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Wirtschaftsumfeld | Taiwan | Wirtschaftsstruktur

Taiwans Wirtschaftsstruktur soll widerstandsfähiger werden

Taiwan versucht, sein Wirtschaftssystem zu diversifizieren, zu dekarbonisieren und dadurch insgesamt zu stärken. Deutsche Firmen können dabei eine aktive Rolle spielen.

Von Jürgen Maurer | Bonn

In den nächsten Jahren baut Taiwan seine Vorzeigebranche Elektronik weiter aus, vor allem bei Internet of Things-Anwendungen und künstlicher Intelligenz. Gleichzeitig fördert die Regierung innovative Branchen und Technologien wie Biotechnologie, Medizintechnik, smarte Maschinen und grüne Energien. Ziel ist es, die Insel bis 2050 klimaneutral aufzustellen. Klimaschutzmaßnahmen gewinnen daher an Bedeutung. Zugleich gilt es, die eigene Wirtschaft resilienter gegenüber China aufzustellen. 

Regierung strebt höhere Resilienz an

China sieht die Insel als eine abtrünnige Provinz an und setzt auf ökonomische und politische Schwächung von Taiwans Regierung. Fehlende diplomatische Anerkennung versucht die Insel jedoch durch bilaterale und multilaterale Abkommen zu kompensieren. Die Nähe zu China hat die Entwicklung der taiwanischen Wirtschaft bislang stark unterstützt. Viele taiwanische Firmen haben im Nachbarland investiert und Produktion dorthin verlagert. China, inklusive der Sonderverwaltungsregion (SVR) Hongkong, ist für Taiwan der größte Handelspartner. Seit vielen Jahren gehen mehr als 40 Prozent der taiwanischen Exporte ins große Nachbarland. Mehr als 50 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen taiwanischer Firmen stecken in der chinesischen Wirtschaft. 

Dies erweist sich mittlerweile als die Achillesferse der Insel. Der technologische Wettbewerb, die Coronapandemie und geopolitische Spannungen haben die Nachteile einer großen Abhängigkeit aufgezeigt. Aus diesem Grund strebt die Regierung eine Diversifizierung der Ausfuhren und Investitionen an. Neben den angestammten Märkten in den USA, Japan und Europa will sie vor allem Partner in Südostasien und Indien gewinnen. Zudem gibt es keine Anzeichen dafür, dass sich der Handelskonflikt zwischen den USA und China entspannt. 

23,2 Mio.

Personen lebten 2022 im Land.

Quelle: Directorate General of Budget, Accounting and Statistics (DGBAS) 2023

761,4 Mrd.

US-Dollar betrug das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2022 laut Prognosen.

Quelle: Directorate General of Budget, Accounting and Statistics (DGBAS) 2023

32.756

US-Dollar machte das BIP pro Kopf damit 2022 aus.

Quelle: Directorate General of Budget, Accounting and Statistics (DGBAS) 2023

Rang 30

belegte das Land 2022 unter den deutschen Exportzielen.

Quelle: Destatis 2023

Rang 25

nimmt das Land im Corruption Perceptions Index 2022 ein (unter 180 Ländern).

Quelle: Transparency International 2023

Ausführliche Informationen zur Wirtschaft finden Sie in den Wirtschaftsdaten kompakt.

Taiwan lebt von florierendem Handel

Wo immer möglich, versucht die Regierung, den taiwanischen Unternehmen die Weltmärkte durch Freihandelsabkommen und bilaterale Verträge zu öffnen. Taiwan ist unter anderem Mitglied in der Welthandelsorganisation und der Asia-Pacific Economic Cooperation (APEC). Mit den USA und Großbritannien hat die Regierung Mitte 2023 Handelspartnerschaften abgeschlossen, und sie steht mit der EU seit 2022 in einem bilateralen Handels- und Investitionsdialog. Die EU ist der größte Investor in Taiwan.

Auch wenn deutsche Firmen vor Ort die Spannungen zwischen den verschiedenen Akteuren mit Sorge betrachten, hat dies die Geschäfte bislang nicht beeinträchtigt. Im Gegenteil: Außenhandel und Investitionen ziehen an. Deutschlands Handel mit Taiwan ist auch während der Coronapandemie gewachsen. Die Gesamthöhe des bilateralen Außenhandels überstieg 2021 erstmals 20 Milliarden US-Dollar (US$). Damit war Deutschland der größte Handelspartner Taiwans in Europa. Laut Destatis importiert Deutschland seit Jahren mehr aus Taiwan als es dorthin liefert. Im Jahr 2023 werden die Investitionen aus Deutschland einen Höchststand erreichen.

"Konkrete Auswirkungen der bilateralen Spannungen auf die geschäftlichen Perspektiven deutscher Firmen in Taiwan oder deren Investitionsabsichten lassen sich nicht erkennen." (Axel Limberg, Geschäftsführer des German Trade Office in Taipei)

SWOT-Analyse Taiwan

S

Stärken Strengths

  • Breite industrielle Basis
  • Gut ausgebildete Arbeitskräfte und relativ günstige Löhne
  • Starke Stellung als Auftragsfertiger (Foundry), Flexibilität in den Lieferketten
  • Sehr gute Verkehrs- und IT-Infrastruktur
  • Nähe zu China als Produktionsstandort und Absatzmarkt
W

Schwächen Weaknesses

  • Hohe Exportabhängigkeit, insbesondere von China und den USA
  • Hohe Abhängigkeit von Energie- und Rohstoffimporten
  • Nur wenig bekannte internationale Firmen und Marken
  • Hohe Abhängigkeit von nur einer Produktgruppe (Elektronik, Halbleiter)
  • Relativ kleiner Binnenmarkt
O

Chancen Opportunities

  • Förderung innovativer Branchen (5+2-Plan)
  • Rückkehr von taiwanischen Investoren aus China und zunehmende Investitionen internationaler Firmen
  • Hohe Krisenresilienz (Handelskonflikt und Covid) und dadurch Stärkung des Standorts
  • Ausbau erneuerbarer Energien und Nachholbedarf bei Energieeffizienz
  • Konsumfreudiger Absatzmarkt mit im Schnitt hohen Vermögenswerten
T

Risiken Threats

  • Erdbeben, Taifune
  • Politische Spannungen mit China
  • Wenige umfassende Freihandelsabkommen
  • Zunehmender Fachkräftemangel
  • Niedrige Geburtenrate und schnelle Überalterung

Elektronikindustrie prägt Wirtschaft

Taiwans Wirtschaftsstruktur erstreckt sich zu 30 Prozent auf die industrielle Erzeugung und zu 60 Prozent auf den Servicesektor. Sie gleicht damit den fortgeschrittenen Industrieländern, wie den USA, Japan und Deutschland. Die verarbeitende Industrie ist in den Bereichen Elektronik und Informationstechnik, Chemie, Maschinenbau, Eisen und Stahl sowie Textilien stark aufgestellt. Bei der Herstellung von Halbleitern steht Taiwan mit seinen Foundries weltweit für knapp zwei Drittel der Auftragsproduktion. Bei den fortgeschrittensten Chips liegt der Anteil bei circa 90 Prozent. 

Viele taiwanische Firmen arbeiten in Branchen wie der Elektronik, bei Metallteilen und Kfz-Teilen über Medizintechnik bis hin zu Fahrrädern als Original Equipment Manufacturer (OEM) und Auftragshersteller. Die industrielle Basis punktet mit einem Pool an gut ausgebildeten Arbeitskräften, einem funktionierenden Handelssystem mit etablierten Wertschöpfungsketten und einer hohen Kaufkraft. All das macht Taiwan zu einem attraktiven Beschaffungs- und Absatzmarkt. Allerdings verfügt die Insel mit ihren rund 23 Millionen Einwohnern im Vergleich zu Nachbarländern nur über einen relativ kleinen Binnenmarkt. 

Daher sind die Unternehmen stark exportorientiert. Die Außenhandelsquote liegt bei über 100 Prozent des BIP und fußt auf einer guten Anbindung an die Weltmärkte. Allein die Ausfuhren von Elektronik- und IT-Erzeugnissen machen mehr als 50 Prozent der Gesamtexporte aus. Umgekehrt sind Elektronikprodukte auch der größte Posten bei den Importen. Sie müssen im Verarbeitungsprozess ja häufig zwischen den verschiedenen Übersee-Standorten transportiert werden. Taiwans Unternehmen können dafür auf ein umfangreiches See- und Lufttransportnetz zurückgreifen.

Bedeutung der Wirtschaftszweige in Taiwan (Anteile in Prozent)

Sektoren

Anteil an der Bruttowertschöpfung 2022

Anteil an den Beschäftigten 2022

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

1,4

4,6

Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung)

0,1

0,03

Verarbeitendes Gewerbe

34,1

26,4

Energieversorgung (inklusive  Wasserversorgung)

0,2

1,0

Baugewerbe

3,3

8,0

Dienstleistungen

60,7

60,0

Quelle: Directorate General of Budget, Accounting and Statistics (DGBAS) 2023

Produktion konzentriert sich auf das Flachland im Westen

Da der Osten des Archipels von Hochgebirgen und Steilküsten geprägt ist, haben sich Taiwans Industriebetriebe vor allem im westlichen Teil der Insel angesiedelt. Dabei haben sich Cluster gebildet, die als Forschungs- und Produktionsnetzwerke für diverse Industrien eine Rolle spielen. Taipei ist Hauptstadt und wirtschaftliches Zentrum zugleich. Hier hat sich ein Großteil des Groß- und Einzelhandels und der Finanzindustrie angesiedelt. In Taoyuan, dem Luftdrehkreuz der Insel, haben sich viele Verarbeitungsbetriebe niedergelassen. Die Elektronik- und Halbleiterbranche ist in allen Wirtschaftszentren vertreten, besonders aber in Hsinchu. In Taichung haben der Maschinenbau und die Chemieindustrien ihren Schwerpunkt. Schiffbau und Biomedizin finden sich vor allem an den südlichen Standorten Kaohsiung und Tainan.

Eckdaten der wichtigsten Provinzen in Taiwan (2021)

Gebiet

Anteil am Wert der Produktion (in %)

Wert der Produktion pro Arbeitnehmer (in US$) *)

Arbeitnehmer (in Mio.)

Taipei City

22,7

180.158

1,9

Taoyuan City

11,5

165.875

1,0

New Taipei City

11,4

120.688

1,4

Kaohsiung City

11,1

159.027

1,1

Taichung City

10,7

123.076

1,3

Tainan City

7,9

162.998

0,7

Hsinchu City

5,5

307.752

0,3

Hsinchu County

4,6

227.765

0,3

Yunlin County

3,5

311.200

0,2

Changhua County

3,3

116.418

0,4

* Umrechnungskurs Jahresdurchschnitt 2021: 1 US$ = 28,02 NT$.Quelle: Directorate General of Budget, Accounting and Statistics (DGBAS) 2023

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