Die Lage in der slowakischen Bauwirtschaft verbessert sich. Dazu tragen Renovierungen und der Ausbau der Infrastruktur bei. Der Staat will den Bau von Wohnungen ankurbeln.
In der ersten Jahreshälfte 2024 blieb das Baugeschehen in der Slowakei hinter der allgemeinen Konjunkturentwicklung zurück. Von Januar bis August 2024 lag das Volumen der Bauproduktion mit 4 Milliarden Euro real um 6 Prozent unter dem Vorjahreswert. Besonders stark waren die Arbeiten im Tiefbau zurückgegangen (-11 Prozent), während die Entwicklung bei Sanierungen und Renovierungen nahezu stabil war.
Das lag zum Teil auch am hohen Basiswert, denn 2023 war ein Rekordjahr: Die Bauleistungen im Inland erreichten einen Wert von 6,7 Milliarden Euro.
Für 10,5
Monate
reichte das durchschnittliche Auftragsvolumen im Herbst 2024.
Nach dem schwachen Baugeschäft zu Jahresbeginn gab es im Frühherbst 2024 erste Anzeichen für einen Aufschwung. Bei der monatlichen Stimmungsumfrage des Statistikamtes gaben im September 44 Prozent der slowakischen Baufirmen an, dass sie eine steigende Bauaktivität erwarten. Nur 10 Prozent sehen eine Verschlechterung. Im Durchschnitt hatten die Branchenvertreter Aufträge für 10,5 Monate in den Büchern (Vorjahr: 9,8 Monate).
Auffallend ist, dass die Lage im Wohnungsbau weitaus schlechter bewertet wird als im Tiefbau. Das hängt mit den gestiegenen Zinsen zusammen. Laut slowakischer Nationalbank NBS lag der durchschnittliche Zinssatz für neue Immobilienkredite im August 2024 bei 4,2 Prozent. Im August 2023 betrug er 4 Prozent. Zugleich sinken die Preise für Wohnimmobilien. Mit derzeit rund 2.500 Euro je Quadratmeter liegen sie etwa auf dem Niveau von Anfang 2022.
Gesetz soll Infrastrukturbau beschleunigen
Neue Bauprojekte gibt es in der Slowakei sowohl im Tiefbau als auch im Hochbau. Für den Ausbau der Infrastruktur will die Regierung das im Sommer 2024 verabschiedete Gesetz für strategische Investitionen nutzen. Es soll helfen, Genehmigungsprozesse wie die Umweltverträglichkeitsprüfung, Flächennutzungsplanung und Baurecht bei Projekten ab einem Investitionswert von 50 Millionen Euro zu beschleunigen. Das Gesetz ermöglicht es, Grundstückseigentümer entlang des Streckenverlaufs einfacher zu enteignen - bei entsprechender Entschädigung. Im Anhang zu dem Gesetz sind 56 Autobahn- und Schnellstraßenabschnitte genannt, die unter die Regelung fallen könnten; außerdem 35 Eisenbahntrassen und der Ausbau der Donau als Transportweg.
Eines der teuersten Vorhaben wird die Fertigstellung der Autobahn D1 am Bauabschnitt Turany-Hubová. Die 13,5 Kilometer lange Strecke wird bis November 2024 ausgeschrieben und soll rund 1,8 Milliarden Euro kosten. Sie besteht aus zwei großen Tunneln und elf Brücken. Weitere anstehende Autobahnprojekte sind Abschnitte an der D3 zwischen Žilina und der polnischen Grenze, an der Schnellstraße R4 von Prešov zur polnischen Grenze sowie an der Schnellstraße R2 zwischen Zvolen und Lučenec.
Ein größeres Infrastrukturprojekt ist am Hafen Bratislava geplant. Der staatliche Betreiber will dort ab 2025 rund 180 Millionen Euro in die Sanierung des Fracht- und Passagierterminals sowie der Bahnanschlüsse investieren. Ein privates Unternehmen, Win-Port Invest, kündigte an, in der Nähe ein neues Hafenbecken mit 14 Kränen und Anlegeplätzen für über 20 Schiffe errichten zu wollen.
Das langfristig größte Bauprojekt in der Slowakei wird aber der Bau eines neuen Atommeilers am Standort Jaslovské Bohunice. Dafür erarbeitet die Regierung zurzeit ein Konzept zur Finanzierung und technischen Machbarkeit. Der Reaktor mit einer geplanten Leistung von 1.200 Megawatt würde rund 5 Milliarden Euro kosten. Mit einem Baubeginn wird allerdings nicht vor 2030 gerechnet.
Neue Hochhäuser für Bratislava
Der Bau von Wohn- und Geschäftshäusern legt vor allem in Bratislava wieder zu. Projektentwickler haben hier mehrere Großvorhaben in der Pipeline. Dabei geht es um Hochhäuser mit Hotels, Wohnraum und Büros im Stadtteil Nové Mesto und im Hochhausviertel Nivy. Neue Höhenrekorde will J&T Real Estate aufstellen und zwei Wolkenkratzer nahe der Donau mit einer Höhe von 180 und 260 Metern bauen. Im Stadtteil Karlova Ves plant der Softwarekonzern Eset ein völlig neues Quartal mit Büros, Sporteinrichtungen und Wohnflächen. Der Developer Penta Real Estate kündigte an, Wohnheime für Studierende zu bauen.
Auch im Osten des Landes, in der zweitgrößten Stadt Košice, sind neue Wohngebiete geplant. Dort baut Volvo zurzeit eine große Autofabrik, was den Bedarf an Wohnraum erhöht. Die Stadt hat den Bebauungsplan erneuert und Platz für 23.000 Wohnungen ausgewiesen. Allerdings sind dort im Unterschied zur Hauptstadt eher kleinere Wohngebäude und Eigenheimsiedlungen geplant.
Bei Wohnraum Schlusslicht in Europa
Wohnraum in der Slowakei ist knapp. Mit nur 370 Wohnungen je 1.000 Einwohnern ist das Land Schlusslicht in Europa (EU-Durchschnitt: 490). Besonders in der Ostslowakei fehlen Unterkünfte. Die Konzeption für die Wohnungspolitik bis 2030 wurde noch von der Vorgängerregierung erstellt. Sie zielt darauf, mehr öffentlich geförderten Wohnraum zu bauen und den Mietmarkt zu entwickeln. Dafür sollen Genehmigungsverfahren beschleunigt und Anreize für private Investitionen geschaffen werden. Der Staat will die Sanierung von Gebäuden zur Schaffung von Wohnraum unterstützen und ungenutzte Gebäude oder Grundstücke bereitstellen. Zinsgünstige Kredite zahlt der Wohnungsbaufonds ŠFRB aus.
Die aktuelle Regierung unter Premierminister Robert Fico will diese Politik laut Regierungsprogramm fortsetzen. Für die energetische Gebäudesanierung sollen Einnahmen aus Emissionsrechten und aus dem Modernisierungsfonds genutzt werden.
Marktvolumen der Bauwirtschaft in der SlowakeiIn Millionen Euro; Veränderung in ProzentKennziffer | 2022 | 2023 | Veränderung 2023/2022 |
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Wert der Bauinvestitionen insgesamt, davon | 6.707 | 7.456 | 11,2 |
Gebäudebau | 4.148 | 4.436 | 6,9 |
Wohnungsbau | 1.754 | 1.809 | 3,1 |
Anzahl der fertiggestellten öffentlichen Wohnungen | 218 | 251 | 15,1 |
Anzahl der fertiggestellten privaten Wohnungen | 20.002 | 20.640 | 3,2 |
Wirtschaftsbau | 2.393 | 2.628 | 9,8 |
Infrastrukturbau | 1.848 | 2.270 | 22,8 |
im Ausland | 711 | 750 | 5,5 |
Wert der erbrachten Ingenieur-, Architektur- und Consultingleistungen | 2.231 | 2.367 | 6,1 |
Quelle: Slowakisches Statistikamt 2024; Berechnungen von Germany Trade & Invest
Chancen bei der Denkmalsanierung
Für deutsche Handwerksbetriebe ergeben sich Marktnischen vor allem beim hochwertigen Innenausbau von Wohn- und Bürogebäuden im Großraum Bratislava. Außerdem bietet die Denkmalsanierung Möglichkeiten für Kooperationen. Das slowakische Ministerium für Regionalentwicklung kündigte im September 2024 ein Programm zur Rekonstruktion historischer Gebäude und Kulturdenkmäler an. Dafür sollen 260 Millionen Euro aus EU-Fonds abgeschöpft werden.
Ausgewählte Großprojekte der Bauwirtschaft in der SlowakeiIn Millionen EuroAkteur / Projekt | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
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Immocap / Nový Istropolis in Bratislava | 250 | Bau begonnen; Fertigstellung für Ende 2026 geplant | Neuer Stadtteil mit Büros, Wohnungen, Läden, Dienstleistungen, Gastronomie und Kulturzentrum |
Top Estates / Portum Towers in Bratislava | 176 | Fertigstellung für 2027 geplant | Zwei Hochhäuser mit Wohnungen, Parkanlage |
Eset / Eset Campus in Bratislava | 150 | Baubeginn für 2025 geplant | Neues Hauptquartier für den Softwarekonzern Eset, weitere drei Gebäude für Unternehmen, Startups, Dienstleistungen, Wohnungen |
Alto Real Estate / Sky Park Tower in Bratislava | k.A. | Bau begonnen; Fertigstellung für 2026 geplant | Bürogebäude mit Wohnungen |
Vydrica Development / Vydrica in Bratislava | k.A. | Bau begonnen; Fertigstellung der ersten Etappe Ende 2024; zweite Etappe in Vorbereitung | Wohnungen, Büros, Läden, Denkmalsanierung |
Finep / Jégého Alej V mit Danubius Two in Bratislava | k.A. | Erste Etappe läuft; Abschluss der zweiten Etappe für 2027 geplant | Drei Gebäude mit Wohnungen und ein Hochhaus mit Wohnungen und Büros, Denkmalsanierung |
J&T Real Estate / Downtown Yards in Bratislava | k.A. | Fertigstellung für Ende 2026 / Anfang 2027 geplant | Mehrere Gebäude und ein Hochhaus mit Wohnungen, Läden, Dienstleistungen, Gastronomie, Kino, Sportanlage, Parkanlage |
Intrade Assets Management / Aquamarine in Bratislava | k.A. | In Vorbereitung; Baugenehmigung beantragt | Wohnungen und Hotelzimmer, Tunnel unter der Eisenbahnstrecke, Läden und Dienstleistungen |
Cresco Real Estate und Wood & Company / Lakeside Park in Bratislava | k.A. | 3. Etappe; noch nicht alle Genehmigungen liegen vor | Hotelbau, Wohnungen, Gastronomie, zwei Wolkenkratzer |
EHQ / EHQ Multifunctional Complex in Mlynské Nivy in Bratislava | k.A. | Tochter von Immocap; noch nicht alle Genehmigungen liegen vor | Sitz und Büros für Stromversorger ZSE, Wohnungen, Gastronomie, Kundenzentrum |
Quelle: Pressemeldungen 2024; Recherchen von Germany Trade & Invest 2024.
Von Gerit Schulze
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Bratislava