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Wirtschaftsumfeld | Brasilien | Klimawandel und Energiewende

Ökologie und Wirtschaftswachstum sind in Brasilien vereinbar

Klimaschäden in Brasilien häufen sich. Städte und Gemeinden müssen mehr vorsorgen. Gleichzeitig hofft das Land auf eine grüne Reindustrialisierung.

Von Gloria Rose | São Paulo

Extremwetterereignisse in Brasilien nehmen zu. Immer öfter erlebt das Land Dürren und Starkregen. Deutlich wurde dies zuletzt im Mai 2024. In dem Monat erlebte Rio Grande do Sul, der südlichste Bundesstaat Brasiliens, anhaltenden Starkregen und flächendeckende Überschwemmungen. Besonders betroffen ist die Agrarwirtschaft. Die Folgen sind in ganz Brasilien spürbar, denn Rio Grande do Sul trug in den Vorjahren mehr als 12 Prozent zur landesweiten Wertschöpfung des Sektors bei.

Für den Wiederaufbau von Rio Grande do Sul richtete die Regierung des Bundesstaates einen Fonds ein. Die Kosten für den Wiederaufbau von Straßen und Brücken belaufen sich auf mindestens 600 Millionen US-Dollar (US$). Um die Infrastruktur gegen zukünftigen Starkregen und Erdrutsche zu rüsten, müssten bis zu 2 Milliarden US$ investiert werden.

Vorsorge wird zur Vorschrift

Die Flutkatastrophe ruft die Politik auf den Plan. Im Juni 2024 verabschiedete der Kongress ein Gesetz, das alle Verwaltungsebenen dazu verpflichtet, eigene Schutz- und Anpassungspläne zu erstellen und regelmäßig zu aktualisieren. Bislang verfügt nur ein Bruchteil der Städte und Gemeinden über eine eigene Anpassungsstrategie an den Klimawandel. Über die Plattform AdaptaBrasil bietet das Ministerium für Wissenschaft, Technologie und Innovation Zugang zu Informationen und Risikoeinstufungen. Die Projekte werden über den Klimafonds "Fundo Clima" der brasilianischen Entwicklungsbank BNDES finanziert. 

Energiewende als Wachstumstreiber

Doch nicht nur die Schäden motivieren zum Klimaschutz. Brasilien ist schon heute ein Vorreiter auf dem Weg zur Klimaneutralität. Rund 47,4 Prozent des Primärenergieverbrauchs deckte das Land 2022 durch erneuerbare Energie, in Deutschland waren es 17,6 Prozent. Laut der Bloomberg-Studie Climatescope steht Brasilien auf Platz 5 der attraktivsten Schwellenländer für grüne Investitionen, nach Indien, China, Chile und den Philippinen.

In dem Bericht “The green hidden gem” hebt die Unternehmensberatung McKinsey drei Bereiche hervor, in denen Brasilien eine globale Schlüsselrolle spielen kann:

  • Erneuerbare Energie
  • Bioenergie und grüne Industrieprodukte und
  • CO2-Zertifikate

Unternehmen engagieren sich für Nachhaltigkeit

Rund 42 Prozent der 1.136 Unternehmen in Brasilien, die ihre Umweltdaten 2023 über das Carbon Disclosure Project (CDP) veröffentlichten, verfolgen Pläne zur Emissionsminderung. Viele sind Teil des CO2-Index ICO2 der brasilianischen Börse. Über den Wirtschaftsrat für nachhaltige Entwicklung CEBDS treiben die Unternehmen Gesetzesvorhaben im Kongress voran.

Unternehmen gehen mit gutem Beispiel voranAusgezeichnete Unternehmen im Carbon Disclosure Project (CDP)
SektorUnternehmenKategorie mit CDP-Topbewertung im Jahr 2023

Treibhausgas-Emissionen 2021 (in Tonnen CO2-Äquivalent) *)

Forstwirtschaft/Papier/VerpackungenKlabinKlima/Wald/Wasser

1.370.710

Bergbau/MetallverarbeitungCompanhia Brasileira de Alumínio (CBA)Klima

-

GasversorgungCompass Gás & EnergiaKlima

-

StromwirtschaftCPFL Energia S.A.Klima

379.033

BaumaterialienDexco S.A.Wald

382.153

StromwirtschaftEDP - Energias do Brasil S.A.Klima

-

Forstwirtschaft/PapierEmpresas CMPC (Sitz in Chile)Wald

-

Einzelhandel (Mode)Lojas Renner S.A.Klima

37.311

Ernährungswirtschaft (Getreideprodukte)M Dias Branco S.A.Klima

-

Ernährungswirtschaft (Fleisch)Marfrig Global Foods S.A.Klima

588.613

TelekommunikationTIM BrasilKlima

25.376

Baumaterialien (Zement)Votorantim CimentosKlima

-

* laut Börsenindex ICO2Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

Brasilien strebt grüne Industrialisierung an

Mit seiner günstigen und reichlich vorhandenen grünen Energie will Brasilien Investitionen energieintensiver Industriebranchen anlocken. Damit soll ein Gegentrend zur Deindustrialisierung der vergangenen Jahrzehnte einsetzen - eine grüne Neoindustrialisierung. Damit Brasilien die Wettbewerbsvorteile nutzt, die sich aus der globalen Energiewende ergeben, legte die brasilianische Regierung Anfang 2024 eine neue Industrieförderung auf: Nova Indústria Brasil (NIB).

Neben NIB stimulieren weitere Programme die Investitionen in Nachhaltigkeit, darunter auch viele Projekte des Programmes PAC, das bis 2026 Investitionen von rund 250 Milliarden US$ mobilisieren soll. Bei den Infrastrukturprojekten setzt die Regierung auf das Engagement privater Konzessionäre und Investitionspartner. Sie sollen mehr als ein Drittel der Summe beisteuern. Besonders hohe Erwartungen bestehen in der Abwasseraufbereitung, die bislang nur der Hälfte der Bevölkerung zugutekommt.

Zur Finanzierung dienen Fonds. Beispielsweise ist ein Fünftel der Mittel des Fundo Clima für grüne Industrieprojekte bestimmt. Um ausländische Anleger zu gewinnen, schützt Brasilien diese im Rahmen der Initiative "Eco Invest Brasil" gegen das Risiko zukünftiger Wechselkursschwankungen (Forex Hedging). Die Initiative ist Teil des "Plans zur ökologischen Transformation", den Finanzminister Fernando Haddad Anfang Dezember 2023 auf der Klimakonferenz COP28 in Dubai vorstellte.

Brasiliens Plan zur ökologischen Transformation 

Der Plan unter Obhut des brasilianischen Finanzministeriums teilt verschiedene Strategien, Pläne, Gesetzesvorhaben und Maßnahmen in sechs Achsen der ökologischen Transformation ein:

I) Nachhaltige Finanzierungen

  • Gesetz über einen nationalen Emissionshandel
  • Klimafonds "Fundo Clima"
  • Eco Invest Brasil (Währungsabsicherungsplattform für grüne Projekte)
  • Anreize für Nachhaltigkeit in der Steuerreform
  • etc.

II) Technologische Entwicklung der industriellen Produktion

  • Industrieförderprogramm Nova Indústria Brasil (NIB) 
  • Local-Content-Auflagen bei öffentlichen Ausschreibungen, die sich auf die Energiewende und nachhaltigen Transport beziehen
  • Zentren für technologische Innovation an den Universitäten
  • Zinsgünstige Finanzierung von Innovation über die Entwicklungsbank BNDES
  • etc.

III) Bioökonomie und nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme

  • Nationaler Plan für Bioökonomie (Erlass Nr. 12.044 vom 06.06.2024)
  • Kopplung der Agrarfinanzierung (Plano Safra) an kohlenstoffarme Produktionsmethoden (Plano ABC und Plano ABC+)
  • Wiederaufforstung im Amazonas (Arco da Restauração) finanziert über den Amazonienfonds für Wald- und Klimaschutz
  • etc.

IV) Energiewende

  • Förderprogramm für die Kfz-Industrie Mobilidade Verde e Inovação (Mover); wurde am 27.06.2024 verabschiedet.
  • Förderung von Biokraftstoffen über die Steigerung der Beimischungsanteile 
  • Förderprogramm "Combustíveis do futuro" schafft die Rechtsgrundlage für nachhaltigen Flugkraftstoff (SAF) sowie für erneuerbaren Diesel (HVO) und synthetische Kraftstoffe.
  • Elektrifizierung das öffentlichen Nahverkehrs und Anreize zur lokalen Produktion von E-Bussen
  • Drei-Jahres-Plan des nationalen Wasserstoffprogramms 2023 bis 2025 sieht die Schaffung eines Rechtsrahmens für kohlenstoffarmen Wasserstoff vor.
  • etc.

V) Kreislaufwirtschaft

  • Nationale Strategie der Kreislaufwirtschaft -> Erlass Nr. 12.082 vom 27.06.2024 zur Einrichtung der Estratégia Nacional de Economia Circular (ENEC)
  • Wasser und Abwasser: Ausbau der Abwasserentsorgung und Maßnahmen zur Erweiterung und technologischen Optimierung der Kläranlagen
  • etc.

VI) Infrastruktur und Anpassung an den Klimawandel

  • Investitionsförderprogramm PAC berücksichtigt Vorsorge
  • Spezifische Programme für die am stärksten gefährdeten Gemeinden gemäß CEMADEN
  • Strategien für Sicherheit und Resilienz in den Bereichen Landwirtschaft, Energie und Gesundheit
  • etc.

Viele Gesetze zur Stärkung der Nachhaltigkeit werden im Kongress debattiert. Mit dem Fokus auf elf Industriebranchen entwickeln Stakeholder aus der Regierung und Politik, der Industrie und der Wissenschaft einen Plan zur Dekarbonisierung der Industrie (PNDI). Auch das Energieministerium ist aktiv. Es erarbeitet einen Rahmen für eine Politik der Energiewende (PNTE). Damit Brasilien große Investitionsprojekte multinationaler Industriekonzerne für sich gewinnen kann, muss an vielen Stellschrauben gedreht werden. Ein wichtiges Projekt ist die Steuerreform.

Mammutaufgabe Entwaldungsstopp

Ob die größte Volkswirtschaft Lateinamerikas es schafft, die Vorteile der grünen Transformation zu nutzen, hängt jedoch von weiteren Faktoren ab - auch davon, ob es gelingt, die illegale Entwaldung zu stoppen und das Länderimage zu verbessern.

Luiz Inácio Lula da Silva hat den Klimaschutz zu einem seiner wichtigsten Regierungsziele gemacht. Um Klimaneutralität zu erreichen und um das Länderimage wieder aufzupolieren, muss Brasilien die illegale Entwaldung in den Griff bekommen - eine immense Herausforderung angesichts der Größe des Landes. Die erhaltenen Waldflächen übertreffen das Gebiet der EU um 20 Prozent.

Im Jahr 2023 ging die Entwaldung insgesamt um 18 Prozent zurück, im Amazonasgebiet sogar um fast 50 Prozent, meldet das brasilianische Institut für Weltraumforschung INPE. Dafür wurde im Cerrado, dem zweitgrößten Ökosystem Brasiliens bestehend aus Feuchtsavannen, eine um 43 Prozent größere Fläche abgeholzt. Am stärksten betroffen waren die nordöstlichen Bundesstaaten Maranhão, Bahia und Pará.

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