Branchen | USA | Metallerzeugung und -verarbeitung
Stahlhersteller erwarten deutlichen Aufschwung
Der Infrastrukturausbau und die lebhafte Autokonjunktur machen sich in der Stahlindustrie bemerkbar. Allerdings ist die Branche von einem starken Protektionismus geprägt.
15.09.2023
Von Roland Rohde | Washington, D.C.
Die Wende ist geschafft. Nachdem die Produktion der US-Stahlbranche 2022 um fast 6 Prozent gesunken war, verringerte sich das Minus in den ersten acht Monaten 2023 auf knapp 2 Prozent, so das American Iron and Steel Institute. Zudem zeigen die wöchentlichen Produktionszahlen des Verbands seit Juli 2023 eine Aufwärtsbewegung. Laut der World Steel Association begann die Trendwende sogar schon früher, und die die meisten Unternehmen schauen zuversichtlich in die Zukunft.
In den Hauptabnehmerbranchen - dem Bausektor und der Automobilindustrie - stehen die Zeichen auf Expansion. Starke Impulse kommen aus der Tiefbausparte, die traditionell besonders viel Stahl nachfragt. Im Rahmen des im November 2021 verabschiedeten Infrastruktur Development and Jobs Act stellt die Regierung bis 2028 rund 1,2 Billionen US-Dollar (US$) zum Ausbau der veralteten Infrastruktur zur Verfügung. Die erbrachten Bauleistungen sind in allen Sparten des Tiefbaus in den ersten beiden Quartalen 2023 spürbar gestiegen, so das nationale Statistikamt.
Positive Signale aus dem gewerblichen Hochbau
Ebenfalls im Aufwind befindet sich der gewerbliche Hochbau. Besonders lebhaft entwickelten sich im 1. Halbjahr 2023 - wiederum gemessen an den Bauleistungen - das Beherbergungsgewerbe sowie die medizinische und industrielle Sparte. Bei der Errichtung von Hotels, Krankenhäusern, Fabrik- oder Lagerhallen werden große Mengen an Stahl verbraucht. Da tröstet es, dass der private Wohnungsbau schwächelt, denn er setzt überwiegend auf Holz oder Stein.
Auch in der Automobilindustrie geht es bergauf. Viele Haushalte hatten 2022 ihren Autokauf zurückstellen müssen, da es aufgrund des weltweiten Halbleitermangels zu wenig Neuwagen gab. Sie holten 2023 ihre Anschaffung nach. Selbst die stark gestiegenen Kreditzinsen wirkten nicht abschreckend. Für die sieben ersten Monaten 2023 ergab sich laut der National Automobile Dealers Association ein Plus bei den nationalen Zulassungen (Pkw einschließlich leichter Transportfahrzeuge) von 18 Prozent.
USA sind von Importen abhängig
Die USA sind bei Stahlprodukten - insbesondere im Hightech-Bereich - auf Importe angewiesen. Laut der American Steel Association beliefen sich die Einfuhren an fertigen Branchenwaren 2022 auf 25 Millionen Tonnen. Diese Menge entspricht etwa 28 Prozent der lokalen Produktion. Gegenüber 2021 waren die Importe damit um 11 Prozent gestiegen. Im 1. Halbjahr 2023 gingen sie wieder um 11 Prozent zurück. Die Stahleinfuhren schwanken jedes Jahr, unabhängig von der konjunkturellen Entwicklung. Die fallenden Einfuhren 2023 gehen maßgeblich auf (preisbedingte) Lagerbestandsveränderungen zurück.
Kennzahl | 2022 |
---|---|
Produktion | 89,5 |
Importe | 25,3 |
Exporte | 8,3 |
Einheimische Nachfrage | 106,4 |
Deutschland liefert mehr Stahl als China
Nach Verbandsangaben importierten die USA 2022 fertige Waren aus Stahl im Umfang von gut 1,1 Millionen Tonnen aus Deutschland. Damit lag es auf Rang 6 der US-Einfuhrstatistik und vor China, dem laut der World Steel Association bedeutendsten Stahlproduzenten der Welt. In den ersten sechs Monaten 2023 verringerten sich die deutschen Importe zwar um 2 Prozent. Dennoch konnten die deutschen Exporteure ihren Lieferanteil ausbauen, da die Einfuhren aus anderen Ländern noch stärker zurückgingen.
Die Stahleinfuhren aus den verschiedene Ländern können bedingt durch Zölle stark fluktuieren. Kanada und Mexiko sind als Mitglieder des nordamerikanischen Freihandelsabkommens USMCA weniger stark von protektionistischen Maßnahmen betroffen und daher die wichtigsten Zulieferer. Die dortigen Hersteller haben zudem durch ihre geografische Nähe einen entscheidenden Vorteil bei den Transportkosten, die bei Stahlprodukten wesentlich zu Buche schlagen.
Infrastrukturprojekte bieten Zulieferchancen bei Spezialprodukten
Laut dem Build America, Buy Amercian Act vom November 2021 müssen bei Projekten im Rahmen des Infrastructure Investment and Jobs Act die Baustoffe zu 100 Prozent in den USA produziert werden. Allerdings sieht das Gesetz Ausnahmen vor, wenn es keine inländischen Hersteller gibt oder die Preise für einheimische Produkte zu hoch ausfallen. Dieser Fall tritt zumeist bei Spezialwaren auf.
Die im März 2018 unter Präsident Trump eingeführten Zölle auf Stahleinfuhren aus der EU wurden im Rahmen einer Einigung der Europäischen Union mit den USA zum 1.12.2021 durch Kontingente ersetzt. Auf Einfuhren, die über die kontingentierte Menge hinausgehen, entfällt ein Zollsatz von 25 Prozent. Daneben gelten eine Reihe von Antidumping- und Strafzöllen. Laut einer Studie des Congressional Research Service vom Mai 2022 haben diese sei 2016 stark zugenommen und erreichten 2021 mit 38 neu eingeführten Maßnahmen einen Rekordwert.
Institution | Anmerkung |
Branchenverband. Setzt sich stark für protektionistische Maßnahmen ein | |
Übersicht über "local content" Vorschriften und Ausnahmen bei öffentlichen Projekten | |
Übersicht über die US-Stahlindustrie und protektionistische Maßnahmen |