Wirtschaftsumfeld | Äthiopien | Wirtschaftsstruktur
Politische Instabilität verändert regionale Wirtschaftsstruktur
Die Größe des Landes bietet Raum für eine diversifizierte Wirtschaft. Diese kann sich jedoch kaum entfalten, auch weil die Sicherheitslage Geschäfte in einigen Regionen erschwert.
01.10.2024
Etwa 127 Millionen Menschen leben in Äthiopien, jedes Jahr kommen etwa 2 Millionen hinzu. Das sorgt für massiven Bedarf an Infrastruktur, Nahrungsmitteln und anderen Konsumgütern. Das macht Äthiopien zur drittgrößten Volkswirtschaft im Afrika südlich der Sahara, nach Nigeria und Südafrika. Gleichwohl ist das Land sehr arm mit einem Pro-Kopf-Einkommen von unter 1.500 US-Dollar pro Jahr.
Interesse seitens der Unternehmen weckt neben der Marktgröße das hohe Wirtschaftswachstum. Die Dynamik hat in den letzten Jahren jedoch etwas nachgelassen. Nach teilweise zweistelligen Wachstumsraten in den 2010er Jahren ist das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) auf unter 7 Prozent gefallen. Das ist immer noch viel und unterstreicht, dass sich in Äthiopiens Wirtschaft weiterhin eine Menge tut. Kapital fließt aber in erster Linie aus China und dem Mittleren Osten ins Land.
Deutsches Interesse weiter vorhanden
Deutsche Unternehmen sehen in Äthiopien vor allem einen riesigen potenziellen Absatzmarkt für ihre Produkte. Aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen sanken die deutschen Exporte jedoch in den vergangenen Jahren deutlich. Hinzu kommt, dass der Handelssektor bislang im äthiopischen Mehrheitseigentum verbleiben muss.
Deutsche Unternehmen können daher bislang Vertriebsniederlassungen nur mit äthiopischem Mehrheitseigner eröffnen. Das ist auch einer der Gründe, weshalb die meisten das südliche Nachbarland Kenia für eine Vertriebsniederlassung bevorzugen, wo ein lokaler Partner nicht nötig ist. Gleichwohl plant die äthiopische Regierung diese Hürde abzuschaffen. Schafft sie es, dürfte das Interesse ausländischer Unternehmen sprunghaft zunehmen. Ebenfalls kommt Äthiopien potenziell als Produktionsstandort in Frage, sowohl in der Landwirtschaft als auch im industriellen Bereich.
Bausektor mit hoher Dynamik
Der Bausektor ist einer der Bereiche mit der größten Dynamik. Er wird indes von chinesischen Kontraktoren beherrscht. Um Addis Abeba herum entstehen neue Satellitenstädte und Luxusstadtteile mit oftmals ausländischen Investoren. Straßen-, Wohnungs- und Wasserbauprojekten räumt die Regierung eine hohe Priorität ein, verfügt aber aktuell nur über wenig Geld. Sollten Gelder internationaler Geber wieder mehr fließen, dann dürften neue Infrastrukturprojekte angegangen werden, die deutschen Zulieferern und Ingenieurbüros Geschäftsmöglichkeiten bescheren.
Die Landwirtschaft ist mit einem Anteil am BIP von über 30 Prozent der wichtigste Pfeiler der äthiopischen Wirtschaft und mit Abstand größter Arbeitgeber. Dominiert wird der Sektor von Kleinbauern. Die dringend notwendige Steigerung der Nahrungsmittelproduktion hat oberste Priorität bei der Regierung. Agrarinvestoren sind willkommen und werden bei der Devisenzuteilung für Vorprodukte bevorzugt. Auch der Export von Agrarerzeugnissen, wie Kaffee oder Schnittblumen, ist von Bedeutung.
Textilindustrie soll weiter wachsen
Viele für den Export produzierende Textilfirmen haben sich in den Jahren 2018/2019 in Industrieparks wie in Hawassa angesiedelt, überwiegend aus China und Indien. Aber auch europäische Unternehmen wie Calzedonia sind dabei. Der Verlust des zoll- und quotenfreien Zugangs zum US-Markt wegen des Ausschlusses vom African Growth and Opportunity Act sowie hohe Logistikkosten setzen den Herstellern aktuell zu. Gleichwohl gelten die modernen und international zertifizierten Fabriken als international konkurrenzfähig, sodass mittelfristig mit weiteren Investitionen zu rechnen ist.
Der große Binnenmarkt macht die Produktion von Massenkonsumgütern, wie Nahrungs- und Haushaltsmitteln interessant. Getränkefabriken befinden sich in mehreren Zentren des Landes und bauen ihre Kapazitäten stetig aus. Gleiches gilt für die Herstellung von Baustoffen, wie Zement.
Devisen könnten der Export von Mineralien, Öl und Gas einbringen, von denen Äthiopien über größere Vorkommen verfügt. Dazu gehören unter anderem Gold, Platin, Nickel, Lithium und Kali. Bislang jedoch gibt es kaum industriellen Bergbau.
Regierung will einige Dienstleistungsbereiche öffnen
Unterentwickelt bleibt vorerst der Dienstleistungsbereich, auch wenn Premierminister Abiy Ahmed versucht, einige Sektoren zu öffnen. Dies ist im Telekommunikationsbereich teilweise gelungen, in dem die kenianische Safaricom gerade das zweite Mobilfunknetz installiert. Die meisten Dienstleistungsbranchen bleiben jedoch streng reguliert und sind für Ausländer oft gar nicht zugänglich.
Sektoren | Anteil am BIP in Prozent 2) |
---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 32,4 |
Baugewerbe | 20,9 |
Verarbeitendes Gewerbe | 6,8 |
Strom- und Wasserversorgung | 0,8 |
Bergbau | 0,5 |
Dienstleistungen | 40,0 |
Addis Abeba ist das große Wirtschaftszentrum
Ein Großteil des Wirtschaftsgeschehens spielt sich zwar in der Hauptstadt Addis Abeba ab. Dennoch sind regionale Zentren in der Bundesrepublik Äthiopien nicht unbedeutend. Die fragile innenpolitische Lage führt indes zu verminderter Sicherheit, sodass Ausländer aktuell einige Regionen meiden. Auch kommt es zu regionalen Verschiebungen der wirtschaftlichen Bedeutung: Während die Provinzen Tigray und Amhara zuletzt an ökonomischem Gewicht eingebüßt haben, gewinnt die Region Oromia.
Immerhin gilt die Region Tigray wieder als überwiegend sicher, sodass Reisen dorthin möglich sind. Von Gebern wie der Weltbank werden dort diverse Wiederaufbauprojekte durchgeführt. Darüber hinaus ist auch der Bergbau und der Tourismus dort von Bedeutung.
Mittelfristig dürfte die Entstehung eines Handelskorridors durch Somaliland hindurch zum neuen Hafen in Berbera eine Rolle spielen. Dies wäre eine Alternative zum aktuellen Hafenzugang in Dschibuti. Somaliland gehört offiziell zu Somalia, hat sich aber 1991 für unabhängig erklärt. Anfang des Jahres 2024 unterzeichneten Äthiopien und Somaliland (das bislang nur von Taiwan anerkannt wird) eine Absichtserklärung für die Anerkennung Somalilands. Äthiopien erhält dafür im Gegenzug 20 Kilometer Küstenland in Somaliland.
Gebiet | Bevölkerung 2024 1) |
---|---|
Oromia Region | 41,8 |
Amhara Region | 23,5 |
SNNPR 2) | 22,4 |
Somali Region | 6,8 |
Tigray Region | 5,9 |
Sidama Region | 4,2 |
South West Region | 1,7 |
Addis Ababa | 4,0 |
Affar Region | 2,1 |
Benishangul-Gumuz Region | 1,3 |
Gambella Region | 0,5 |
Dire Dawa | 0,6 |
Harari Region | 0,3 |