Der konjunkturelle Aufschwung in Polen erfasst den Fahrzeugmarkt. Fast alle Sparten liegen beim Absatz im Plus. Gleichzeitig steht eine neue Steuer vor dem Aus.
Polens Pkw Markt befindet sich im Aufwind. Nachdem der Branchenverband PZPM (Polski Związek Przemysłu Motoryzacyjnego) bereits 2023 ein Plus von 13,2 Prozent bei den Neuzulassungen registrierte, beginnt auch das neue Jahr aus Sicht der Hersteller erfreulich. Im 1. Quartal 2024 lagen die Erstanmeldungen um fast 13 Prozent über dem Vorjahresniveau.
Es gibt aber einen Wermutstropfen. Polen kommt bei der Zahl der Neuzulassungen weiterhin nicht an das Vor-Corona-Niveau heran. Laut Prognosen der Automobildenkfabrik Samar wird sich dieser Umstand auch 2024 nicht ändern. Die Experten rechnen mit 515.000 Erstanmeldungen. Das entspräche einem Plus von 8,4 Prozent gegenüber 2023, wäre aber immer noch knapp ein Zehntel weniger als 2019.
85
%
der Produktion von Polens KFZ-Industrie geht in den Export.
Wirtschaftlicher Aufschwung hilft auch deutschen Herstellern
Fallende Zinsen für Leasingverträge und steigende Umsätze von Unternehmen treiben das Wachstum. Eine solide Auftragslage in der Industrie ist wichtig für den Fahrzeugmarkt, weil gewerbliche Abnehmer die größte Kundengruppe von Pkw sind. Geht es den Betrieben gut, bestellen sie mehr Firmenwagen. Privatpersonen sind in Polen hingegen nur für etwas mehr als ein Viertel aller neuen Zulassungen verantwortlich.
Das Premiumfahrzeugsegment profitiert besonders deutlich. Unter den zehn absatzstärksten Autoherstellern in Polen wuchs 2023 kein Unternehmen so schnell wie Audi. Der Platzhirsch nach Neuzulassungen bleibt aber Toyota. Der japanische Hersteller setzte rund dreiviertel mehr Fahrzeuge ab als Polens zweitbeliebteste Automarke Skoda.
Die Verkaufszahlen von leichten Nutzfahrzeugen mit einem Gewicht bis 3,5 Tonnen steigen ebenfalls. Das Nachfrageplus hängt auch mit der Expansion von Kurierdienstleistern zusammen. Polens größter Paketzusteller InPost lieferte 2023 über 20 Prozent mehr Sendungen aus als noch im Vorjahr. Um weiter zu wachsen, braucht das Unternehmen mehr Fahrzeuge.
Der Absatz von Lkw bricht hingegen zum Jahresauftakt 2024 um 16 Prozent ein. Logistikfirmen klagen, dass ukrainische Anbieter ihnen Konkurrenz machen. Große Spediteure, wie DHL Polska, Rohlig Suus Logistics oder DSV erwarten außerdem neue Informationen bezüglich einer geplanten Kaufprämie für Lkw mit Elektroantrieb. Der staatliche Umweltfonds NFOŚiGW (Narodowy Fundusz Ochrony Środowiska i Gospodarki Wodnej) berät seit Februar 2024 einen entsprechenden Entwurf.
Wachsender Markt zieht asiatische Hersteller an
Nachdem die Europäische Kommission im Februar 2024 wichtige EU-Fördergelder freigegeben hat, hoffen auch die Bushersteller in Polen auf neue Zuschussprogramme. Öffentliche Fördermaßnahmen haben mit dazu beigetragen, dass emissionsfreie und emissionsarme Fahrzeuge im Jahr 2023 auf einen Marktanteil von knapp 30 Prozent an allen Neuzulassungen kamen.
Gut für die Bushersteller: Nach einem schwachen Jahr 2022 legte der Fahrzeugabsatz zwischen Januar und Dezember 2023 um 59 Prozent zu. Der Verkauf rein elektrisch betriebener Fahrzeuge entwickelte sich 2023 sogar doppelt so schnell wie der Markt. Wie PZPM berichtet, konnte Mercedes-Benz seine modellübergreifenden Verkaufszahlen um 73 Prozent steigern und landete damit auf Platz 1 der beliebtesten Bus-Hersteller, vor dem polnisch-spanischen Unternehmen Solaris.
Gleichzeitig drängen neue Konkurrenten aus Asien in den Busmarkt. Der chinesische Hersteller Yutong setzte im Jahr 2023 in Polen mehr als sechsmal so viele Fahrzeuge ab wie im Vorjahr – allerdings von einem niedrigen Ausgangsniveau. Europäische Hersteller müssen sich dauerhaft auf mehr Wettbewerb einrichten. Im März 2024 bestellten die Verkehrswerke von Warschau ZMT (Zarząd Transportu Miejskiego) 18 weitere Yutong-Elektrobusse. Zum Kundenkreis des chinesischen Busbauers gehören mittlerweile 20 Städte und Gemeinden in Polen.
Chinesische Produzenten nehmen auch den Pkw-Markt ins Visier. Ab Juni 2024 startet der Verkauf des Herstellers Chery Automobile. Bereits seit Dezember 2023 bietet der SAIC-Konzern seine Modelle in Polen an. Noch spielen die Autos aus China aber keine große Rolle in den Absatzzahlen am polnischen Fahrzeugmarkt.
Pkw-Neuzulassungen nach Herstellern in Polen(Stückzahl in Tausend; Marktanteil und Veränderung in Prozent)Hersteller | Stückzahl | Veränderung 2023/2022 | Marktanteil 2023 |
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Toyota | 91,2 | +23 | 19,2 |
Skoda | 51,5 | +22 | 10,8 |
Kia | 36,1 | +7 | 7,6 |
Volkswagen | 33,9 | +10 | 7,1 |
Hyundai | 26,9 | 0 | 5,7 |
Audi | 26 | +35 | 5,5 |
BMW | 23,2 | -2 | 4,9 |
Quelle: PZPM 2024
Neuer Anlauf bei Umweltzonen
Ein Problem bleibt das hohe Alter der Pkw-Flotte in Polen. Laut dem europäischen Automobilverband ACEA (Association des Constructeurs Européens d'Automobiles) liegt es bei durchschnittlich 14,9 Jahren. Nur auf den Straßen im Baltikum und in Griechenland sind noch ältere Fahrzeuge unterwegs. Weil alte Pkw viel Feinstaub ausstoßen, führt Warschau zum 1. Juli 2024 eine Umweltzone ein. Dieselfahrzeuge, die älter als 18 Jahre sind, und Benziner, die älter als 27 Jahre sind, dürfen dann nicht mehr in die Innenstadt fahren. Die Altersgrenzen sinken im Laufe der kommenden Jahre. Andere Städte, wie zum Beispiel Wrocław, folgen dem Beispiel.
Eigentlich stand Krakau kurz davor, die erste Umweltzone in Polen einzuführen. Doch ein Gericht kippte die Entscheidung des Stadtrates, weil die Grenzen der Umweltzone ungenau definiert waren. Die Stadtverwaltung hat angekündigt, die betroffenen Dokumente zu überarbeiten und erneut einzureichen.
Polens neue Regierung will außerdem keine zusätzlichen Steuern und Gebühren für die Halter von Verbrenner-Pkw einführen. Eigentlich müsste das Land ab 2025 entsprechende Abgaben erheben, um Zugriff auf weitere EU-Gelder zu erhalten. Die Maßnahme soll emissionsfreie Antriebe fördern. Elektrofahrzeuge wären nämlich von den Zahlungen befreit. Doch die zuständige Ministerin Katarzyna Pełczyńska-Nałęcz kündigte im sozialen Netzwerk X (ehemals Twitter) an, man werde mit der Europäischen Kommission über diesen Punkt verhandeln. Die Zusatz-Abgaben sind Teil eines Vertrags zwischen Polen und Brüssel.
Ungebrochen hoch scheint unterdessen das Interesse an ausländischen Gebrauchtfahrzeugen zu sein. Für jeden neu zugelassenen Pkw importierten polnische Kunden und Händler im Jahr 2023 mehr als anderthalb gebrauchte Modelle. Dieses Verhältnis bleibt seit Jahren konstant.
Von Christopher Fuß
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Warschau