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Branche kompakt | Polen | Bauwirtschaft

Positive Signale in Polens Bauindustrie

Neue EU-Gelder tragen mit dazu bei, dass sich die Lage im Tiefbau verbessert. Auch der Wohnungsbau kommt wieder in Fahrt. Deutsche Unternehmen mischen in vielen Projekten mit.

Von Christopher Fuß | Warschau

Ausblick der Bauwirtschaft in Polen

Bewertung:

 

  • Große Ausschreibungen im Straßen- und Schienenbau
  • Steigende Baugenehmigungen im Wohnungsbau
  • Neue EU-Gelder finanzieren Investitionen
  • Branche bleibt stark konjunkturabhängig
  • Der Preis ist fast immer das entscheidende Kriterium

Anmerkung: Einschätzung des Autors für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: Januar 2025

  • Markttrends

    Die Bauindustrie hat ein schwieriges Jahr hinter sich. Hohe Zinsen, teure Materialien und fehlende Gelder trübten die Auftragslage. Doch jetzt scheint sich das Blatt zu wenden.

    Die staatlichen Infrastrukturgesellschaften Polens kündigen für das Jahr 2025 eine Reihe von Großprojekten an. Das Unternehmen PKP PLK macht den Aufschlag. Der Betreiber des Schienennetzes veröffentlichte im Januar 2025 eine große Ausschreibung.

    Das erste Vorhaben betrifft die Bahnstrecke zwischen den Städten Białystok und Ełk im Nordosten Polens. PKP PLK sucht einen Auftragnehmer, der den Abschnitt modernisiert. Der Gegenwert der Maßnahme liegt geschätzt bei 1,4 Milliarden Euro. Im Gesamtjahr 2025 werde das Unternehmen Projekte im Wert von insgesamt 3,5 Milliarden Euro ausschreiben, sagt der PKP PLK Vorstand.

    10,5 Prozent

    Anteil der Bauwirtschaft an Polens Bruttoinlandsprodukt

    Ähnlich ambitioniert zeigt sich der Betreiber des Fernstraßennetzes GDDKiA (Generalna Dyrekcja Dróg Krajowych i Autostrad). Die staatliche Gesellschaft will Bauvorhaben im Wert von mindestens 3,1 Milliarden Euro ausschreiben. Der Betrag kann noch steigen, wenn die Umweltbehörden weitere Strecken freigeben. Zu den wichtigsten Vorhaben gehört der Bau einer dritten Fahrspur auf der Autobahn A2 zwischen Warschau und der zentralpolnischen Stadt Łódź. Voraussichtlich in der 2. Jahreshälfte 2025 veröffentlicht GDDKiA eine Ausschreibung.

    Positive Signale nach einem schwierigen Jahr

    Die Infrastrukturprojekte kommen Polens Bauindustrie gerade recht, denn die Bauproduktion sank zwischen dem 1. und 3. Quartal 2024 um 7 Prozent. Das meldet die europäische Statistikbehörde Eurostat. Wenig überraschend gehen auch die Brancheneinnahmen zurück. Wie Polens Statistikbehörde GUS (Główny Urząd Statystyczny) berichtet, schrumpften die Umsätze besonders bei den Straßenbauunternehmen und in den Ausbaugewerken. Zwischen Januar und September 2024 lag das Minus in beiden Segmenten bei 10,5 Prozent. Die Statistik berücksichtigt Firmen ab 50 Mitarbeitern.

    Der Beratungskonzern Deloitte begründet den Rückgang mit fehlenden EU-Mitteln. Die Europäische Kommission hatte erst im Frühjahr 2024 wichtige Förderprogramme freigegeben, nachdem Polens Regierung einen Konflikt über den Zustand des Rechtsstaates beilegen konnte. Jetzt fließen die neuen Gelder. Sie werden laut Deloitte mit dazu beitragen, dass sich der Bausektor 2025 erholt.

    Neben den Ausschreibungen von PKP PLK und GDDKiA gibt es weitere Anzeichen für einen Aufschwung. Die Baugenehmigungen im Hochbau stiegen in den ersten neun Monaten 2024 um 12,3 Prozent. Baugenehmigungen von heute sind die Baustellen von morgen. Insbesondere der Wohnungsmarkt gewinnt wieder an Fahrt – und das, obwohl Polens Wirtschaftsministerium im Dezember 2024 ein geplantes Förderprogramm absagte. Es versprach einen Zinssatz von null Prozent auf bestimmte Immobilienkredite.

    Baugewerbe bleibt konjunkturabhängig

    Der Aufschwung hat einen Wermutstropfen: Das Wachstum im Wohnungsmarkt hängt auch mit dem niedrigen Ausgangswert zusammen, denn 2023 waren die Baugenehmigungen eingebrochen. Außerdem wachsen nicht alle Bausegmente. Wie das Maklerbüro CBRE berichtet, schrumpft die Zahl der neu begonnenen Industriebauten und Bürogebäude. Unternehmen reduzieren ihre Ausgaben für Immobilien, weil die Bestellungen in der Industrie stagnieren.

    Marktvolumen der Bauwirtschaft in Polen ¹) ²)In Milliarden Euro; nominale Veränderung auf Euro-Basis in Prozent
    Kennziffer

    2022

    2023

    Veränderung 2023/22

    Wert der erbrachten Bauleistungen insgesamt

    30,5

    35,4

    16,1

      Hochbau

    15,0

    15,6

    4,0

        Wohneinheiten

    5,3

    5,3

    0,0

        Andere Gebäude

    9,7

    10,3

    6,2

          Industrie-/Lagerhallen

    4,5

    4,2

    -6,7

      Tiefbau

    15,4

    19,8

    28,6

        Straßen, Autobahnen

    5,7

    7,8

    36,8

        Überland-Pipelines, Telekom-/Hochspannungsleitungen

    2,4

    2,9

    20,8

        Lokale Pipelines, Verteilungskabel

    2,2

    2,8

    27,3

        Bahnlinien

    1,8

    2,1

    16,7

    1 umgerechnet zum jeweiligen Jahresdurchschnittskurs: 1 Euro=4,6861 Zł (2022) und 1 Euro=4,5430 Zł (2023), 2 Unternehmen ab zehn Mitarbeitern.Quelle: Statistisches Hauptamt GUS 2025

     

    Trotz allem bleiben die Aussichten für die Baubranche als Ganzes positiv. Laut dem Marktforschungsunternehmen Spectris wird der Wert des Bausektors in Polen in den Jahren 2025 und 2026 um insgesamt 13,3 Prozent wachsen. Neben den EU-Geldern, den Infrastrukturprojekten und der Situation im Wohnungsmarkt verweist Spectris auf einen weiteren Treiber: die geplanten Großinvestitionen.

    Finanzierung ist nicht die einzige Herausforderung

    Zu den größten Vorhaben zählt der Flughafen CPK (Centralny Port Komunikacyjny) zwischen Warschau und Łódź. Im Januar 2025 erhielt die staatliche Projektgesellschaft eine Standortentscheidung. Vereinfacht gesagt, handelt es sich dabei um eine Vorstufe für die Baugenehmigung. Das Luftfahrt-Drehkreuz kostet laut den Plänen der Projektgesellschaft rund 10 Milliarden Euro. Neben den hohen Kosten gibt es noch eine weitere Herausforderung: weniger als 50 Prozent der geplanten Fläche des CPK gehören der Projektgesellschaft. Nicht alle Eigentümer sind bereit, zu verkaufen.

    Das Flughafenprojekt beinhaltet auch den Bau einer Schienenstrecke für Hochgeschwindigkeitszüge. Sie führt unter anderem von Warschau über den CPK nach Łódź. Laut Projektgesellschaft kosten die Schienen-Investitionen rund 17,9 Milliarden Euro. Die Summe beinhaltet einen Tunnel unter der Stadt Łódź. Im Rahmen einer Ausschreibung hat das Unternehmen PORR das günstigste Angebot vorgelegt. Es beträgt 510 Millionen Euro brutto. Die CPK-Projektgesellschaft hat noch keinen Gewinner bekanntgegeben.

    Ein weiteres Großprojekt wartet auf grünes Licht von der Europäischen Kommission. Polen will östlich der Hafenstadt Gdańsk ein Atomkraftwerk bauen. Staatliche Beihilfen sollen einen Teil der Kosten in Höhe von insgesamt 45 Milliarden Euro decken. Dafür braucht Polen eine Genehmigung der Kommission. Ein entsprechender Antrag liegt bereits in Brüssel. Die staatliche Projektgesellschaft hinter dem Atomvorhaben hofft auf eine Rückmeldung im Laufe des Jahres 2025. Neben der Kernenergie spielt die Offshore-Windenergie im Jahr 2025 eine große Rolle. Bereits im 1. Quartal des Jahres will der Öl- und Gaskonzern Orlen mit dem Bau des ersten Offshore-Parks vor Polens Küste beginnen.

    Parallel zu den Offshore-Investitionen wachsen die Häfen in Polen. Die Baltic Hub Gesellschaft in Gdańsk stellt 2025 das Container Terminal T3 fertig. Solche Bauarbeiten stehen dem Hafen von Świnoujście noch bevor. Anfang Februar 2025 erhielten die Hafen-Gesellschaft und private Partner eine Umweltgenehmigung für ein geplantes Containerterminal.

    Auch im Hafen von Gdynia sollte ein neues Containerterminal als öffentlich-private Partnerschaft entstehen. Die Hafenbehörde hat eine Ausschreibung jedoch bereits zum fünften Mal verschoben, diesmal auf Juni 2025. Der Grund seien technisch notwendige Änderungen in den Unterlagen. Laut der Tageszeitung Rzeczpospolita spielen auch Sicherheitsbedenken eine Rolle. Ein chinesisches Unternehmen hat sich für die Ausschreibung qualifiziert.

    Ausgewählte Großprojekte der Bauwirtschaft in Polen In Millionen Euro

    Projekt

    Investitionssumme

    Projektstand

    Anmerkungen

    Atomkraftwerk, Choczewo, Pommern

    4.520

    Planung, fertig 2036

    Polskie Elektrownie Jądrowe (PEJ)

    Tiefwasser Container Terminal beim Hafen Świnoujście und Vertiefung Wasserstraße dorthin

    3.180

    Planung, fertig 2029

    Hafenverwaltung Szczecin-Świnoujście, belgisch-katarisches Konsortium  Deme Concessions NV, QTerminals W.L.L., Urząd Morski w Szczecinie

    Zentraler Großflughafen CPK, Baranów, Masowien

    3.100

    Planung, fertig 2032

    Centralny Port Komunikacyjny (CPK)

    Modernisierung der Bahnlinie Białystok-Ełk (Rail Baltica)

    1.413

    Ausschreibung, fertig 2029

    PKP Polskie Linie Kolejowe (PKP PLK)

    Krankenhauskomplex, Wrocław

    353

    Baubeginn, fertig 2028

    Dolnośląskie Centrum Onkologii, Pulmunologii i Hematologii (DCOPiH)

    Fabrik für Wärmepumpen, Dobromierz, Niederschlesien

    280

    Baubeginn, fertig Ende 2025 / Anfang 2026

    Robert Bosch GmbH

    Fabrik für kleine Hausgeräte, Rudna Wielka bei Rzeszów

    140

    Baubeginn, fertig Mitte 2026

    BSH Home Appliances

    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest, 2025

    Von Christopher Fuß | Warschau

  • Nachhaltigkeit und Energieeffizienz

    Im Gewerbebau legen Investoren großen Wert auf Umweltzertifikate. Im Wohnungsmarkt helfen Förderprogramme bei der Sanierung. Ein zentrales Förderprogramm steht vor dem Neustart.

    Laut der Bausanierungsstrategie Polens soll ab 2035 kein Gebäude einen höheren Energiebedarf aufweisen als 230 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr. Von diesen Zahlen ist vor allem der Wohnungsmarkt weit entfernt. Wie die Statistikbehörde GUS (Główny Urząd Statystyczny) schreibt, lagen im Jahr 2021 rund 40 Prozent aller Wohngebäude über dem Grenzwert. Damit nicht genug: Polens Klimaministerium will bis Ende 2026 eine neue Sanierungsstrategie mit strengeren Auflagen vorstellen.

    Gleichzeitig wehrt sich Polen gegen eine Emissionsabgabe auf fossile Brennstoffe im Gebäudesektor. Laut EU-Richtlinien greift das sogenannte ETS2-System ab 2027. Polens Klimaministerin Paulina Hennig-Kloska erklärte, man setze sich für einen Start nach 2030 ein.

    Die aktuell gültige Bausanierungsstrategie Polens DSRB (Długoterminowa strategia renowacji budynków) betrifft vor allem Bestandsgebäude. Im Falle von Neubauten greift eine Verordnung des Infrastrukturministeriums. Demnach liegt die Obergrenze beim Energiebedarf je nach Gebäudetyp zwischen 65 und 70 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr.

    Ärger um großes Förderprogramm

    Der staatliche Umweltfonds NFOŚWiG (Narodowy Fundusz Ochrony Środowiska i Gospodarki Wodnej) unterstützt die Energietransformation im Gebäudesektor mit Zuschüssen. Zu den wichtigsten Maßnahmen für den Wohnungsmarkt gehört das Programm Saubere Luft (Czyste Powietrze). Besitzer von Einfamilienhäusern erhalten je nach Einkommen bis zu 32.000 Euro, wenn sie Heizungen, Fenster, Türen und Dämmstoffe austauschen. Zu den geförderten Wärmequellen gehören unter anderem Biomasse und Wärmepumpen. Ein Ziel des Programms ist es, die Feinstaubbelastung durch alte Kohleöfen zu senken.

    Allerdings stoppte der Umweltfonds das Programm im November 2024. Die Behörde wirft Renovierungsunternehmen vor, sie hätten falsche Angaben gemacht, um höhere Zuschüsse abzugreifen. Ab dem 31. März 2025 soll das Programm erneut starten – mit schärferen Auflagen. Den höchsten Förderbetrag gibt es nur, wenn ein Haus vor der Renovierung einen Energiebedarf über 150 Kilowattstunden pro Quadratmeter aufweist. 

    Kontrovers ist vor allem die Idee, den Anteil der Vorfinanzierung auf 20 Prozent der Fördersumme zu reduzieren. Dieser Schritt wird ärmere Haushalte treffen, prophezeien Nichtregierungsorganisationen. Die Begründung: Personen mit niedrigen Einkommen könnten Renovierungen nicht aus eigener Tasche vorfinanzieren.

    Bereits seit Januar 2025 gilt im Rahmen vom Programm Saubere Luft eine neue Auflage für Wärmepumpen. Ein Gerät erhält nur dann einen Zuschuss, wenn ein akkreditiertes Prüflabor in der EU die technischen Parameter geprüft hat. Vorher akzeptierte der Umweltfonds auch internationale Qualitätszertifikate, wie Keymark oder Eurovent. Die Folge: Anfang Januar 2025 befand sich keine Luft-Luft-Wärmepumpe im Förderkatalog des Umweltfonds, der ZUM-Liste (Lista zielonych urządzeń i materiałów).

    Analog zu Saubere Luft gibt es das Programm Warme Wohnung (Cieple Mieszkanie). Es richtet sich an Eigentümer von Wohnungen in Mehrfamilienhäusern. Anders als bei Saubere Luft zahlt der Umweltfonds das Geld an Städte und Gemeinden aus. Die Lokalverwaltungen setzen das Programm anschließend vor Ort um. Eine Gruppe von Wohnungseigentümern kann bis zu 87.000 Euro beantragen, einzelne Eigentümer rund 9.500 Euro. Im Gegensatz zu Saubere Luft fördert Warme Wohnung nicht den Einbau neuer Dämmstoffe, sondern nur Heizungen, Fenster und Türen. Interessenten müssen immer die Heizquelle austauschen, um Fördergelder zu erhalten.

    Zertifikate sind im Trend

    Im Nichtwohnungsbau gilt Energieeffizienz längst als Verkaufsargument für Investoren. Wie der polnische Verband für ökologisches Bauen PLGBC (Polskie Stowarzyszenie Budownictwa Ekologicznego) vorrechnet, haben 95 Prozent aller modernen Büros in Polen ein Nachhaltigkeitszertifikat. Bei Fabrik- und Lagerhallen beträgt der Anteil der zertifizierten Fläche immerhin 53 Prozent. Grundsätzlich gilt: wenn heute eine neue Gewerbeimmobilie in Polen entsteht, dann in der Regel mit einem Zertifikat. Solche Auszeichnungen gibt es beispielsweise für bestimmte Materialien oder für einen niedrigen Energiebedarf. Zu den beliebtesten Urkunden gehören BREEAM, LEED und Well.

    Unternehmen, die ihre Energieeffizienz in Bestandsgebäuden verbessern wollen, haben Zugriff auf Programme des staatlichen Umweltfonds. Viele Maßnahmen finanzieren sich über EU-Gelder. Der Umweltfonds unterstützt Renovierungsarbeiten mit zinsgünstigen Krediten und mit Zuschüssen. Programme starten oft kurzfristig mit einer begrenzten Anmeldefrist. Alle Termine listet der Fonds auf seiner Webseite.

    Nachhaltigkeit versus Kostendruck

    Nicht nur die Gebäude, sondern auch die Bauunternehmen sollen ihren ökologischen Fußabdruck reduzieren. Die Baukonzerne Polens, wie Budimex oder Mirbud haben Nachhaltigkeitsziele veröffentlicht. Sie beinhalten unterschiedliche Vorgaben, zum Beispiel für den Einsatz von recycelten Baumaterialien. Das Gesetz über öffentliche Ausschreibungen erlaubt es einem staatlichen Auftraggeber, einen umweltfreundlichen Auftragnehmer trotz Mehrkosten zu bevorzugen. Die Leiterin des Büros für Nachhaltigkeit bei Budimex Ewelina Karp-Kręglicka gibt jedoch in einem Interview mit dem Umweltportal teraz-srodowisko.pl zu bedenken: „In der Praxis macht kaum jemand davon Gebrauch. Der Preis ist immer noch das Hauptkriterium“.

    Trotz der Einschränkungen forschen Unternehmen in Polen an umweltfreundlichen Materialien. Hierzu gehört auch die Tochtergesellschaft des deutschen Baustoffkonzerns Heidelberg Materials. Das Unternehmen hat bei Katowice eine Anlage in Betrieb genommen, um Betonabfälle zu recyceln. Ein patentiertes Verfahren zerlegt den Abbruchbeton in seine Bestandteile. Der dabei entstehende Zementstein ersetzt Kalkstein bei der Produktion von Klinker. Dieser Schritt wiederum spart CO2, schreibt Heidelberg Materials. Das Unternehmen kündigte weitere Materialtests an. Eine zweite Anlage im polnischen Górażdże befand sich Ende 2024 im Bau.

    Von Christopher Fuß | Warschau

  • Branchenstruktur

    Ähnlich wie in Deutschland sind die meisten Baufirmen in Polen mittelständisch. Prägenden Einfluss auf die Branche haben trotzdem die heimischen und internationalen Konzerne.

    Die Bauindustrie gehört zu den bedeutendsten Wirtschaftszweigen Polens. Bei einem Großteil der Betriebe handelt es sich um selbstständige Gewerbetreibende. Sie repräsentieren laut der Statistikbehörde GUS (Główny Urząd Statystyczny) mehr als 84,3 Prozent der insgesamt rund 728.000 Unternehmen in Polens Baugewerbe. Auch ein Großteil der Branchenumsätze geht auf kleine Betriebe zurück. Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeitenden erwirtschaften 52,3 Prozent aller Einnahmen in der Bauindustrie. Die Firmen arbeiten oft als Unterauftragnehmer der großen Baukonzerne.

    Staatliche Verwaltungsgesellschaften und Behörden gelten als die wichtigsten Auftraggeber bei Infrastrukturprojekten. Das Fernstraßennetz Polens unterliegt der Aufsicht der Generaldirektion GDDKiA (Generalna Dyrekcja Dróg Krajowych i Autostrad). Sie veröffentlicht Ausschreibungen auf der Grundlage von langfristigen Planungsdokumenten. Zwei zentrale Strategiepapiere sind das Regierungsprogramm für den Bau von Nationalstraßen bis 2030 und das Programm für den Bau von 100 Umgehungsstraßen

    Das Staatsunternehmen PKP PLK verwaltet mehr als 90 Prozent der gesamten Schieneninfrastruktur in Polen. Zu den wesentlichen Planungsdokumenten gehört der Landesschienenplan KPK (Krajowy Program Kolejowy). Er enthält eine Liste mit geplanten Investitionen bis zum Jahr 2030. Das Programm Schiene Plus umfasst darüber hinaus Bahn-Investitionen im ländlichen Raum bis 2029.

    Deutsche Unternehmen in fast allen Branchensegmenten vertreten

    Im Hochbau geben private Bauträger als Auftraggeber den Ton an. Besonders deutlich wird ihre Rolle im Wohnungsbau. Fast 70 Prozent aller Baugenehmigungen in diesem Segment gingen 2023 auf Immobilienentwickler zurück. Zu den größten Anbietern gehören die beiden Firmen Dom Development und Atal. Der wichtigste Anbieter in Polen mit deutschem Eigentümer ist das Unternehmen ROBYG. Im Industrie- und Lagerhallenbau führt an dem US-amerikanischen Immobilienentwickler Panattoni kein Weg vorbei, ebenso wenig wie an der belgischen Ghelamco Gruppe im Büro-Segment. Die deutsche Trei Real Estate wiederum gehört zu den größten Investoren in neue Einzelhandelsflächen, vor allem in Fachmarktzentren.

    Ähnlich wie die Bauträger haben auch die größten Bauunternehmen in Polen ein internationales Profil. An der Spitze nach Umsatz steht seit Jahren der polnisch-spanische Bauriese Budimex, gefolgt von den Österreichern PORR und Strabag auf Platz zwei und drei. Budimex gehört zusammen mit den polnischen Firmen Mirbud und Intercor auch zu den größten Auftragnehmern von Straßenbauprojekten. Deutsche Unternehmen kommen in diesem Marktsegment vor allem als Ingenieurdienstleister zum Zug. 

    Das nach Umsatz führende deutsche Bauunternehmen in Polen ist die Firma Goldbeck. Laut Berechnungen der Unternehmensberatung Deloitte landet sie auf Platz 13 der größten Baufirmen. Wie der Thinktank Polityka Insight in einer Studie schreibt, drängen auch immer mehr chinesische und türkische Firmen in den Markt. Sie gründen im Gegensatz zu ihren internationalen Mitbewerbern jedoch keine Niederlassung in Polen.

     

    Wichtige Bauunternehmen in PolenUmsatz in Millionen Euro*); nominale Veränderung auf Euro-Basis in Prozent

    Name des Unternehmens

    2022

    2023

    Veränderung 2023/22

    Budimex S.A.

    1.839

    2.157

    17,3

    Grupa Strabag Sp.z o.o.

    1.081

    1.266

    17,1

    Porr S.A.

    836

    992

    18,6

    Mirbud S.A.

    708

    731

    3,3

    Erbud S.A.

    823

    712

    -13,5

    Polimex-Mostostal S.A.

    807

    663

    -17,8

    Unibep S.A.

    482

    535

    11,0

    Vinci Construction Polska - Warbud S.A., Eurovia S.A.

    476

    534

    12,3

    Trakcja PRKiI S.A. (Bahn, Straße)

    320

    455

    41,9

    Mostostal Warszawa S.A.

    344

    369

    7,1

    * umgerechnet zu den jahresdurchschnittlichen Wechselkursen: 2022: 1 Euro = 4,6861 Zł, 2023: 1 Euro = 4,5430 Zł, Einnahmen aus Verkäufen.Quelle: Bericht von Deloitte - Polskie Spółki Budowlane 2024

     

    Deutsche Baugesellschaften erledigen Projekte in Polen normalerweise mit lokalen Mitarbeitern. Die Firmen erhalten die meisten Aufträge im Hochbau. Das Generalunternehmen Bremer errichtet zum Beispiel in der zentralpolnischen Stadt Łódź einen Logistikpark. Die Arbeiten enden voraussichtlich bis zum 3. Quartal 2025. Weitere Projekte laufen in Radom südlich von Warschau und bei Katowice. Der Bauriese Hochtief wiederum baut in Warschau die Wohnsiedlung Miasto Moje. Bereits 2024 konnte das Unternehmen die Wohnhochhäuser Towarowa Towers im Stadtteil Wola fertigstellen.

    Kooperation bei technisch anspruchsvollen Projekten

    Im Tiefbau sind Konsortien keine Seltenheit. Beispielsweise wird Budimex gemeinsam mit dem türkischen Unternehmen Gülermak einen 5,2 Kilometer langen Abschnitt der Schnellstraße S19 bauen. Er verläuft nahe der Grenze zur Slowakei. Die Investition von 440 Millionen Euro beinhaltet unter anderem den Bau eines Tunnels. Auch deutsche Unternehmen beteiligen sich an solchen Konsortien. Gemeinsam mit Porr erweiterte die Bonner Gesellschaft TGE Gas Engineering das LNG-Flüssiggas-Terminal in der polnischen Hafenstadt Świnoujście.

    Öffentliche Auftraggeber bieten ebenfalls Kooperationsmöglichkeiten an, zum Beispiel im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP). Die meisten dieser Vorhaben gehen auf die Initiative von Gemeindeverwaltungen zurück. Polens Ministerium für Regionalpolitik veröffentlicht eine Datenbank mit allen offenen Verfahren. Zu den beliebtesten Sektoren für ÖPP gehören die Wasser- und Abwasserwirtschaft, die Energiewirtschaft und der Sport.

    Kaum Import von Baudienstleistungen

    Polen exportiert laut der europäischen Statistikbehörde Eurostat deutlich mehr Baudienstleistungen, als es importiert. Das gilt auch für das Verhältnis mit Deutschland: Der Wert der polnischen Ausfuhren liegt hier mit 1,1 Milliarden Euro um ein zehnfaches höher als der Wert der Einfuhren. Rund 60 Prozent aller von polnischen Unternehmen im Ausland erbrachten Baudienstleistungen finden in Deutschland statt. Allerdings spielen Exporte in den Abschlüssen vieler Unternehmen nur eine untergeordnete Rolle. Weniger als 5 Prozent aller Branchenumsätze von Polens Bauindustrie fallen im Auslandsgeschäft an.

    Deutsche Unternehmen behaupten sich als Lieferanten von Baumaterialien. Wandbausteine aus Porenbeton vom Duisburger Hersteller Xella stecken in unterschiedlichen Hochhäusern in Warschau, darunter im Warsaw Spire im Warsaw Hub und im Wolkenkratzer The Bridge. Für ein weiteres Bürogebäude in Warschau liefert der Bodenhersteller Lindner rund 26.000 Quadratmeter an Holz-Bodenplatten. 

    Polen wiederum ist dank Unternehmen wie Aluprof, Eko Okna oder Fakro der europaweit größte Exporteur von Türen und Fenstern. Darüber hinaus gehört das Land zu den europäischen Zentren für die Produktion von Zement und Keramikfliesen.

     

    Produktion ausgewählter Bauprodukte in Polen In 1.000 Tonnen, sofern nicht anders angegeben; Veränderung in Prozent
    Sparte

    2023

    Veränderung 2023/22

    Zement

    16.606

    -11,9

    Glas (in Millionen qm)

    166

    -6,3

    Kunststofffenster (in 1.000 Stück)

    8.283

    -6,6

    Rohstahl

    6.520

    -13,3

    Stahlrohre

    884

    -11,5

    Raffiniertes Kupfer

    596

    1,3

    Faserplatten aus Holz (in Millionen qm)

    606

    -11,0

    Schnittholz aus Nadelbäumen (in Kubikdekametern)

    2.680

    -3,6

    Schnittholz aus Laubbäumen (in Kubikdekametern)

    203

    -18,5

    Farben, Lacke

    1.063

    -22,3

    Quelle: Statistisches Hauptamt GUS 2025

    Von Christopher Fuß | Warschau

  • Rahmenbedingungen

    Besondere rechtliche Hürden für Bauunternehmen aus Deutschland gibt es nicht. Trotzdem unterscheidet sich Polens Bauindustrie in einigen Punkten von seinem deutschen Gegenstück.

    Bauunternehmen aus den Mitgliedstaaten der EU können sich ohne Einschränkungen auf öffentliche Bauprojekte in Polen bewerben. Wenn Anbieter aus Deutschland eine Dienstleistung in Polen erbringen, dann müssen sie eine A1-Bescheinigung vorweisen. Unterschiedliche Träger stellen das Dokument in Deutschland aus, darunter die gesetzlichen Krankenkassen.

    Öffentliche Ausschreibungen gibt das Amt für öffentliche Aufträge UZP (Urząd Zamówień Publicznych) bekannt. Der Schwellenwert für EU-weit auszuschreibende Bauleistungen 2025 beträgt 5,538 Millionen Euro. Private Vorhaben können freiwillig ausgeschrieben werden. Eine der größten Datenbanken mit Bauinvestitionen in Polen ist Info-Inwest. Bei einem Großteil der öffentlichen Ausschreibungen in Polen werden nach Ablauf der Bewerbungsfrist die aufgerufenen Preise der potenziellen Auftragnehmer veröffentlicht.

    Bei manchen Großprojekten vereinbart Polens Regierung gemeinsam mit den größten Investoren sogenannte Sektorabkommen. Sie sind rechtlich unverbindlich. Investoren erklären sich darin zu einem bestimmten Anteil von polnischen Lieferanten bereit. Solch ein Abkommen gibt es beispielsweise für die Offshore-Windindustrie.

    Einschränkungen für Drittstaaten

    Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (Aktenzeichen C-652/22) gibt Polen die Möglichkeit, Unternehmen aus verschiedenen Drittstaaten von öffentlichen Ausschreibungen auszusperren. Das Infrastrukturministerium nutzte diese Möglichkeit im Januar 2025 bei einer Ausschreibung im Schienensektor.

    Polens Wirtschaftsministerium arbeitet an einem Zertifikat für Auftragnehmer von öffentlichen Projekten. Unternehmen mit einem Zertifikat müssen bei Ausschreibungen weniger Nachweise einreichen. Das Parlament soll im Laufe des Jahres 2025 über den Vorschlag debattieren.

    Seit Januar 2025 gelten neue Vorschriften für die Bewirtschaftung von Bau- und Abbruchabfällen. Holz, Metalle, Glas, Kunststoffe, Gips und mineralische Abfälle müssen getrennt gesammelt werden. Der Gesetzgeber erlaubt, gemischte Abfälle abseits der Baustelle sortieren zu lassen. In der Praxis bedeutet dies, dass Bauunternehmen die Trennung an spezialisierte Entsorgungsbetriebe vergeben.

    Leichte Entspannung am Arbeitsmarkt

    Nachdem der Bausektor Polens 2024 rückläufige Aufträge verkraften musste, hat der Fachkräftemangel im Bau und Handwerk etwas an Schärfe verloren. Das schreiben die Arbeitsämter in ihrem Berufsbarometer für das Jahr 2025 (Barometr Zawodów). Besonders schwierig fällt die Suche aber weiterhin bei Dachdeckern und Klempnern.

    Ein Gesetz von 1989 regelt die Organisation des Handwerks in Polen. Die Mitgliedschaft in einer Handwerkskammer ist fakultativ. Polens Handwerkskammer ZRP (Związek Rzemiosła Polskiego) stellt Gesellen- und Meisterbriefe aus. Allerdings gelten auch Abschlüsse an technischen Berufsschulen oder Hochschulen als eine ausreichende Qualifikation. Das Handwerksgesetz enthält keine Liste mit zulassungspflichtigen Berufen. Stattdessen liefert es eine Übersicht an Berufen, die nicht zum Handwerk gehören.

    Bündelung von Bauleistungen

    Projekte im Infrastrukturbereich werden in der Regel nach der Formel "Design & Build" ausgeschrieben. Das Besondere: Ein Auftragnehmer übernimmt sowohl die Bauplanung als auch die Ausführung. Beide Bereiche werden in Deutschland oft getrennt betrachtet.

    Ein öffentlicher Auftraggeber kann neben dem Preis auch verschiedene qualitative Aspekte berücksichtigen. Hierzu gehören beispielsweise Referenzprojekte, Qualifikationen oder nachhaltige Materialien. Theoretisch ist es also möglich, dass ein Angebot mit dem höheren Preis den Zuschlag erhält. Der Thinktank Polityka Insight gibt in einem Positionspapier aber zu bedenken: "Die Realität zeigt, dass sie [nicht preisliche Kriterien] wenig oder gar keinen Einfluss auf die endgültige Auswahl des Auftragnehmers haben. Es ist der angebotene Preis, der darüber entscheidet, ob ein Angebot erfolgreich ist oder nicht." 

    Behördengänge rund um den Bauprozess erfolgen in Polen in der Regel online. Über das Portal eBudownictwo können Investoren, Bauunternehmen und Architekten unterschiedliche Bauanträge einreichen, darunter auch den Bauantrag. Der Online-Dienst bietet noch weitere Funktionen, wie zum Beispiel ein elektronisches Bautagebuch oder ein elektronisches Bauwerksbuch. Betreiber von eBudownictwo ist die Bauaufsichtsbehörde GUNB (Główny Urząd Nadzoru Budowlanego).

    Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Christopher Fuß | Polen

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    AHK Polen

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Portal 21

    Informationsangebot zu Dienstleistungen in Europa

    Ministerstwo Rozwoju i Technologii

    Ministerium für Entwicklung und Technologie

    Ministerstwo Infrastruktury

    Ministerium für Infrastruktur

    Ministerstwo Funduszy i Polityki Regionalnej

    Ministerium für Fonds und Regionalpolitik

    Główny Urząd Nadzoru Budowlanego

    Hauptamt für Bauaufsicht

    Umweltfonds NFOŚiGW

    Fördert Umweltprojekte

    Urząd Zamówień Publicznych (UZP)

    Amt für öffentliche Aufträge

    Fundacja Centrum PPP

    Stiftung für Öffentlich-Private Partnerschaft

    Polski Związek Pracodawców Budownictwa

    Arbeitgeberverband der Bauwirtschaft

    Polska Izba Budownictwa

    Kammer der Bauwirtschaft

    Polskie Stowarzyszenie Budownictwa Ekologicznego PLGBC

    Vereinigung für Ökologischen Bau

    Murator, monatlich

    Fachzeitschrift und E-Portal zur Bauwirtschaft

    Inżynier Budownictwa, monatlich

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