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Branche kompakt | Vereinigtes Königreich | Chemische Industrie

Britischer Chemiesektor schöpft Zuversicht

Nach Jahren der Schrumpfung profitiert die Chemieindustrie nun von der Stabilisierung der Industrieproduktion. Dabei eröffnet die Dekarbonisierung neue Märkte.

Von Marc Lehnfeld | London

Ausblick der chemischen Industrie im Vereinigten Königreich

  • Der Optimismus in der britischen Chemieindustrie steigt, deutliche Anzeichen für einen Aufschwung fehlen jedoch noch.
  • Die anstehenden Unterhauswahlen machen eine unternehmensfreundlichere Lösung für die UK REACH-Einführung wahrscheinlich.
  • Die Ziele zur Dekarbonisierung der britischen Wirtschaft befeuern neue Marktchancen für chemische Produkte und Technologien, vor allem bei CCS und im Wasserstoffbereich.

Anmerkung: Einschätzung des Autors für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: März 2024

 

  • Markttrends

    Der britische Chemiemarkt ist im Umbruch. Die schwache Industrieproduktion und eine schrumpfende Bauwirtschaft haben das Absatzpotenzial geschmälert. Nun dreht sich aber das Klima.

    Im laufenden Jahr durchschreitet die britische Industrie ihre Talsohle und stabilisiert ihre Produktion. Laut dem Analysehaus Oxford Economics bleibt die Industrieproduktion 2024 mit einem Wachstum von 0,1 Prozent stabil, im Jahr 2025 soll sie um 0,8 Prozent zunehmen. Die Stimmung unter den Industriebetrieben hellt sich bereits etwas auf, allerdings auf niedrigem Niveau.

    So verzeichnet der Einkaufsmanagerindex S&P Global UK Manufacturing PMI zwar Anfang März 2024 ein Zehnmonatshoch. Im Vergleich zu den letzten 15 Jahren ist die Stimmung aber unterdurchschnittlich. Es dominieren weiterhin niedrige Auftragseingänge, Beschäftigungsniveaus, Einkaufs- und Produktionsvolumina. Hinzu kommen jüngst die Effekte der Krise am Roten Meer, die die Lieferzeiten und -kosten erhöhen. Die Produktion entwickelt sich weiterhin schleppend und bleibt seit Mitte 2022 weitgehend konstant. Nach den aktuellsten Daten des britischen Statistikamts für Januar 2024 liegt sie noch rund 8 Prozent unter ihrem Höchstwert vom November 2020.

    42 %

    der britischen Chemieunternehmen sind sowohl Ex- als auch Importeure - kein anderer britischer Industriesektor ist so internationalisiert.

     

    Chemieindustrie stabilisiert Produktion

    Die Chemieproduktion erholt sich nur langsam von ihrem inflationsbedingten Rückschlag. Während sich die Energiepreisdynamik wieder entspannt, verharren die Inputpreise der Chemieunternehmen aktuell noch 30 Prozent über dem Niveau von 2019. Das belastet die Wettbewerbsfähigkeit der britischen Chemieindustrie, vor allem im Exportgeschäft.

    Besonders stark betroffen ist die einst für die Branche so wichtige Petrochemie. Noch immer ist sie mit einem Produktionsvolumen von umgerechnet rund 123 Milliarden Euro das größte Branchensegment, schrumpfte aber 2023 um 13,4 Prozent. In diesem Jahr steigert die Chemieindustrie ihre Produktion laut Oxford Economics nur um 0,2 Prozent, wird 2025 aber mit 3,5 Prozent zum Zugpferd der Industrie.

    Der Strukturwandel der sechs Erdölraffinerien auf der britischen Insel ist hingegen noch nicht abgeschlossen. Sie produzierten Ende 2023 fast 64 Prozent weniger als noch zu Beginn des Jahres 2020, also vor der Coronakrise und dem Brexit. Mit der Ankündigung von Petroineos, die schottische Raffinerie bis möglicherweise 2025 in ein Importterminal für Erdölprodukte zu transformieren, schrumpft die Mineralölbranche weiter. 

    Beachtenswert sind hingegen Transformationsprojekte für nachhaltige Flugkraftstoffe (Sustainable Aviation Fuels, SAF). Die britische Regierung fordert einen SAF-Anteil von 10 Prozent ab 2030. Bis 2050 soll dieser sogar auf 75 Prozent steigen. Den Aufbau einer nationalen Produktion fördert die Regierung mit einem knapp 190 Millionen Euro schweren Advanced Fuel Fund, der bisher mehr als zehn Projekte unterstützt. Damit könnte auch der Rückgang bei der Raffineriekapazität der Branche abgemildert werden. Bis 2025 sollen mindestens fünf SAF-Produktionsstätten in Bau sein. 

    Markttreiber sind Wasserstoff- und CCS-Projekte

    Neue Marktchancen für die Chemieindustrie eröffnen die Dekarbonisierung der Industrie und die Transformation großer Industriecluster. Dabei locken vor allem vier Cluster, die bis 2030 Technologien zur CO₂-Abscheidung, Nutzung und Speicherung (CCUS) nutzen werden. Dazu gehören sowohl das East Coast Cluster sowie die Northern Endurance Partnership (NEP) um die nordostenglischen Flussmündungen Humber und Tees, das damit verbundene Projekt Viking CSS, das nordwestenglische Cluster HyNet sowie das schottische Acorn-Projekt. 

    Acht konkrete CCUS-Projekte haben bereits gute Aussichten auf eine staatliche Förderung. Dazu gehört auch das Kraftwerk Keadby 3 mit einem geplanten Investitionsvolumen von über 2,3 Milliarden Euro, dessen jährliche Emissionen von 1,5 Millionen Tonnen CO₂ komplett abgeschieden werden soll.

    Groß ist auch das Potenzial beim Aufbau der britischen und schottischen Wasserstoffwirtschaft. Zu ihrem Ziel von 10 Gigawatt Erzeugungskapazitäten von emissionsarmem Wasserstoff zählt die britische Regierung bereits Projekte mit einer Gesamtleistung von rund 20 Gigawatt bis 2037. In der ersten Förderrunde konnten elf Projekte mit einer geplanten Gesamtproduktionsleistung von 125 Megawatt staatliche Fördermittel erlangen. In der nun laufenden zweiten Runde soll der Aufbau von 875 Megawatt gefördert werden.

    Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie im Vereinigten Königreich Investitionssumme in Millionen Euro

    Akteur/Projekt

     

    Investitionssumme

    ProjektstandAnmerkungen
    Tata Group (indischer Mischkonzern), London

    4.687

    Geplanter Produktionsstart: 2026Bau einer neuen Batteriezellen-Gigafabrik in Gravity Smart Campus, Bridgwater, Somerset. Geplante Kapazität: 40 Gigawattstunden
    Centrica Plc; Rough in Nordostengland

    2.344

    In PlanungDas Unternehmen plant die Umwandlung ihrer stillgelegten Offshore Naturgas Lagereinrichtung zur Speicherung von Methan- und Wasserstoff
    Wasserstoffproduktions-Hubs; EET Hydrogen, vormals Vertex Hydrogen Ltd, Stanlow Refinery, Cheshire

    1.172

    HPP1 Produktionsstart: 2026Erste Phase (HPP1) kohlenstoffarme Wasserstoffproduktion (350 MW pro Jahr) mit CO₂-Abscheidung und -Speicherung (600.000 Tonnen pro Jahr); eine weitere Einrichtung zur Wasserstoffproduktion (HPP2), (bis zu 1.000 MW pro Jahr) soll zu einem späteren Zeitpunkt folgen
    Fulcrum NorthPoint; Kooperationspartner: Essar Oil (UK), Fulcrum Bioenergy und Stanlow Terminals  (Sub-Unternehmen von Essar), in Stanlow, Cheshire

    703

    Geplante Inbetriebnahme: 1. Quartal 2027Neue Anlage zur Herstellung von Flugzeugtreibstoff aus Abfall; Ertrag zirka 100 Mio. Liter pro Jahr
    Lithium Refinery; PD Ports, Teesside, Green Lithium Refining Limited

    703

    Geplante Fertigstellung: 2027Bau einer neuen Raffinerie; Anlage soll jährlich zirka 50.000 Tonnen kohlenstoffarme Lithiumchemikalien in Batteriequalität herstellen
    Essar Oil UK Limited; Stanlow, Cheshire

    422

    Geplante Inbetriebnahme: 2027Bau einer neuen CO2-Abscheidungsanlage; circa 1 Million Tonnen sollen pro Jahr abgeschieden werden; das abgefangene Gas wird in erschöpften Gasfeldern in Liverpool Bay permanent gespeichert
    Carbon Capture Project; Prax Lindsey Oil Refinery, Killingholme, North Lincolnshire

    352

    In PlanungCO2-Abscheidungsprojekt; ab 2028 sollen 1 Million Tonnen Kohlendioxid pro Jahr entfernt werden
    Redcar Energy Centre; Redcar Holdings Ltd. (Joint Venture: PMAC Energy Ltd./Low Carbon Investment Ltd.), Redcar Bulk Terminal in Teesside

    352

    Geplante Fertigstellung: Anfang 2027Bau einer neuen EfW-Anlage; Kapazität zirka 450.000 Tonnen Abfall pro Jahr; zusätzlich soll eine CO₂-Abscheidungsanlage gebaut werden
    Equinor; Wasserstoffanlage; Hydrogen to Humber Saltend (H2H Saltend), Saltend Chemicals Park in Hull

    k.A.

    Geplanter Produktionsstart: 2027Bau einer neuen Wasserstoffanlage; Kooperationspartner Linde Engineering und BOC Limited
    Acorn CCS and Hydrogen; Kooperationspartner: Storrega, Shell U.K. Ltd., Harbour Energy, North Sea Midstream Partners

    k.A.

    Durchführung des Projekts zurzeit unklarProjekt zur CO₂-Abscheidung und -Speicherung und Wasserstoffproduktion
    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2024

    Automobilindustrie im Aufwind

    Ein wichtiger weiterer Wachstumstreiber für die Chemieindustrie ist in den nächsten Jahren die Automobilindustrie, deren Produktion wieder zunimmt. Der Automobilverband SMMT erwartet für 2024 eine Produktionssteigerung von rund 3 Prozent, was in der Chemieindustrie sowohl die Hersteller von Lacken als auch Katalysatoren begünstigt. 

    Hinzu kommen gute Nachrichten für die Batteriechemie, die von der Investitionsankündigung von Tata für eine rund 5 Milliarden Euro teure Gigafactory getrieben wird. Auch der größte Pkw-Hersteller im Land, Nissan, baut mit seinem Partner Envision AESC bereits eine Anlage mit einer Leistung von 12 Gigawatt auf, die 2025 in Betrieb genommen werden soll. 

    Trotzdem reicht die Anzahl der Gigafactories noch nicht aus, um den Batteriebedarf im Land zu decken. Dafür sind Anlagen mit einem Batterieproduktionsvolumen von 100 Gigawattstunden bis 2030 nötig, sonst drohen Verlagerungen von Elektroautoproduktionen ins Ausland.

    Bauwirtschaft leidet

    Anders ist die Entwicklung in der für die Bauchemie und Farbenhersteller so wichtigen Bauwirtschaft. Die stark gestiegenen Bauzinsen drücken die Wertschöpfung im britischen Wohnungsbau 2024 um 4 Prozent. Bereits im letzten Jahr erlebte die Branche einen starken Einbruch um 19 Prozent. 

    Die Construction Products Association (CPA) erwartet, dass auch private Ausgaben für Immobiliensanierungen um 4 Prozent fallen und die gesamte Bauwertschöpfung in 2024 um 2,1 Prozent zurückgehen wird. Erst 2025 ist mit einer Erholung zu rechnen, so der CPA. Dann dürfte der Wohnungsbau wieder um 4 Prozent wachsen, was die Gesamtwertschöpfung der Branche um 2 Prozent treibt.

    Von Marc Lehnfeld | London

  • Branchenstruktur

    Die Chemieindustrie sieht ihre Forderungen nach einer wegweisenden Industriepolitik nicht erfüllt. Dafür gibt es Fortschritte bei UK REACH.

    Die Chemiewirtschaft im Vereinigten Königreich zählt laut dem Branchenverband Chemical Industries Association (CIA) mehr als 4.400 Unternehmen mit 151.000 Beschäftigten und indirekt rund 500.000 abhängigen Arbeitsplätzen. Etwa 7 Prozent des Umsatzes der britischen Industrie entfiel 2021 auf die Chemieindustrie, so die Daten des britischen Statistikamts. Den größten Umsatzanteil der Branche generierte mit über 44 Prozent die Herstellung von Basischemikalien, darunter vor allem Kunststoffe in Primärform. Die Herstellung von Seifen und Reinigungsmitteln erwirtschaftete den zweitgrößten Umsatzanteil des Chemiesektors.

    Die britische Chemieindustrie verfügt über mehrere Cluster im ganzen Land. Das schottische petrochemische Cluster Grangemouth westlich von Edinburgh ist über eine Ethylen-Pipeline mit den Chemieclustern Chemicals Northwest in Nordwestengland und dem North East of England Process Industry Cluster (einschließlich des Chemieparks Wilton International) in Teesside verbunden. Ein weiteres nennenswertes Cluster ist die Region Humber mit der Initiative Catch und dem Saltend Chemical Park an der Ostküste Englands.

    Auch deutsche Unternehmen sind im britischen Chemiesektor aktiv. Dazu gehören zum Beispiel BASF, Beiersdorf, Bayer CropScience, Evonik, Henkel, Lanxess oder der Chemiegroßhändler Brenntag. Der globale Industriegasmarktführer Linde plc mit Sitz in Irland ist über seine Tochtergesellschaft BOC im Königreich tätig.

    Wichtige Branchenunternehmen im Vereinigten KönigreichUmsatz in Millionen Euro, Veränderung in Prozent

    Unternehmen

    Umsatz 2022 1), 2)

    Veränderung 2022/20213)

    Sparte

    Ineos Group Holdings S.A.

    20.927

    11,2

    Petrochemie, Spezialchemie, Ölprodukte
    Johnson Matthey Plc 4)

    17.511

    6,8

    Spezialchemie
    AkzoNobel N.V. 

    10.846

    13,1

    Farben, Spezialchemie
    Synthomer Plc

    2.803

    11,5

    Spezialchemie
    Croda International Plc 5)

    2.450

    10,6

    Spezialchemie
    Boc Ltd  (Tochterunternehmen von Linde Plc)

    1.283

    17,2

    Industriegase
    BASF Plc

    1.196

    16,6

    Chemikalien, Kunststoffe
    Elementis Plc 

    699

    3,8

    Spezialchemie
    Ensus UK Ltd 5) (Tochterunternehmen von Südzucker AG)

    390

    32,0

    unter anderem Bioethanol-Kraftstoff
    Synthite Ltd

    88

    31,9

    Grundchemikalien
    1 Globaler Umsatz; 2 Bundesbank-Wechselkurs 2022: 1 Euro = 0,85276 Pfund Sterling (£); 3 Veränderung auf Basis der Landeswährung; 4 Geschäftsjahr endend 31. März 2023; 5 Geschäftsjahr endend 28 Februar 2023.Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Rede des Finanzministers überzeugt Chemieindustrie nicht

    Der Industrieverband CIA zeigt sich nach dem Spring Statement des Finanzministers Jeremy Hunt enttäuscht. Steve Elliot, Chief Executive Officer des Verbandes, begrüßt zwar die Erweiterung der Vollabschreibungen von Investitionen (full expensing) auf Leasinggüter, bezeichnet sie aber auch als "begrenzten und lange überfälligen Schritt". Der Branchenverband verweist auf den harten Wettbewerb im Vergleich zu anderen Standorten und vermisst eine Industriestrategie für das Land und die Chemiebranche im Speziellen. 

    Mit der Forderung nach einer Industriestrategie ist CIA nicht allein. Auch die Branchenverbände der Fertigungs- und Automobilindustrie fordern von der aktuellen Regierung schon lange eine verbindliche Industriepolitik. Ende November 2023 veröffentlichte das Department for Business and Trade (DBT) zwar einen Advanced Manufacturing Plan, dieser umfasst die Chemieindustrie aber nur teilweise.

    Dabei verweist DBT auf die Bedeutung der Chemieindustrie für die Gesamtwirtschaft und betont ihre zentrale Rolle bei der Dekarbonisierung, Zukunftsfeldern wie CCUS, Wasserstoff, Batterieforschung und der gesamten Lieferkette für Elektroautos. CIA kritisiert hingegen weiterhin, dass "eine klare Richtung der Industriepolitik und ein unterstützender Finanzrahmen immer noch fehlt" und fordert explizit eine "stabile und realistische Industriestrategie". Angesichts der wahrscheinlich im Herbst stattfindenden Unterhauswahlen sind die Erwartungen an bedeutende Impulse durch die aktuelle Regierung hingegen gering. 

    Produktionswert ausgewählter chemischer Branchen im Vereinigten KönigreichIn Millionen Euro, Veränderung und Marktanteil in Prozent

    Sparte / Herstellung von

    2022 1)

    Veränderung 2022/20212)

    Marktanteil 3)

    Industriegasen 

    1.125

    38,1

    5,4

    Farbstoffen und Pigmenten

    1.406

    -1,3

    6,8

    sonstigen anorganischen Grundstoffen und Chemikalien

    2.056

    24,4

    9,9

    sonstigen organischen Grundstoffen und Chemikalien

    2.974

    5,6

    14,3

    Düngemitteln und Stickstoffverbindungen

    2.427

    36

    11,7

    Kunststoffen in Primärform

    6.196

    12,7

    29,8

    Schädlingsbekämpfung- und Pflanzenschutzmitteln

    821

    -2

    3,9

    Anstrichmitteln und Druckfarben

    3.800

    -15,8

    18,3

    Insgesamt

    20.805

    7,6

    100

    1 durchschnittlicher Referenzkurs der Europäischen Zentralbank 2022: 1 Euro = 0,85276 Pfund Sterling (£); 2 auf Basis der Landeswährung; 3 Anteil am Gesamtumsatz der Sparte.Quelle: Office for National Statistics (ONS) 2023

    Übergangsregelungen für das UK-REACH-Regime werden verlängert

    In Bewegung ist auch noch der regulatorische Übergangsprozess vom EU-REACH- in das UK-REACH-Regime. Mit der erneuten Verlängerung der Registrierungsfristen für UK-REACH um drei Jahre auf 2026, 2028 und 2030 wurde Zeit geschaffen, um das neue System effizienter zu gestalten. Das britische System soll für Anmelder vor allem günstiger werden, um die finanzielle Doppelbelastung für Registrierungen in EU- und UK-REACH zu verringern. Denn trotz britischem EU-Austritt werden viele Chemieunternehmen auf der Insel weiterhin ihre Produkte auf dem wichtigen europäischen Absatzmarkt registrieren. Der Mehraufwand wird auf umgerechnet etwa 1,5 bis 4 Milliarden Euro geschätzt. 

    Deutsche Chemieunternehmen wie BASF weisen außerdem auf die daraus wachsende Barriere für den britischen Produktionsstandort hin. Schließlich müssen nicht nur chemische Endprodukte, sondern auch Zwischenerzeugnisse für die Weiterverarbeitung auf der Insel importiert und damit via UK REACH registriert werden. 

    Das zuständige Department for Environment Food and Rural Affairs (Defra) hat nach einer Konsultationsrunde mit der Industrie nun in einem aktuellen Policy Paper (UK REACH alternative transitional registration model) die Grundzüge für ein UK REACH System vorgestellt. Diesem fehlen aber noch zahlreiche Details. Daher soll noch Anfang 2024 eine weitere Konsultationsrunde angestoßen werden, um den neuen Regulierungsrahmen zu entwerfen. Auch in diesem Fall könnten die anstehenden Unterhauswahlen und ein nach aktueller Stimmungslage möglicher Regierungswechsel ein vereinfachtes Registrierungsverfahren begünstigen.

    Dekarbonisierung der Industrie lockt Chemieriesen

    Neue Investitionen zielen unter anderem auf die Dekarbonisierung der Industrie, bei der sich die britischen Chemieunternehmen verpflichtet haben, ihre CO₂-Emissionen bis 2034 um 50 Prozent zu reduzieren. Entlang des allgemeinen Dekarbonisierungspfads der Industrie wollen die Chemiehersteller ihre Emissionen bis 2050 um 90 Prozent gegenüber dem Basisjahr 2018 senken. 

    Die britische Regierung setzt auf die CO₂-Abscheidung und -Speicherung (CCS) und lockt damit auch die großen Chemieunternehmen in einen neuen Wachstumsmarkt (siehe auch Markttrends). Zu ihnen gehört unter anderem der weltweit größte Hersteller von Katalysatoren und Spezialchemieproduzent Johnson Matthey (JM), der seine Abscheidungstechnologie in die Wasserstoffproduktionsanlage von H2H Saltend einbauen wird. Im Februar 2024 wurde bekannt, dass JM-Konkurrent BASF wiederum seine OASE-Technologie für die Abscheidung der blauen Wasserstoffproduktion im H2Teesside-Projekt liefern wird.

    Von Marc Lehnfeld | London

  • Rahmenbedingungen

    Deutsche Chemieunternehmen müssen die veränderten Zugangsbedingungen auf dem britischen Markt kennen.

    Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union ist auch die Zugehörigkeit zur Zollunion und dem Binnenmarkt weggefallen. Seitdem sind daher Zollförmlichkeiten im Warenverkehr zwischen der EU und Großbritannien zu beachten. Für Nordirland gelten Sonderregelungen: Der Warenverkehr mit Nordirland gilt weiterhin als innergemeinschaftliche Lieferung. 

    Der britische Zolltarif UK Global Tariff enthält die Zölle, die bei der Einfuhr nach Großbritannien erhoben werden. Zahlreiche Produkte der chemischen Industrie dürfen zollfrei eingeführt werden. Für Waren, die nicht zollfrei importiert werden können, besteht die Möglichkeit, die Vorteile des Handels- und Kooperationsabkommens (TCA) zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich zu nutzen. Das TCA gewährt Zollfreiheit für alle Waren mit EU-Ursprung. 

    Zollformalitäten im Warenverkehr kann das Abkommen jedoch ebenso wenig verhindern wie nichttarifäre Handelshemmnisse. So gilt in Großbritannien seit 1. Januar 2021 ein eigenes UK REACH Regime.

    Die Regulierungsbehörde Health and Safety Executive (HSE) informiert ausführlich über das neue UK REACH. Zudem stellt die Behörde Informationen zu Arbeitsschutzanforderungen in der Chemieindustrie zur Verfügung und kontrolliert deren Einhaltung. Weitere Regulierungen werden auf der Website des HSE gebündelt. Für Umweltgenehmigungen ist die Environment Agency beziehungsweise in Schottland die Scottish Environment Protection Agency (SEPA) zuständig.

    Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Marc Lehnfeld | London

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    Deutsch-Britische Industrie- und Handelskammer

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Department for Business & Trade

    Ministerium für Gewerbe und Handel 

    Chemical Industries Association (CIA)

    Fachverband für die chemische Industrie
    Chemical Business Association (CBA)Branchenverband der mittelständischen Chemieunternehmen
    British Adhesives & Sealants AssociationFachverband für die Kleb- und Dichtstoffindustrie

    Fuel Industry UK

    Fachverband für die Mineralölwirtschaft

    British Plastics Federation

    Fachverband für die Kunststoff- und Gummiindustrie

    Cosmetic, Toiletry and Perfumery Association

    Fachverband für Kosmetik, Körperpflegemittel und Duftstoffe
    Speciality ChemicalsFachzeitschrift
    Chemical Industry JournalFachzeitschrift
    CHEMUK 2024Chemiefachmesse; 15.05.24-16.05.24 in Birmingham
    InterplasKunststofffachmesse; 02.06.26- 04.06.26 in Birmingham 
    SPE Offshore Europe Conference & ExhibitionFachmesse für die Öl- und Gasindustrie; 02.09.25-05.09.25 in Aberdeen
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