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Wirtschaftsausblick | Chile

Wirtschaft wächst – aber große Chancen bleiben ungenutzt

Die chilenische Wirtschaft gewinnt 2024 an Fahrt. Doch die Unternehmen leiden unter langwierigen und unberechenbaren Genehmigungsverfahren. Das bremst auch wichtige Zukunftsthemen.

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Top-Thema: Bürokratische Genehmigungsverfahren lähmen Projekte

Die Firmen in Chile – darunter auch viele deutsche – klagen mit zunehmendem Nachdruck über die hiesige "Permisología", die Lehre von den Genehmigungsverfahren. Einige haben bereits Millionen in entsprechende Verfahren investiert und stehen immer noch am Anfang.

"Die Verfahren dauern nicht nur lange, sie sind auch unvorhersehbar. Inzwischen wurden Projekte gekippt, weil unerwartet neue Forderungen auftauchen und die Politik selbst bereits genehmigte Projekte stoppt. Die Unternehmen können mit hohen Anforderungen umgehen, wünschen sich aber endlich wieder Klarheit und Konstanz in den Regularien."

Cornelia Sonnenberg Geschäftsführerin der AHK Chile

Dabei war Verlässlichkeit lange Zeit eine Stärke Chiles – und gerade jetzt bleibt das Land, dem die aktuelle weltwirtschaftliche Situation mit hohen Kupferpreisen und großem Interesse an erneuerbarer Energie sowie grünem Wasserstoff entgegenkommt, unter seinen Möglichkeiten.

Anstehende Wahlen lassen Behörden sehr vorsichtig agieren

Hinzu kommen die im November 2024 anstehenden Kommunalwahlen sowie die Präsidentschafts- und Kongresswahlen 2025. Die Administration tut sich zunehmend schwer, unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Zudem verzögern sich Reformen und Projekte, die den Ausbau von erneuerbaren Energien und grünem Wasserstoff vorantreiben würden. Und das, obwohl es einen parteiübergreifenden Konsens für den Klimaschutz in Chile gibt.

Wirtschaftsentwicklung: Chile wächst 2024 wieder, doch das reicht nicht

Nachdem die Wirtschaft 2023 immerhin mit einem leichten Plus abschließen konnte, erwartet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OEDC) für 2024 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,3 Prozent und für 2025 von 2,5 Prozent.

Laut Internationalem Währungsfonds (IWF) wird Chile 2024 mit 16.616 US-Dollar (US$) das dritthöchste BIP pro Kopf Südamerikas aufweisen, nach Guyana (26.592 US$) und Uruguay (23.088 US$). Dem IWF zufolge wird Chiles BIP zwischen 2024 und 2029 im Schnitt jährlich um 2,3 Prozent steigen. Um zu den Industrieländern aufzuschließen, müsste es aber deutlich stärker wachsen. Dazu sind auch deutliche Produktivitätssteigerungen notwendig.

Positive Impulse für die Konjunktur kommen derzeit vor allem aus dem Bergbau. Der Sektor erwartet wegen steigender Preise für Kupfer, Chiles wichtigstem Exportgut, sprudelnde Einnahmen. Zudem zieht die Inlandsnachfrage an. Dank stabilerer Preise und wachsender Reallöhne erholt sich der private Konsum. Noch 2024 soll die Inflation im Jahresdurchschnitt von 7,6 (2023) auf 3,9 Prozent fallen. Für 2025 erwartet die OECD sogar nur noch 3,3 Prozent, womit sich die Inflation dem Drei-Prozent-Ziel der chilenischen Zentralbank annähert.

Diese kann in der Folge die Leitzinsen weiter senken. Capital Economics prognostiziert bis zum Jahresende einen Satz von 4,5 Prozent. Aktuell liegt er bei 6,5 Prozent. Damit steigt allerdings die Gefahr einer Abwertung sowie weiterer Kapitalabflüsse. Erfahrungsgemäß reagiert der chilenische Peso sehr sensibel auf höhere Zinsen in anderen Ländern, vor allem in den USA. Allein im 1. Quartal 2024 flossen laut Zentralbank über 2,5 Milliarden US$ aus dem Land.

Generell stellen externe Einflüsse ein spürbares Konjunkturrisiko dar. Dazu zählt auch die Wirtschaftsentwicklung in China, Chiles wichtigstem Abnehmer. Dort dämpft etwa die global nachlassende Kauflaune nach E-Autos die Nachfrage nach chilenischem Lithium, was wiederum den hiesigen Exporteuren die Preise verhagelt.

Chile macht Fortschritte bei seiner Lithiumstrategie

Dabei hat Chile nach zwei Jahren des Stillstands wichtige Entscheidungen zur Zukunft des Lithiumabbaus beschlossen. Am 15. April 2024 startete eine 60-tägige Frist, innerhalb der Firmen ihr Interesse am Lithiumabbau an 26 Salaren bekunden können. Der Staatskonzern Enami folgte am 16. Mai mit seiner Ausschreibung zu den Salaren Altoandinos.

Kritik bleibt: Die einträglichsten Salare werden unter staatlicher Kontrolle bleiben. Auch sonst sind Konflikte vorprogrammiert wie mögliche Interessenskollisionen zwischen Alteigentümern und neuen Lithiumplayern. "Die Frage ist, ob es außer den Chinesen, die unter allen Umständen einen Fuß in die Tür bekommen wollen, andere ausländische Firmen gibt, die zu diesen Konditionen bereit sind einzusteigen", so eine Expertin.

Die OECD erwartet für 2024 steigende Im- und Exporte, einerseits aufgrund des zunehmenden Konsums, andererseits wegen höherer Bergbauexporte bei höheren Kupferpreisen.

Deutsche Perspektive: Zunehmende Ernüchterung

Deutsche Firmen profitieren davon nur zum Teil. Verbesserte Zulieferchancen dürften sich in den nächsten Jahren vor allem im Bergbau eröffnen. Angesichts der hohen Preise versuchen alle Minen, so viel zu produzieren wie möglich – und investieren. Dagegen brechen in anderen Sparten, etwa bei Autos oder Bussen, absehbar Märkte weg und werden von preiswerterer chinesischer Konkurrenz bedient.

Zwar ist der deutsche Außenhandel mit Chile 2023 insgesamt gewachsen. So stieg das Land im Ranking der wichtigsten deutschen Handelspartner im Vergleich zu 2022 auf: beim Import von Rang 66 auf Rang 61 und beim Export vom 53. auf den 51. Platz. Mit mehr Präsenz wäre jedoch mehr möglich.

Aus deutscher Sicht bieten sich nach wie vor große Chancen – über Engagements im Rohstoffsektor, im Bereich erneuerbare Energie bis hin zu grünem Wasserstoff, um nur drei Zukunftsthemen zu nennen. Doch wenn es um die Umsetzung geht, hapert es. "Egal, um welche Branche es geht, alles hängt an den Genehmigungen. Selbst von allen Seiten gewünschte Projekte etwa im Windenergiesektor werden zumindest stark verlangsamt. Es gäbe so viele Chancen, doch alles stockt bei den Verfahren. Wenn dieser Pfropfen heraus wäre, liefe es", so Sonnenberg.

Hinzu kommt, dass Chile längst kein preiswerter Standort mehr ist. Die Unternehmensteuer etwa liegt mit einem Satz von 27 Prozent über dem OECD-Durchschnitt. Ein weiteres Problem sind fehlende Fachkräfte.

Gewisse Impulse für den Handel und Investitionen sind vom modernisierten Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Chile zu erwarten. Dieses liegt aktuell im Kongress zur Abstimmung und könnte danach in den nicht ratifizierungspflichtigen Teilen direkt in Kraft treten.

Weitere Informationen finden Sie auf unserer Länderseite Chile.

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