 14,2 Prozent. Im Jahr 2022 sank der Anteil auf 13,1 Prozent und lag damit minimal unter dem Anteil in Deutschland.
Kürzere Arbeitszeiten
Die Regierung reduzierte die maximal erlaubte Wochenarbeitszeit 2018 von 68 auf 52 Stunden. Dabei sind 40 Stunden reguläre Arbeitszeit und maximal 12 Überstunden erlaubt. Die Berechnung der Überstunden erfolgt nach einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofs auf wöchentlicher Basis. Seit Juli 2021 gilt die Regelung für Unternehmen ab fünf Mitarbeitern. Für bestimmte Branchen gelten Ausnahmen von den Arbeitszeitregelungen.
Der seit Mai 2022 amtierende Präsident Yoon will für mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten sorgen. Ein Regierungsvorschlag, die Arbeitswoche auf 69 Stunden hochzuschrauben, stieß jedoch auf große Ablehnung bei Gewerkschaften und in der Bevölkerung. Gerade bei den jüngeren Generationen gewinnt die Work-Life-Balance an Bedeutung. Einer Umfrage von Anfang 2024 zufolge wünschen sich vier von zehn Befragten eine kürzere Arbeitswoche.
Alternde Bevölkerung als Herausforderung
Schon 2025 dürfte Südkorea in die Gruppe der "Super-aged Society" aufrücken: Dann sind mehr als 20 Prozent der Bevölkerung 65 Jahre oder älter. Zugleich verfügt das Land mit 0,72 Geburten pro Frau 2023 über eine der niedrigsten Fertilitätsraten der Welt. Immer weniger Kinder führen dazu, dass die Bevölkerung im Erwerbsalter in den nächsten 20 Jahren laut Prognosen um mehr als 9 Millionen Personen zurückgehen wird.
Die Zahl der Personen im Erwerbsalter ist bereits seit 2018 rückläufig. Zugleich werden die Arbeitnehmer des Landes immer älter. Im Vergleich zu Deutschland zeichnet sich Südkorea bereits durch eine hohe Arbeitsbeteiligung älterer Menschen aus. Eine Erhöhung des Rentenalters wird diskutiert. Arbeitskräfte sind schon jetzt knapp. Headhunter berichten, dass auf dem Arbeitsmarkt Personen mit bestimmten Qualifikationen bereits heute insbesondere jenseits des Großraums Seoul schwer zu bekommen sind.
Zuwanderung als Lösung?
Bei der Zuwanderung verfolgt die Regierung in Südkorea ein Modell, bei dem ausländische Arbeitskräfte meist befristet und nur sehr reguliert ins Land kommen können. Zugleich sieht die Politik angesichts des Rückgangs der einheimischen Erwerbsbevölkerung die Notwendigkeit von Immigration. Vor allem für kleinere Firmen des Landes ist es eine Herausforderung, ausreichend Arbeitskräfte für ungelernte Tätigkeiten zu finden, besonders im verarbeitenden Gewerbe sowie im Bau- und Agrarsektor.
Die Regierung hat die jährliche Obergrenze für gering qualifizierte ausländische Arbeitnehmer 2024 auf 165.000 Personen mehr als verdreifacht. Im Jahr 2021 waren es 56.000. Zudem wurde das Programm auf neue Sektoren wie Gastronomie, Hotel- und Gaststättengewerbe sowie Forstwirtschaft ausgeweitet. Der Schiffbau steht aufgrund von Arbeitskräftemangel schon länger im Fokus. Lange Zeit lag Südkoreas Augenmerk auf gering qualifizierten Arbeitskräften. Die Anwerbung von qualifiziertem Fachpersonal aus dem Ausland gewinnt an Bedeutung.
Südkorea im weltweiten VergleichFolgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können. |