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Wirtschaftsausblick | Äthiopien

Äthiopiens Devisenmangel hält an

Äthiopiens Wirtschaft leidet unter zahlreichen Problemen. Dennoch ist das Wachstum beträchtlich. Woran liegt das?

Von Carsten Ehlers | Nairobi

Top-Thema: Wie kann Äthiopien sein Devisenproblem lösen?

Seit Jahren beeinträchtigt Devisenknappheit die Unternehmen in Äthiopien. Die Regierung unter Premierminister Abiy Ahmed versucht viel, um das zu ändern – Potenzial ist vorhanden, aber der Teufel steckt im Detail. Womit können zusätzliche Devisen eingenommen werden?

Beispielsweise durch Stromexport, nachdem der Grand Ethiopian Renaissance Dam (GERD) im Jahr 2023 fertiggestellt wurde und weitere Kraftwerke geplant oder im Bau sind. Doch limitieren fehlende Überlandleitungen (Südsudan) sowie ein überschaubarer Stromimportbedarf in Kenia, Dschibuti, Somalia und Eritrea das erhoffte Geschäft.

Möglichkeiten bestehen auch im Bergbau, denn Äthiopien verfügt unter anderem über Vorkommen an Gold, Tantal, Platin, Kali und auch Gas. Doch die schlechte Sicherheitslage in vielen Regionen lässt aktuell Minengesellschaften vor Investitionen zurückschrecken. Es dominiert der Kleinbergbau, dessen Akteure vor allem Gold "inoffiziell" über die Grenze bringen.

Hoffnung bereitet aktuell der Tourismus. Die Besucherzahlen steigen, seitdem die Region Tigray wieder einigermaßen friedlich ist und die dortigen Sehenswürdigkeiten besucht werden können. Größter Devisenbringer des Landes ist aktuell die Fluglinie Ethiopian Airlines mit einem Umsatz von 6,1 Milliarden US-Dollar (US$; 2022/23), Tendenz steigend. Die Linie ist in Afrika derzeit nahezu konkurrenzlos, nachdem South African Airlines und Kenyan Airlines in finanzielle Schieflage geraten sind.

Traditionelle Exportprodukte Äthiopiens sind Kaffee und Schnittblumen. Doch bei Kaffee drohen wegen der EU-Entwaldungsverordnung Schwierigkeiten beim Export in die EU.

Wirtschaftsentwicklung: Unternehmen äußern sich überwiegend pessimistisch

Die Weltbank erwartet für 2024 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von etwa 7 Prozent. Die Economist Intelligence Unit (EIU) geht sogar von einem Plus von 7,4 Prozent aus. Damit würde Äthiopien zu den am schnellsten wachsenden Ökonomien des Kontinents zählen, was überraschend ist angesichts der massiven ökonomischen Probleme des Landes. Einige Ökonomen halten diese Einschätzung für deutlich überhöht. Auch die Tatsache, dass im zweitgrößten Bundesland Amhara die Wirtschaft nur noch eingeschränkt funktioniert, wirkt sich negativ aus. Von August 2023 bis Anfang Juni 2024 galt in der Region der Ausnahmezustand.

Die Erwartungen der Unternehmen für das 2. Halbjahr 2024 bleiben sehr zurückhaltend. Angesichts der Devisenknappheit wird es für Firmen immer teurer oder gar unmöglich, Importgeschäfte zu tätigen. Exportierende Unternehmen müssen einen Großteil ihrer eingenommenen Devisen umgehend an die Zentralbank abführen.

Die Finanzlage des hochverschuldeten Staates bleibt angespannt. Ende 2023 zahlte die Regierung eine fällige Zinszahlung für einen Kredit in Höhe von 33 Millionen US$ nicht zurück, woraufhin die Ratingagenturen mit einer schlechteren Risikobewertung reagierten. Der Spielraum für staatliche Ausgaben etwa für Infrastrukturprojekte bleibt begrenzt.

Finanzielle Unterstützung erhofft sich die Regierung von Gebern, insbesondere dem Internationalen Währungsfonds in Höhe von 3,5 Milliarden US$. Letzterer fordert üblicherweise Liberalisierungsmaßnahmen, die in Äthiopien kontrovers diskutiert werden. Dazu zählt die Flexibilisierung des Wechselkurses des Birr zum US-Dollar. Dabei wird der Birr auf dem Schwarzmarkt für weniger als die Hälfte seines offiziellen Wertes gehandelt.

Angekündigt wurde 2024 auch die angestrebte Öffnung des Handels für ausländische Unternehmen. Für deutsche Unternehmen, die ihre Produkte in Äthiopien selbst vertreiben möchten, wäre das eine interessante Veränderung, da dann die Eröffnung einer Vertriebsniederlassung möglich wäre.

Im 2. Halbjahr 2024 ist die Eröffnung der äthiopischen Börse ESX geplant. Viele Unternehmen werden dort versuchen, Kapital über Aktienverkäufe einzunehmen. Für mich birgt die Börseneröffnung viele Investitionschancen für deutsche Unternehmen sowie die äthiopische Diaspora.

Estifanos Samuel Mit seinem Unternehmen East Africa Partners berät er deutsche Unternehmen bei ihrem Äthiopiengeschäft.

Hohe Inflation belastet Konsum weiterhin

Eine große Belastung für den Konsum ist die seit 2022 grassierende hohe Inflation. Im April 2024 lagen die Verbraucherpreise 23,3 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Lokale Produzenten von wichtigen Konsumgütern, wie Nahrungsmitteln oder Haushaltswaren, machen dennoch weiter gute Geschäfte – und bauen auch ihre Kapazitäten aus. Sie bekommen ihr Geld aufgrund der Devisenverkehrsbeschränkungen aktuell ohnehin nicht aus dem Land heraus. Importierte Konsumgüter spielen fast keine Rolle, da für sie keine Devisen freigegeben werden.

Der Zufluss der ausländischen Direktinvestitionen nach Äthiopien war 2023 zwar rückläufig. Mit rund 3,3 Milliarden US$ floss aber doppelt so viel Geld ins Land wie nach Kenia. Das zeigen Zahlen der UNCTAD. Hieran wird deutlich, dass trotz eines schwierigen Umfelds durchaus in Äthiopien investiert wird. Es dominieren finanzstarke und risikofreudige Investoren von der arabischen Halbinsel, aus der Türkei und China. Insbesondere westliche Investoren dürften weiter zögern, weil sie von den schlechten Bedingungen oft abgeschreckt werden. Dazu zählen die aktuell sehr hohe Korruption sowie die zunehmende politische Instabilität.

GTAI-Informationen zu Äthiopien

Deutsche Perspektive: Lieferungen bleiben vorerst auf niedrigem Niveau

Für deutsche Unternehmen zählte Äthiopien noch vor wenigen Jahren zu den vielversprechendsten Märkten der Region. Angesichts der wachsenden Probleme im Land ist der Ansturm jedoch ausgeblieben. Nur eine Handvoll deutscher Unternehmen ist vor Ort präsent. Die meisten Marken lassen sich von lokalen Handelsdistributoren vertreten. Eigene Vertriebsniederlassungen dürfen Firmen bislang ohnehin nicht betreiben. Viele Unternehmen steuern ihre Aktivitäten in Äthiopien von Kenia, Dubai oder Deutschland aus.

Die deutschen Ausfuhren nach Äthiopien sind 2023 erstmals seit 2019 wieder gestiegen. Angesichts des großen Potenzials Äthiopiens ist ihr Wert aber weiterhin gering. Auch 2024 bleibt das Umfeld für den Handel schwierig. Sollte sich die wirtschaftliche Situation bessern, dürfte das Geschäft mit Äthiopien sprunghaft ansteigen. Auch deshalb verfolgen viele Unternehmen den Markt weiterhin mit großem Interesse.

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