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Wirtschaftsausblick | Chile

Wirtschaft wächst – aber große Chancen bleiben ungenutzt

Chiles Wirtschaft legt auch 2025 wieder zu, doch nicht als Ganzes. Impulse kommen vor allem vom Bergbau. Der Konsum bleibt schwach. Die Politik arbeitet im Wahlkampfmodus. 

Von Stefanie Schmitt | Santiago de Chile

Top-Thema: Chile 2025 im Wahlkampfmodus

Am 16. November 2025 finden in Chile Präsidentschafts- und Kongresswahlen statt. Welche Präsidentschaftskandidaten ins Rennen gehen, ist noch nicht endgültig entschieden. Amtsinhaber Gabriel Boric darf laut Verfassung nicht noch einmal antreten.

Gegenwärtig bringen sich potenzielle Kandidaten und Parteien/-bündnisse in Position. Einen Vorgeschmack lieferten die Kommunal- und Regionalwahlen vom November 2024. Dabei blieb – trotz schlechter Umfragewerte – die große Schlappe für das derzeitige linke Regierungsbündnis aus. An ihm nahestehende Vertreter fielen 10 von 16 Regionen (zuvor 15). Unter der Opposition erstarkte die gemäßigte Rechte (Bündnis "Chile Vamos"). Sie konnte ihre Zahl an Gobernador-Posten von einem auf sechs steigern. Die extreme Rechte mit dem vormaligen Präsidentschaftskandidaten José Antonio Kast blieb außen vor.

Zwar waren die Wahlgänge von lokalen Themen geprägt und können deshalb nur bedingt Voraussagen für die Präsidentschaftswahlen liefern. Doch eines scheint sicher:

"Wie die letzten Abstimmungen gezeigt haben, tendiert Chile zu gemäßigten politischen Positionen. Deshalb ist mit dem Sieg eines Mitte-Rechts- oder Mitte-Links-Regierungsbündnisses zu rechnen. Dies erhöht die Aussicht auf Stabilität und wird zu verbesserten Erwartungen in der Bevölkerung und bei den Unternehmen führen. Die Herausforderung für jede neue Regierung bleibt jedoch, angesichts der aufgesplitterten Parteienlandschaft in Parlament und Senat notwendige Stimmenmehrheiten für ihre Maßnahmen und Reformen zu organisieren. Vor diesem Hintergrund wäre eine politische Reform, die zu arbeitsfähigen Mehrheiten in den Kammern führt, vorrangig.“

Olaf Jacob Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Santiago de Chile

Hausaufgaben für 2025: Lithium, Infrastruktur, Strommarkt, innere Sicherheit

Angesichts der anstehenden Wahlen wird die aktuelle Regierung versuchen, ihr wichtige Projekte bis zum Ende der Legislaturperiode durchzuboxen.

  1. Lithiumstrategie

    Die Regierung will die Nationale Lithiumstrategie bis September 2025 komplett umsetzen. Dabei sollen bis März 2025 die Verhandlungen mit den sechs aussichtsreichsten Kandidaten der Interessenbekundungsrunde von Juni 2024 abgeschlossen sein, darunter zwei aus China (BYD und CNGR), zwei aus Korea (LG Energy, Posco) sowie Eramet (Frankreich) und Rio Tinto (Australien).

  2. Infrastruktur

    Wichtige Impulse sind auch für die Fortentwicklung des schienengebundenen Verkehrs und der Elektromobilität zu erwarten. Doch Chiles Infrastruktur bräuchte generell einen neuen Schub. Das gilt besonders für die Hafeninfrastruktur. Mit der kürzlich erfolgten Eröffnung des unter chinesischer Ägide finanzierten und betriebenen peruanischen Pazifikhafens Chancay hat sich der Druck erhöht, den Ausbau des größten chilenischen Hafens San Antonio endlich in Angriff zu nehmen.

  3. Strommarkt

    Handlungsbedarf besteht auch bei wichtigen Strukturreformen, darunter im Stromsektor. So fahren die Hersteller von Wind- und Solarstrom aufgrund von Engpässen in den Netzen und unzeitgemäßer Strompreisregularien zum Teil hohe Verluste ein. Dies führt dazu, dass unabhängige Anbieter Chile verlassen; die Projekte fallen für wenig Geld in die Hände der nach dem derzeitigen Modell quersubventionierten konventionellen Stromkonzerne. Schon jetzt nehmen Banken (darunter die KfW Group) davon Abstand, in Chile Projekte für erneuerbaren Strom zu genehmigen. Soll Chile als Wirtschaftsstandort glaubwürdig bleiben, muss die Politik dringend nachbessern – nicht zuletzt auch mit Blick auf ihr Dekarbonisierungsziel

  4. Innere Sicherheit

    Ein weiterer Punkt ist die Sicherheit im öffentlichen Raum. Das Thema nimmt angesichts zunehmender Drogen- und Bandenkriminalität im öffentlichen Bewusstsein einen für Chile bisher nicht gekannten Raum ein.

Wirtschaftsentwicklung: Unternehmen wollen mehr investieren

Nach der jüngsten Prognose der Zentralbank wird Chile 2024 mit einem realen Plus des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zwischen 2,3 und 2,8 Prozent abschließen. Große Wachstumsimpulse kamen 2024 aus dem Bergbau, viele ausländisch investierte Minen haben ihre Gewinne nicht transferiert und stattdessen reinvestiert. Dies ließ den Anteil der Auslands- an den privaten Investitionen bis Sommer 2024 auf 77 Prozent anschwellen. Überdurchschnittlich gut laufen derzeit auch exportorientierte Sektoren wie Fischerei sowie Tourismus aus dem Ausland.

Für 2025 und 2026 prognostiziert die Zentralbank ein BIP-Plus zwischen 1,5 und 2,5 Prozent. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) erwartet einen Fortgang des Wachstums (je +2,3 Prozent). Impulse kommen 2025 vor allem von den Anlageinvestitionen, nachdem diese 2023 und 2024 noch um jeweils rund 1 Prozent gesunken waren. Nach einer Unternehmensumfrage der Banco Central vom Oktober 2024 planen fast 35 Prozent der Unternehmen für 2025 Neuinvestitionen – bei der gleichen Umfrage 2023 waren es 31 und 2022 sogar nur knapp 26 Prozent gewesen.

Als Risikofaktoren gelten – neben hausgemachten "Wachstumshemmern" (Bürokratie, aufwendige und ungewisse Genehmigungsverfahren, hohe Kosten) – die schlechte Konjunkturlage in China, Chiles wichtigstem Absatzmarkt. Um zu den Industrieländern aufzuschließen, müsste Chile jedoch deutlich stärker wachsen. Dazu braucht es nicht zuletzt Produktivitätssteigerungen.

Konsumenten bleiben pessimistisch

Kaum Impulse kommen vom privaten Konsum. Nach dem Rückgang um 3,9 Prozent im Jahr 2023 erwartet der IWF für 2024 einen Anstieg des Verbrauchs um 1,5 Prozent. In den Jahren danach soll er um 2 Prozent steigen. Die Inflation lastet auf dem Konsum. Nach einer Rate von voraussichtlich 3,9 Prozent im Jahr 2024 rechnet die Banco Central für 2025 mit einem Preisanstieg von 4,3 Prozent.

Inflationstreibend wirken sich vor allem die höheren Strompreise aus – kumuliert von Juni 2024 bis Februar 2026 plus 60 Prozent, ferner steigende Miet- und Immobilienpreise sowie sich verteuernde Nahrungsmittel. Ebenfalls nicht verbrauchsfördernd wirkt die vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit von zuletzt 8,6 Prozent. Im Ergebnis sank der Index zur Messung des Konsumentenvertrauens trotz zuletzt gestiegener Reallöhne im November 2024 um 1,5 Punkte auf 41,9; Werte unter 50 bedeuten Kontraktion.

Mehr Anlageinvestitionen bedeuten mehr Importe

Dank des erwarteten Anstiegs der Investitionen werden die Importe Chiles 2025 wieder steigen. Der IWF erwartet ein reales Plus von 5,1 Prozent (2024: +0,3 Prozent).

Regional pulsierende "Wachstumspole"

Generell wächst Chiles Wirtschaft nicht als Ganzes, sondern vielmehr um regional abgegrenzte Pole herum, die dann wiederum weiteres Wachstum generieren – zum Beispiel im Norden, wo die großen Kupferminen arbeiten. Nach Daten von Plusmining plant der Bergbausektor 2025 Investitionen in Höhe von fast 10 Milliarden US-Dollar, darunter 90 Prozent im Kupferbergbau.

Zu einem weiteren Wachstumstreiber, wenn auch in kleinerem Format, entwickeln sich gegenwärtig die astrophysikalischen Zentren (wie die auch mit deutschen Mitteln finanzierte Europäische Südsternwarte ESO).

Künftig wird der Region Magallanes im Süden Chiles eine Boomrolle zugetraut. Dafür genügt es, wenn eine Handvoll der zahlreichen Projekte rund um grünen Wasserstoff, die sich derzeit in der Umweltprüfung befinden, ihre Genehmigung erhalten. Dabei geht es dann nicht nur um die Umsetzung der Projekte, sondern auch um den Bau von Straßen, Häfen, neuen Häusern, Schulen, Krankenhäusern und vielem mehr.

Deutsche Perspektive: Der Markt wird enger

Bessere Zulieferchancen dürften sich in den nächsten Jahren vor allem im Bergbau eröffnen. Weitere Chancen bieten sich im Bereich erneuerbare Energie und grüner Wasserstoff. Darüber hinaus wird alles gebraucht, was zu Produktivitäts-/Effizienzverbesserungen führt – mit Blick auf Wasser-, Energie- und Ressourceneinsatz, aber auch hin zu neuen Verfahren, die es erlauben, auch technisch anspruchsvollere Vorkommen auszubeuten.

Allerdings liegt Chile im Ranking der deutschen Handelspartner recht weit hinten: beim Import auf Rang 61 und beim Export auf dem 51. Platz. Mit mehr Präsenz wäre mehr möglich.

"Tatsächlich konzentriert sich das Interesse deutscher Firmen mit Blick auf Lateinamerika vor allem auf Brasilien. Anfragen nach Chile laufen vor allem in bestimmten Nischen. Dabei ist Chile etwa mit seinen Rohstoffvorkommen – zuvorderst Kupfer und Lithium –, seinen an sich guten Bedingungen zur Produktion von Strom aus erneuerbarer Energie und damit auch für E-Fuels und grünem Wasserstoff oder seiner leistungsstarken Agroökonomie mit Weinanbau und Sonderkulturen nach wie vor ein Land mit guten wirtschaftlichen Voraussetzungen und Chancen. Allerdings treffen deutsche Produkte auf zunehmende Konkurrenz aus anderen Ländern mit starkem Preis-Leistungsverhältnis – USA, Japan, Korea – und nicht zuletzt China. Der Markt wird enger – und die deutschen Firmen werden sich mehr anstrengen müssen."

Cornelia Sonnenberg Geschäftsführerin der AHK Chile

Impulse für Handel und Investitionen sind vom modernisierten Assoziierungsabkommen zwischen der EU und Chile zu erwarten. Diesem stimmten im September 2024 der chilenische Kongress und im November der Senat zu. Nach Abschluss weiterer Formalien in Chile und vertragstechnischer Schritte seitens der EU-Kommission können die nicht ratifizierungspflichtigen Teile ab 1. Februar 2025 in Kraft treten. Die zustimmungspflichtigen Bereiche müssen noch von allen nationalen Parlamenten der EU ratifiziert werden. Hilfreich wäre auch der Abschluss eines Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Deutschland und Chile.

Weitere Informationen finden Sie auf unserer Länderseite Chile.

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