Branche kompakt | Brasilien | Kfz-Industrie
Branchenstruktur
Die brasilianische Kfz-Industrie ist im Aufwind. Das Förderprogramm "Mover" treibt die Investitionen auf Rekordhöhen. Auch chinesische Marken bauen auf den Standort.
01.04.2025
Von Gloria Rose | São Paulo
In Zeiten der Unsicherheit für die Kfz-Industrie in Europa und den USA bietet Brasilien Vorhersehbarkeit. Das 2024 gestartete Förderprogramm "Mover", die robuste Nachfrage auf dem Binnenmarkt und höhere Steuern auf importierte E-Autos animieren den Sektor.
Für 2025 prognostiziert der Herstellerverband Anfavea einen Anstieg der Produktion um 7,8 Prozent auf 2,7 Millionen Fahrzeuge. Beim Export erwartet er ein Plus von 6,2 Prozent, bei den Neuzulassungen einen Anstieg um 5,6 Prozent. Auch die Produktion von Motorrädern soll weiter zunehmen. Der Verband Abraciclo geht von einem Zuwachs um 7,5 Prozent auf 1,9 Millionen Stück aus.
Im Jahr 2024 steigerten Brasiliens Kfz-Hersteller die Produktion um 9,7 Prozent auf 2,55 Millionen Fahrzeuge, also nicht ganz so stark wie das Marktwachstum von 14,1 Prozent. Bei Pkw legte die Produktion "nur" um 6,3 Prozent zu. Anders als der Verkauf, der sich nahezu von der Coronakrise erholt hat, liegt die Produktion noch um 13 Prozent unter dem Niveau von 2019. Gründe hierfür sind auch der 2024 deutlich gestiegene Import sowie der rückläufige Export.
Kfz-Bauer spüren zunehmende Konkurrenz aus China
Chinesische Autobauer sind weltweit auf dem Vormarsch. Auch in Brasilien gewinnen sie mit ihren günstigen E-Autos Marktanteile, zu Lasten der lokalen Hersteller. Im Jahr 2024 machten Importwagen bereits 17,7 Prozent der Neuzulassungen aus, 2,5 Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.
Gleichzeitig ging der Export brasilianischer Kfz nach Mexiko, Chile und Peru stark zurück. Auch dort sind Hersteller aus China auf der Überholspur. Immerhin erholte sich die Nachfrage aus Argentinien, Brasiliens wichtigstem Exportmarkt für Kfz, sowie aus Uruguay. Insgesamt exportierte Brasilien 1,3 Prozent weniger Fahrzeuge als 2023.
Es wird sich zeigen, ob sich die chinesischen Marken im brasilianischen Markt etablieren. Die Hersteller Great Wall Motors (GWM) und BYD setzen auf die Produktion vor Ort. GWM übernahm 2021 das Mercedes-Benz-Werk in Iracemápolis (São Paulo) und BYD die ehemalige Ford-Fabrik in Camaçari (Bahia).
BYD sieht Brasilien als strategisch wichtigsten Auslandsmarkt und investiert auch in den Ausbau der Batterieproduktion für E-Busse in der Freihandelszone Manaus im Bundesstaat Amazonas. GWM besetzt derzeit 700 Stellen und will die Produktion in Iracemápolis im Mai 2025 aufnehmen. Zuletzt verkündete GAC im Dezember 2024 ein strategisches Interesse am Land. Chinas fünftgrößter Automobilkonzern will Brasiliens Kfz-Industrie "revolutionieren".
"Mover" setzt Investitionszyklus in Gang
Im Zuge der weltweiten Neuausrichtung des Kfz-Sektors hat Brasilien in den vergangenen Jahren an Bedeutung verloren. Stellantis, Toyota und Mercedes-Benz verschlankten die Produktion, Ford zog sich 2021 ganz aus dem Land zurück. Das Förderprogramm "Mover" leitet nun die Kehrtwende ein. Rund 3,8 Milliarden US-Dollar (US$) stellt der Staat bis 2027 in Form von Steueranreizen für Forschung und Entwicklung (F&E) bereit. Seit Bekanntmachung des Programms Ende 2023 kündigte die Kfz- und Kfz-Teile-Industrie Investitionen von rund 25 Milliarden US$ an. Im Laufe des Jahres 2024 stieg die Beschäftigung um 8,3 Prozent. Rund 8.000 neue Stellen entstanden.
Im Laufe des Jahres 2024 qualifizierten sich 154 Unternehmen mit ihren F&E-Projekten für die Steueranreize, darunter zahlreiche deutsche Hersteller wie Volkswagen, Mercedes-Benz do Brasil (Lkw und Busse), Volkswagen Truck & Bus sowie die Kfz-Zulieferer Bosch, Mahle, Continental, Edscha, Jost, Maxion Wheels, SMR Automotive und andere.
Förderprogramm Mover setzt neue Impulse für einen grünen Verkehrssektor
Mover steht für "Mobilidade Verde e Inovação" (Grüne Mobilität und Innovation). Brasilien will bei der Dekarbonisierung des Verkehrs weltweit zu den Vorreitern gehören. Wie bei den Vorgängerprogrammen "InovarAuto" und "Rota 2030" sollen neue Kfz bis 2030 nur noch halb so viel CO2 ausstoßen.
Neu ist:
- Mover berücksichtigt den kompletten Energiezyklus, um die Emissionen möglichst korrekt abzubilden. Demnach wird auch der Transport von Kraftstoffen sowie der Anbau von Zuckerrohr für Bioethanol betrachtet.
- Ab 2027 zählen die Schadstoffemissionen entlang des kompletten Produktlebenszyklus, von der Produktion über den Betrieb bis zur Entsorgung des Kfz; ein Mindestrecyclinganteil ist vorgesehen.
- Neu ist auch die Option, gebrauchte Fertigungslinien zu importieren, um die Produktion, beispielsweise von Verbrennern aus den USA und Europa, möglichst kostengünstig nach Brasilien zu verlagern.
Akteur | Vorhaben | Investitionssumme (in Mio. US$) *) | Zeitraum | Projektstand/Anmerkungen |
---|---|---|---|---|
Stellantis-Gruppe (Fiat, Jeep, Citroën, Peugeot und Ram) | Modernisierung der Produktionslinien und Ausbau der Motorenproduktion für Hybrid-Technologie auf Ethanol-Basis (Bio-Hybrid) + Markteinführung von 40 neuen Modellen und 8 Powertrains | 5.576 davon 47% in Betim (Minas Gerais), 43% in Goiana (Pernambuco) und 10% in Porto Real (Rio de Janeiro) | 2025 bis 2030 | Ankündigung im März 2024; im Januar 2024 erwarb Stellantis das brasilianische Unternehmen DPaschoal und ist damit nun der größte Kfz-Teile-Distributor in Lateinamerika |
Toyota | Neuer Produktionskomplex für Hybridmodell mit Flex Fuel-Antrieb + Batterieproduktion in Sorocaba (São Paulo) | 2.045 davon 45% bis 2026 | 2024 bis 2030 | Ankündigung des neuen Investitionsplans bis 2030 im März 2024; Umsiedlung der Produktion der bisherigen Fertigungsstätte in Indaiatuba (São Paulo) soll bis Ende 2026 erfolgen |
Great Wall Motors (GWM) | Modernisierung des ehemaligen Werks von Mercedes-Benz in Iracemápolis (São Paulo) zur Produktion von Kfz mit Elektro- und Hybrid-Antrieb | 1.859 | 2022 bis 2032 | 700 Stellen im Februar 2025 ausgeschrieben; Eröffnung des Werks ist für Mai 2025 geplant, Produktionsbeginn für das 2. Halbjahr 2025 |
Volkswagen | Markteinführung von 16 Modellen, davon 4 komplett neue Anfertigungen in São Bernardo do Campo und Taubaté (São Paulo) sowie in São José dos Pinhais (Paraná), in einen neuen Motor für hybride Kfz und in die Plattform MQB Hybrid | 1.673 | 2026 bis 2028 | Ankündigung im Februar 2024: VW verdoppelt bisherigen Investitionsplan |
General Motors (Chevrolet) | Modernisierung der Werke, Markteinführung von 10 neuen Modellen und Dienstleistungen mit dem Fokus auf nachhaltige Mobilität | 1.301 davon 79% im Staat São Paulo (Fabriken in São Caetano do Sul und São José dos Campos sowie Kfz-Teile-Fabrik in Mogi), 17% in Gravataí (Rio Grande do Sul) und 4% in Motorenfabrik in Joinville (Santa Catarina) | 2024 bis 2028 | Ankündigung im Januar 2024 |
BYD | Modernisierung des ehemaligen Ford-Werks in Camaçari (Bahia) zur Produktion von 150.000 E-Autos pro Jahr sowie Eröffnung eines Forschungszentrums | 1.022 | 2023 bis 2026 | Ankündigung im Juli 2023; Produktion soll im 1. Halbjahr 2025 starten, Inbetriebnahme ist für März 2025 geplant; späterer Ausbau der Kapazität auf 300.000 Kfz pro Jahr |
Hyundai | Modernisierung des Produktionskomplexes in Piracicaba (São Paulo) mit dem Fokus auf neue Antriebstechnologien: Hybrid, Elektro und Wasserstoff | 1.100 | 2024 bis 2032 | Ankündigung im Februar 2024 |
GAC | Markteinführung von 5 Modellen pro Jahr, Produktion vor Ort soll möglichst schon 2025 starten | 1.000 | k.A. | Ankündigung im Dezember 2024, F&E-Partnerschaft mit den Universitäten UFSM (Rio Grade do Sul), UFSC (Santa Catarina) und Unicamp (São Paulo) zur Entwicklung von Hybrid-Flex-Technologie; Standortsuche läuft |
Honda | Produktion von zwei neuen Modellen in Itirapina (São Paulo), davon ein Hybrid flex; ausgehend von derzeit 80.000 Kfz pro Jahr soll sich die Fertigung bis 2030 verdoppeln | 781 | 2024 bis 2030 | Ankündigung im April 2024 |
Mitsubishi (HPE Automotores) | Modernisierung des Werks in Catalão (Goiás) zur Entwicklung von Hybrid-Flex-Technologien | 743 | 2025 bis 2032 | Ankündigung im April 2024 |
Auch Brasiliens Kfz-Zulieferer investieren
Brasiliens Kfz-Zulieferer bewerten den Markteintritt von GWM positiv. Denn der Konzern baut bereits ein inländisches Netzwerk auf, das die Produktion in Iracemápolis ab dem 2. Halbjahr 2025 beliefern soll.
Im Jahr 2024 erwirtschaftete die Kfz-Zulieferbranche einen Umsatz von 47,7 Milliarden US$, rund 7 Prozent mehr als im Vorjahr. Rund 63 Prozent des Umsatzes entfiel auf Zulieferungen an Kfz-Hersteller, 21 Prozent auf den stark wachsenden Ersatzteilmarkt und der Rest auf Exportmärkte und andere Branchen. Für das Jahr 2025 erwartet der Verband der Kfz-Zulieferer Sindipeças ein reales Wachstum der Umsätze um 4 Prozent.
In Erwartung der zunehmenden Nachfrage steigert die Branche die Investitionen, 2024 um 10 Prozent und 2025 voraussichtlich um weitere 3,1 Prozent auf 1,2 Milliarden US$. Die Zulieferer erweitern ihre Produktionskapazitäten für den Inlandsmarkt und erschließen ausländische Zielmärkte. Sindipeças sieht gute Chancen dafür, dass sich Brasilien zu einem Exportstandort für Hybrid-Flex-Technologie entwickelt.
Brasilien importiert heute deutlich mehr Kfz-Teile als vor der Coronakrise. Im Jahr 2024 stieg der Import von Kfz-Teilen um 11,5 Prozent auf einen Rekordwert von 20,9 Milliarden US$. Weil der Export um 12,9 Prozent zurückging, legte das Handelsdefizit des Sektors um 34 Prozent zu. Deutschland ist nach China und den USA das drittwichtigste Lieferland. Wichtigste importierte Kfz-Teile sind Schaltgetriebe, Getriebegehäuse und Karosserieteile.
2023 | Veränderung 2023/2022 | aus Deutschland | |
---|---|---|---|
SITC 778.3 Kfz-Elektrik | 1.002 | -5,6 | 65 |
SITC 784 Karosserien, Stoßstangen etc. | 7.712 | -7,2 | 739 |
SITC 773.13 Zündkabelsätze | 457 | 5,3 | 17 |
SITC 713.2 Motoren | 1.069 | -6,1 | 62 |
Summe | 10.240 | -6,5 | 888 |