Im Gewerbebau legen Investoren großen Wert auf Umweltzertifikate. Im Wohnungsmarkt helfen Förderprogramme bei der Sanierung. Ein zentrales Förderprogramm steht vor dem Neustart.
Laut der Bausanierungsstrategie Polens soll ab 2035 kein Gebäude einen höheren Energiebedarf aufweisen als 230 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr. Von diesen Zahlen ist vor allem der Wohnungsmarkt weit entfernt. Wie die Statistikbehörde GUS (Główny Urząd Statystyczny) schreibt, lagen im Jahr 2021 rund 40 Prozent aller Wohngebäude über dem Grenzwert. Damit nicht genug: Polens Klimaministerium will bis Ende 2026 eine neue Sanierungsstrategie mit strengeren Auflagen vorstellen.
Gleichzeitig wehrt sich Polen gegen eine Emissionsabgabe auf fossile Brennstoffe im Gebäudesektor. Laut EU-Richtlinien greift das sogenannte ETS2-System ab 2027. Polens Klimaministerin Paulina Hennig-Kloska erklärte, man setze sich für einen Start nach 2030 ein.
Die aktuell gültige Bausanierungsstrategie Polens DSRB (Długoterminowa strategia renowacji budynków) betrifft vor allem Bestandsgebäude. Im Falle von Neubauten greift eine Verordnung des Infrastrukturministeriums. Demnach liegt die Obergrenze beim Energiebedarf je nach Gebäudetyp zwischen 65 und 70 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr.
Ärger um großes Förderprogramm
Der staatliche Umweltfonds NFOŚWiG (Narodowy Fundusz Ochrony Środowiska i Gospodarki Wodnej) unterstützt die Energietransformation im Gebäudesektor mit Zuschüssen. Zu den wichtigsten Maßnahmen für den Wohnungsmarkt gehört das Programm Saubere Luft (Czyste Powietrze). Besitzer von Einfamilienhäusern erhalten je nach Einkommen bis zu 32.000 Euro, wenn sie Heizungen, Fenster, Türen und Dämmstoffe austauschen. Zu den geförderten Wärmequellen gehören unter anderem Biomasse und Wärmepumpen. Ein Ziel des Programms ist es, die Feinstaubbelastung durch alte Kohleöfen zu senken.
Allerdings stoppte der Umweltfonds das Programm im November 2024. Die Behörde wirft Renovierungsunternehmen vor, sie hätten falsche Angaben gemacht, um höhere Zuschüsse abzugreifen. Ab dem 31. März 2025 soll das Programm erneut starten – mit schärferen Auflagen. Den höchsten Förderbetrag gibt es nur, wenn ein Haus vor der Renovierung einen Energiebedarf über 150 Kilowattstunden pro Quadratmeter aufweist.
Kontrovers ist vor allem die Idee, den Anteil der Vorfinanzierung auf 20 Prozent der Fördersumme zu reduzieren. Dieser Schritt wird ärmere Haushalte treffen, prophezeien Nichtregierungsorganisationen. Die Begründung: Personen mit niedrigen Einkommen könnten Renovierungen nicht aus eigener Tasche vorfinanzieren.
Bereits seit Januar 2025 gilt im Rahmen vom Programm Saubere Luft eine neue Auflage für Wärmepumpen. Ein Gerät erhält nur dann einen Zuschuss, wenn ein akkreditiertes Prüflabor in der EU die technischen Parameter geprüft hat. Vorher akzeptierte der Umweltfonds auch internationale Qualitätszertifikate, wie Keymark oder Eurovent. Die Folge: Anfang Januar 2025 befand sich keine Luft-Luft-Wärmepumpe im Förderkatalog des Umweltfonds, der ZUM-Liste (Lista zielonych urządzeń i materiałów).
Analog zu Saubere Luft gibt es das Programm Warme Wohnung (Cieple Mieszkanie). Es richtet sich an Eigentümer von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern. Anders als bei Saubere Luft zahlt der Umweltfonds das Geld an Städte und Gemeinden aus. Die Lokalverwaltungen setzen das Programm anschließend vor Ort um. Eine Gruppe von Wohnungseigentümern kann bis zu 87.000 Euro beantragen, einzelne Eigentümer rund 9.500 Euro. Im Gegensatz zu Saubere Luft fördert Warme Wohnung nicht den Einbau neuer Dämmstoffe, sondern nur Heizungen, Fenster und Türen. Interessenten müssen immer die Heizquelle austauschen, um Fördergelder zu erhalten.
Zertifikate sind im Trend
Im Nichtwohnungsbau gilt Energieeffizienz längst als Verkaufsargument für Investoren. Wie der polnische Verband für ökologisches Bauen PLGBC (Polskie Stowarzyszenie Budownictwa Ekologicznego) vorrechnet, haben 95 Prozent aller modernen Büros in Polen ein Nachhaltigkeitszertifikat. Bei Fabrik- und Lagerhallen beträgt der Anteil der zertifizierten Fläche immerhin 53 Prozent. Grundsätzlich gilt: wenn heute eine neue Gewerbeimmobilie in Polen entsteht, dann in der Regel mit einem Zertifikat. Solche Auszeichnungen gibt es beispielsweise für bestimmte Materialien oder für einen niedrigen Energiebedarf. Zu den beliebtesten Urkunden gehören BREEAM, LEED und Well.
Unternehmen, die ihre Energieeffizienz in Bestandsgebäuden verbessern wollen, haben Zugriff auf Programme des staatlichen Umweltfonds. Viele Maßnahmen finanzieren sich über EU-Gelder. Der Umweltfonds unterstützt Renovierungsarbeiten mit zinsgünstigen Krediten und mit Zuschüssen. Programme starten oft kurzfristig mit einer begrenzten Anmeldefrist. Alle Termine listet der Fonds auf seiner Webseite.
Nachhaltigkeit versus Kostendruck
Nicht nur die Gebäude, sondern auch die Bauunternehmen sollen ihren ökologischen Fußabdruck reduzieren. Die Baukonzerne Polens, wie Budimex oder Mirbud haben Nachhaltigkeitsziele veröffentlicht. Sie beinhalten unterschiedliche Vorgaben, zum Beispiel für den Einsatz von recycelten Baumaterialien. Das Gesetz über öffentliche Ausschreibungen erlaubt es einem staatlichen Auftraggeber, einen umweltfreundlichen Auftragnehmer trotz Mehrkosten zu bevorzugen. Die Leiterin des Büros für Nachhaltigkeit bei Budimex Ewelina Karp-Kręglicka gibt jedoch in einem Interview mit dem Umweltportal teraz-srodowisko.pl zu bedenken: „In der Praxis macht kaum jemand davon Gebrauch. Der Preis ist immer noch das Hauptkriterium“.
Trotz der Einschränkungen forschen Unternehmen in Polen an umweltfreundlichen Materialien. Hierzu gehört auch die Tochtergesellschaft des deutschen Baustoffkonzerns Heidelberg Materials. Das Unternehmen hat bei Katowice eine Anlage in Betrieb genommen, um Betonabfälle zu recyceln. Ein patentiertes Verfahren zerlegt den Abbruchbeton in seine Bestandteile. Der dabei entstehende Zementstein ersetzt Kalkstein bei der Produktion von Klinker. Dieser Schritt wiederum spart CO2, schreibt Heidelberg Materials. Das Unternehmen kündigte weitere Materialtests an. Eine zweite Anlage im polnischen Górażdże befand sich Ende 2024 im Bau.
Von Christopher Fuß
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Warschau