Wirtschaftsumfeld | Taiwan | Wirtschaftsstruktur
Taiwans Wirtschaftsstruktur soll widerstandsfähiger werden
Taiwan versucht, sein Wirtschaftssystem zu diversifizieren, zu dekarbonisieren und dadurch insgesamt zu stärken. Deutsche Firmen können dabei eine aktive Rolle spielen.
21.12.2023
Von Jürgen Maurer | Bonn
In den nächsten Jahren baut Taiwan seine Vorzeigebranche Elektronik weiter aus, vor allem bei Internet of Things-Anwendungen und künstlicher Intelligenz. Gleichzeitig fördert die Regierung innovative Branchen und Technologien wie Biotechnologie, Medizintechnik, smarte Maschinen und grüne Energien. Ziel ist es, die Insel bis 2050 klimaneutral aufzustellen. Klimaschutzmaßnahmen gewinnen daher an Bedeutung. Zugleich gilt es, die eigene Wirtschaft resilienter gegenüber China aufzustellen.
Regierung strebt höhere Resilienz an
China sieht die Insel als eine abtrünnige Provinz an und setzt auf ökonomische und politische Schwächung von Taiwans Regierung. Fehlende diplomatische Anerkennung versucht die Insel jedoch durch bilaterale und multilaterale Abkommen zu kompensieren. Die Nähe zu China hat die Entwicklung der taiwanischen Wirtschaft bislang stark unterstützt. Viele taiwanische Firmen haben im Nachbarland investiert und Produktion dorthin verlagert. China, inklusive der Sonderverwaltungsregion (SVR) Hongkong, ist für Taiwan der größte Handelspartner. Seit vielen Jahren gehen mehr als 40 Prozent der taiwanischen Exporte ins große Nachbarland. Mehr als 50 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen taiwanischer Firmen stecken in der chinesischen Wirtschaft.
Dies erweist sich mittlerweile als die Achillesferse der Insel. Der technologische Wettbewerb, die Coronapandemie und geopolitische Spannungen haben die Nachteile einer großen Abhängigkeit aufgezeigt. Aus diesem Grund strebt die Regierung eine Diversifizierung der Ausfuhren und Investitionen an. Neben den angestammten Märkten in den USA, Japan und Europa will sie vor allem Partner in Südostasien und Indien gewinnen. Zudem gibt es keine Anzeichen dafür, dass sich der Handelskonflikt zwischen den USA und China entspannt.
Ausführliche Informationen zur Wirtschaft finden Sie in den Wirtschaftsdaten kompakt.
Taiwan lebt von florierendem Handel
Wo immer möglich, versucht die Regierung, den taiwanischen Unternehmen die Weltmärkte durch Freihandelsabkommen und bilaterale Verträge zu öffnen. Taiwan ist unter anderem Mitglied in der Welthandelsorganisation und der Asia-Pacific Economic Cooperation (APEC). Mit den USA und Großbritannien hat die Regierung Mitte 2023 Handelspartnerschaften abgeschlossen, und sie steht mit der EU seit 2022 in einem bilateralen Handels- und Investitionsdialog. Die EU ist der größte Investor in Taiwan.
Auch wenn deutsche Firmen vor Ort die Spannungen zwischen den verschiedenen Akteuren mit Sorge betrachten, hat dies die Geschäfte bislang nicht beeinträchtigt. Im Gegenteil: Außenhandel und Investitionen ziehen an. Deutschlands Handel mit Taiwan ist auch während der Coronapandemie gewachsen. Die Gesamthöhe des bilateralen Außenhandels überstieg 2021 erstmals 20 Milliarden US-Dollar (US$). Damit war Deutschland der größte Handelspartner Taiwans in Europa. Laut Destatis importiert Deutschland seit Jahren mehr aus Taiwan als es dorthin liefert. Im Jahr 2023 werden die Investitionen aus Deutschland einen Höchststand erreichen.
"Konkrete Auswirkungen der bilateralen Spannungen auf die geschäftlichen Perspektiven deutscher Firmen in Taiwan oder deren Investitionsabsichten lassen sich nicht erkennen." (Axel Limberg, Geschäftsführer des German Trade Office in Taipei)
Elektronikindustrie prägt Wirtschaft
Taiwans Wirtschaftsstruktur erstreckt sich zu 30 Prozent auf die industrielle Erzeugung und zu 60 Prozent auf den Servicesektor. Sie gleicht damit den fortgeschrittenen Industrieländern, wie den USA, Japan und Deutschland. Die verarbeitende Industrie ist in den Bereichen Elektronik und Informationstechnik, Chemie, Maschinenbau, Eisen und Stahl sowie Textilien stark aufgestellt. Bei der Herstellung von Halbleitern steht Taiwan mit seinen Foundries weltweit für knapp zwei Drittel der Auftragsproduktion. Bei den fortgeschrittensten Chips liegt der Anteil bei circa 90 Prozent.
Viele taiwanische Firmen arbeiten in Branchen wie der Elektronik, bei Metallteilen und Kfz-Teilen über Medizintechnik bis hin zu Fahrrädern als Original Equipment Manufacturer (OEM) und Auftragshersteller. Die industrielle Basis punktet mit einem Pool an gut ausgebildeten Arbeitskräften, einem funktionierenden Handelssystem mit etablierten Wertschöpfungsketten und einer hohen Kaufkraft. All das macht Taiwan zu einem attraktiven Beschaffungs- und Absatzmarkt. Allerdings verfügt die Insel mit ihren rund 23 Millionen Einwohnern im Vergleich zu Nachbarländern nur über einen relativ kleinen Binnenmarkt.
Daher sind die Unternehmen stark exportorientiert. Die Außenhandelsquote liegt bei über 100 Prozent des BIP und fußt auf einer guten Anbindung an die Weltmärkte. Allein die Ausfuhren von Elektronik- und IT-Erzeugnissen machen mehr als 50 Prozent der Gesamtexporte aus. Umgekehrt sind Elektronikprodukte auch der größte Posten bei den Importen. Sie müssen im Verarbeitungsprozess ja häufig zwischen den verschiedenen Übersee-Standorten transportiert werden. Taiwans Unternehmen können dafür auf ein umfangreiches See- und Lufttransportnetz zurückgreifen.
Sektoren | Anteil an der Bruttowertschöpfung 2022 | Anteil an den Beschäftigten 2022 |
---|---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 1,4 | 4,6 |
Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung) | 0,1 | 0,03 |
Verarbeitendes Gewerbe | 34,1 | 26,4 |
Energieversorgung (inklusive Wasserversorgung) | 0,2 | 1,0 |
Baugewerbe | 3,3 | 8,0 |
Dienstleistungen | 60,7 | 60,0 |
Produktion konzentriert sich auf das Flachland im Westen
Da der Osten des Archipels von Hochgebirgen und Steilküsten geprägt ist, haben sich Taiwans Industriebetriebe vor allem im westlichen Teil der Insel angesiedelt. Dabei haben sich Cluster gebildet, die als Forschungs- und Produktionsnetzwerke für diverse Industrien eine Rolle spielen. Taipei ist Hauptstadt und wirtschaftliches Zentrum zugleich. Hier hat sich ein Großteil des Groß- und Einzelhandels und der Finanzindustrie angesiedelt. In Taoyuan, dem Luftdrehkreuz der Insel, haben sich viele Verarbeitungsbetriebe niedergelassen. Die Elektronik- und Halbleiterbranche ist in allen Wirtschaftszentren vertreten, besonders aber in Hsinchu. In Taichung haben der Maschinenbau und die Chemieindustrien ihren Schwerpunkt. Schiffbau und Biomedizin finden sich vor allem an den südlichen Standorten Kaohsiung und Tainan.
Gebiet | Anteil am Wert der Produktion (in %) | Wert der Produktion pro Arbeitnehmer (in US$) *) | Arbeitnehmer (in Mio.) |
---|---|---|---|
Taipei City | 22,7 | 180.158 | 1,9 |
Taoyuan City | 11,5 | 165.875 | 1,0 |
New Taipei City | 11,4 | 120.688 | 1,4 |
Kaohsiung City | 11,1 | 159.027 | 1,1 |
Taichung City | 10,7 | 123.076 | 1,3 |
Tainan City | 7,9 | 162.998 | 0,7 |
Hsinchu City | 5,5 | 307.752 | 0,3 |
Hsinchu County | 4,6 | 227.765 | 0,3 |
Yunlin County | 3,5 | 311.200 | 0,2 |
Changhua County | 3,3 | 116.418 | 0,4 |