Dänemark will in den kommenden Jahren sein Onshore-Potenzial ausschöpfen. Langfristig verlagert sich die Windkraft aufs Meer.
Großes Repowering-Potenzial
Seit einem halben Jahrhundert investiert Dänemark in Windkraft an Land, seit 30 Jahren in Offshore. Entsprechend wurde viel Know-how und Erfahrung aufgebaut, was dänische Branchenvertreter zur Weltelite katapultierte - allen voran den führenden Windanlagenhersteller Vestas.
Das Land treibt seine grüne Energiewende vehement voran. Erst Anfang 2022 gab die Regierung das Ziel aus, bis 2030 eine jährliche Stromerzeugung von 50 Terawattstunden (TWh) aus erneuerbaren Energiequellen an Land erreichen zu wollen - hauptsächlich aus Wind. Dafür sollen neue Flächen identifiziert werden, was anders als in Deutschland zentral gesteuert wird. Laut Branchenexperten dürfte das Onshore-Potenzial für neue Anlagen damit aber größtenteils ausgeschöpft sein. Auch wenn die geografischen Voraussetzungen gut sind und die Auflagen für den Bau erneuerbarer Energiequellen gerade erst vereinfacht wurden, erregt die zunehmende Windraddichte Unbehagen in der Bevölkerung.
Entsprechend wird mittel- bis langfristig Technologieerneuerung für neue Kapazitäten sorgen. Laut dem Branchenverband Green Power Denmark sind etwa Zweidrittel der über 5.000 an Land installierten Windräder aus heutiger Sicht "klein". Darin steckt ein immenses Potenzial des sogenannten Repowering, da die Erneuerung bestehender Anlagen einfacher zu bewerkstelligen ist als die Erschließung neuer Standorte.
Energiebedarf wird sich vervierfachen
Für den prognostizierten Bedarf werden solche Maßnahmen aber nicht reichen. Laut Eurostat gehört Dänemark zu den am wenigsten energieintensiven Wirtschaften in der EU. Demnach wurden dort 2020 für die Erwirtschaftung von 1.000 Euro Bruttoinlandsprodukt knapp 59 Kilogramm Rohöleinheiten benötigt - in Deutschland waren es 100, im EU-Durchschnitt fast 117. Mit einem Stromverbrauch pro Einwohner von etwa 5,6 Megawattstunden (MWh) platzierte sich Dänemark im europäischen Mittelfeld.
Der Strombedarf und somit auch die Erzeugung sollen aber schnell wachsen. Bis Mitte der 2030er Jahre soll sich die 2021 generierte Menge von 33 Terawattstunden laut der dänischen Energieagentur mehr als verdoppeln. Im Jahr 2050 werden bis zu 130 TWh produziert werden müssen. Hintergrund sind die ambitionierten Umweltziele. Bereits 2030 soll der Kohlenstoffdioxidausstoß um 70 Prozent niedriger sein als 1990. Bis dahin soll auch der fossilfreie Anteil am Endenergieverbrauch auf 55 Prozent steigen. Erneuerbare Energien sollen ebenfalls 2030 mehr als den landesweiten Strombedarf decken und das Fernwärmenetz zu 90 Prozent ohne Kohle, Erdöl oder Erdgas auskommen.
Die Elektrifizierung soll sich über alle Wirtschaftssektoren erstrecken. Zusätzlich sieht die Power-to-X-Strategie den Aufbau von bis zu 6 Gigawatt (GW) Elektrolysekapazitäten bis Ende dieses Jahrzehnts vor. Der notwendige und ausschließlich grüne Strom soll vom Meer kommen.
Partnerschaften für Offshore-Wind
Dänemark hat sich beiden diesen Sommer geknüpften Offshore-Wind-Partnerschaften angeschlossen. Im Rahmen des im Mai im dänischen Esbjerg unterzeichneten Abkommens verpflichteten sich neben Dänemark auch Belgien, Deutschland und die Niederlande zusammen Projekte anzustoßen, die auf der Nordsee den Aufbau von Windkapazitäten von mindestens 65 Gigawatt bis 2035 und mindestens 150 Gigawatt bis 2050 ermöglichen.
Nur drei Monate später signierte die dänische Premierministerin Mette Frederiksen zusammen mit Bundeskanzler Olaf Scholz und den Regierungschefs von Estland, Finnland, Lettland, Litauen, Polen sowie Schweden das sogenannte Marieborg Abkommen. Darin wird eine Versiebenfachung der Offshore-Wind-Kapazitäten auf der Ostsee bis 2030 deklariert - auf knapp 20 Gigawatt. Zusätzlich wurde ein weiteres Ausbauziel bis 2040 in Aussicht gestellt. Im Papier selbst wird das Potenzial des Binnenmeeres auf 93 Gigawatt beziffert.
Eiland-Hubs für Offshore-Wind
Zu beiden Zielen von dänischer Seite beisteuern sollen vor allem die beiden geplanten Energieinseln - eines der ambitioniertesten Investitionsvorhaben der dänischen Geschichte. Bis zu 30 Milliarden Euro soll der Aufbau der Produktionskapazitäten und der notwendigen Infrastruktur kosten. Die Idee dahinter ist der Aufbau von lokalen Hubs, an die Offshore-Windparks angeschlossen werden. Einerseits soll dies erlauben, Windanlagen in größerer Entfernung von der Küste zu platzieren. Andererseits soll es ermöglichen, ihren Ertrag zu bündeln und eine einfachere Verteilung an Netze und Abnehmer sowohl im In-, als auch Ausland erlauben. "Auf diese Weise kann der Strom aus einem Gebiet mit großen Windressourcen leichter in die Gebiete geleitet werden, die ihn am meisten benötigen. Gleichzeitig wird sichergestellt, dass die von den Turbinen erzeugte Energie so effizient wie möglich im Hinblick auf die Stromnachfrage genutzt wird", bewirbt die projektverantwortliche dänische Energieagentur das Konzept. Die Bündelung soll zudem erlauben, vor Ort zusätzliche Infrastruktur zu platzieren - ob zur Energiespeicherung oder Power-to-X-Umwandlung.
Auf der Ostsee wird Bornholm als Hub fungieren und soll ab 2030 eine Kapazität von 3 Gigawatt liefern. Bis September 2022 lief ein Marktdialog mit potenziellen Investoren. Im 4. Quartal 2023 sollen die Spezifikationen der Auftragsvergabe publiziert werden. Ein Jahr später sollen die Zuschläge bekanntgegeben werden. "Es wird erwartet, dass es sich bei den Bietern um relativ umfassende Konsortien handelt, die aus relativ großen Unternehmen bestehen", erklärt ein Vertreter des Beratungshauses EY. Das Beratungsunternehmen unterstützt den Vergabeprozess.
Gleiches gilt für das Nordseeprojekt, für das im Frühjahr 2023 eine Betreiber-Präqualifikation stattfinden soll. Dort sollen bis 2033 mindestens 3 Gigawatt angeschlossen sein, spätestens 2040 bis zu 10 Gigawatt. Die Insel, die als kritische Infrastruktur eingestuft wird und deswegen den Staat als Mehrheitseigentümer haben wird, muss allerdings erst noch aufgeschüttet werden. Gleiches dürfte für eine dritte Energieinsel gelten, über die bereits inoffiziell gemutmaßt wird.
Von Michał Woźniak
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Stockholm