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ASEAN hat gute Voraussetzungen für den Ausbau Erneuerbarer
Südostasien bietet vielfältige Geschäftschancen für deutsche Firmen bei regenerativen Energien. Die Investitionen müssen künftig steigen, um die ambitionierten Ziele zu erreichen.
10.02.2025
Von Alexander Hirschle | Singapur
Die meisten Staaten der ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) haben sich größtenteils den internationalen Klimazielen angeschlossen. Der Handlungsdruck ist groß: In der Region finden sich einige der am meisten durch den Klimawandel gefährdeten Regionen rund um den Globus. Gleichzeitig bieten viele der Mitgliedsländer hervorragende Voraussetzungen für die Nutzung alternativer Energiequellen wie eine starke Sonneneinstrahlung und hohe Windstärken.
Der Energiebedarf wächst aufgrund der dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung in der ASEAN. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll in den nächsten zehn Jahren um durchschnittlich mehr als 5 Prozent per annum steigen. Die junge und in Teilen noch wachsende Bevölkerung benötigt künftig mehr Strom. Neben der Industrieproduktion wird auch der geplante massive Ausbau von Datenzentren in mehreren Ländern die Nachfrage nach oben schrauben.
Strombedarf zieht deutlich an
Nach Einschätzung des ASEAN Centre for Energy (ACE) dürfte der Energiebedarf in Südostasien bis 2050 mehr als das 2,6-Fache des Vergleichswerts von 2022 betragen. Der Anteil der erneuerbaren Energien an den Stromerzeugungskapazitäten in der ASEAN-Region soll gemäß den individuellen Zielen der einzelnen Mitgliedstaaten bis 2050 auf insgesamt knapp 70 Prozent erhöht werden. Im Jahr 2022 lag der Anteil bei nahezu 34 Prozent und damit über dem globalen Durchschnitt von rund 30 Prozent. Entsprechende Projekte müssen künftig aber rascher umgesetzt werden.
Die Geschäftschancen beim Ausbau der erneuerbaren Energien in der ASEAN sind beachtlich. Im Jahr 2023 stiegen die Investitionen in grüne Technologien zur Förderung der Energiewende in Südostasien um 20 Prozent. Gemäß Untersuchungen der singapurischen Investmentgesellschaft Temasek beliefen sich die Ausgaben auf 6,3 Milliarden US-Dollar (US$). Laut dem "Southeast Asian Energy Outlook" der Internationalen Energieagentur (IEA) müssten die Investitionen in erneuerbare Energien bis 2035 aber kumuliert 190 Milliarden US$ erreichen, damit die Region ihre Klimaziele erreichen kann.
Verschiedene Wege sollen zu ambitionierten Zielen führen
Die einzelnen Länder haben ganz unterschiedliche Voraussetzungen für die Nutzung regenerativer Energiequellen und sich daher auch individuelle Ziele gesetzt: In Thailand soll der Anteil erneuerbarer Energien an den gesamten Erzeugungskapazitäten bis 2037 von derzeit 10 auf 34 Prozent steigen. Noch ist Gas mit einem Anteil von über 50 Prozent der wichtigste Energieträger bei der Stromerzeugung, gefolgt von Kohle und Wasserkraft. Gemäß dem Power Development Plan (PDP) der Regierung sollen bis 2037 ungefähr 1,5 Gigawatt Windkraftanlagen hochgezogen werden. Potenzial für die Energiegewinnung aus Wind gibt es vor allem im Nordosten und Süden des Landes. Deutsche Firmen liefern vor allem hochwertige Komponenten zu.
Günstige natürliche Voraussetzungen für Erneuerbare
Die Philippinen gelten laut einem Bloomberg-Report unter den Schwellen- und Entwicklungsländern als viertattraktivste Destination weltweit für Investitionen im Bereich alternativer Energien. Der Archipel verfügt über sehr gute natürliche Voraussetzungen wie etwa eine hohe Sonneneinstrahlung und geothermische Aktivitäten. Erneuerbare Energien sollen dort bis 2030 rund 35 Prozent zur Stromerzeugung beitragen, bis 2040 sogar 50 Prozent. Derzeit liegt der Anteil bei knapp 30 Prozent. Die Hälfte der zusätzlichen Kapazitäten soll sich aus Solarkraft speisen.
Offiziellen Schätzungen zufolge sind bis 2040 Investitionen von bis zu 120 Milliarden US$ zur Umsetzung der Energieziele nötig. Deutsche Firmen sind bereits in den Bereichen Solar- und Windkraft vor Ort aktiv. Gute Geschäftschancen gibt es nach Einschätzung von Unternehmensvertretern bei Offshore-Wind, Stromspeicherung, Netzplanung, Systemintegration, Mess- und Steuerungstechnik, Energieeffizienz, Biomasse und Gebäudetechnik.
Auch Vietnam bietet mit hoher Sonneneinstrahlung im Süden und exzellenten Windverhältnissen an der Küste sehr gute Bedingungen für erneuerbare Energien. Ihr Anteil an der installierten Kapazität soll bis 2050 von 56 Prozent auf 67 bis 69 Prozent ausgebaut werden. Bis 2030 sind 24 Gigawatt zusätzliche Windkraftkapazitäten geplant, ebenso 1,4 Gigawatt Erzeugungskapazität aus Solarenergie, fast 2 Gigawatt aus Biomasse und knapp 10 Gigawatt aus Wasserkraft. Bis 2040 müssen nach Schätzungen der Regierung bis zu 120 Milliarden US$ investiert werden, um die Umsetzung der Energieziele zu ermöglichen. Deutsche Firmen sind vor allem im Bereich Windkraft aktiv.
In Malaysia gibt es in Teilen gute Voraussetzungen für erneuerbare Energien, etwa bei Wasser- und Solarkraft, allerdings sind die Windstärken gering. Die Regierung will die grünen Erzeugungskapazitäten bis 2035 auf 15 Gigawatt vervierfachen. Derzeit liegt der Anteil bei rund 13 Prozent und soll dann mehr als 35 Prozent betragen. Für internationale Firmen dürften sich künftig vor allem Geschäftschancen in den Bereichen Stromspeicherung, Netzplanung, Energieeffizienz und Gebäudetechnik ergeben.
Indonesiens Abhängigkeit von Kohle ist ungebrochen
In Indonesien hingegen verharrt der Anteil der Erneuerbaren seit vielen Jahren bei rund 13 Prozent. Kohle ist im Land im Überfluss vorhanden, und die Extraktionskosten im Tagebau sind gering. Die neue Regierung um Präsident Prabowo Subianto will allerdings nach Angaben in den lokalen Medien einen Schwerpunkt auf grüne Energien setzen. Dabei soll Investoren bis 2035 die Umsetzung von Projekten in einer Größenordnung von insgesamt bis zu 75 Gigawatt angeboten werden.
Singapur nimmt in Südostasien beim Thema Klima und Energie eine Sonderrolle ein. Der Strombedarf vor Ort wird zu einem überwiegenden Teil aus importiertem Gas gedeckt. Denn für die Produktion aus erneuerbaren Energien sind die Möglichkeiten im Stadtstaat aufgrund geringen Raums und niedriger Windstärken begrenzt.
Wo Sonne ist, gibt es auch Schatten
Trotz der ambitionierten politischen Ziele sind die Maßnahmen in Richtung einer dezidierten Energiewende in einigen der Länder bislang recht verhalten angelaufen. Zum Teil fehlen übergreifende Gesamtstrategien wie auch ein klar definierter Rechtsrahmen. Ebenso stehen bürokratische Hürden einer schnelleren Verbreitung von alternativen Stromquellen im Weg. Experten befürchten zudem, dass die massiven geplanten Gasprojekte in der Region einer intensiveren Nutzung von Erneuerbaren das Wasser abgraben könnten. Deutschen Herstellern macht insbesondere die starke und preisgünstige Konkurrenz aus China - vor allem im Solarbereich - zu schaffen.
Die IEA sieht in den mangelnden Finanzierungsmöglichkeiten vor Ort eine der größten Hürden für den Ausbau erneuerbarer Energien. Ebenso müsse die regionale Zusammenarbeit verbessert werden. Der Aufbau eines übergreifenden und integrierten Stromnetzes steht zwar seit Jahren auf der Agenda, kommt bisher jedoch noch nicht so richtig ins Rollen. Bilaterale Initiativen und Abkommen stehen diesbezüglich noch im Vordergrund der Aktivitäten. Doch vor allem Singapur will ein regional integriertes Stromnetz vorantreiben, um seine Versorgung mit Strom aus regenerativen Energien für die Zukunft abzusichern. Die ASEAN-Länder dürften künftig stärker auf Smart-Grid-Lösungen setzen, um ihre Klimaziele zu erreichen, ebenso wie auf andere Maßnahmen zu Steigerung der Energieeffizienz.