Polnische Unternehmen setzen eine Reihe von Wasserstoffvorhaben um. In den meisten Fällen handelt es sich um kleine Projekte. Raum für Innovationen gibt es trotzdem.
Der polnische Hersteller von medizinischen Bedarfsartikeln Promet-Plast nutzt Wasserstoff, um Strom, Wärme und Kälte für Produktionsprozesse zu erzeugen. Das ist möglich dank einer komplexen Anlage nahe dem Firmensitz in Gaj Oławski. Fotovoltaikpaneele und Windkraftanlagen liefern die Energie für einen Elektrolyseur. Der produzierte Wasserstoff landet in Tanks oder treibt ein Kraftwerk von Promet-Plast an.
Dank der Investition deckt das Unternehmen seinen Energiebedarf ausschließlich über erneuerbare Quellen. Ab 2025 sollen Busse und weitere Fahrzeuge den Wasserstoff nutzen. Dann geht eine Tankstelle in Betrieb, die Promet-Plast zusammen mit dem polnischen Anlagenplaner SBB Energy baut. Europäische Förderprogramme helfen bei der Finanzierung.
Absatzpotenzial für Wasserstoffbusse
Komplexe Wasserstoffanlagen wie die von Promet-Plast gehören in Polen zur Ausnahme. Mehr Dynamik gibt es im Verkehrssektor. Aktuell haben Wasserstoffbusse laut der staatlichen Bank BGK (Bank Gospodarstwa Krajowego) einen Anteil von 6 Prozent an allen neu zugelassenen Bussen. Laut BGK steigt der Anteil bis 2028 auf 17 Prozent.
Ein Grund sind Subventionen. Der staatliche Umweltfonds NFOSiGW (Narodowy Fundusz Ochrony Środowiska i Gospodarki Wodnej) unterstützt über das Programm "Grüner öffentlicher Nahverkehr" sieben Kommunen beim Kauf von insgesamt 117 Wasserstofffahrzeugen.
Verkehrsbetriebe in Städten wie Gdańsk, Poznań oder Rybnik nutzen bereits Wasserstoffbusse. Die zentralpolnische Stadt Konin bestellte im April 2024 weitere Fahrzeuge. Der Verkehrsbetrieb der Stadt Wrocław testet Wasserstoffbusse im Linienbetrieb, darunter ein Modell von Mercedes-Benz.
Auch die polnische Marke Nesobus kämpft um Aufträge. Hinter Nesobus steht das Braunkohle-Unternehmen ZE PAK. Der Energieriese will aus der Kohleverbrennung aussteigen und sucht neue Geschäftsfelder. Nesobus ist nicht der einzige Wasserstoffbus aus Polen. Das spanisch-polnische Unternehmen Solaris produziert Fahrzeuge in der Nähe von Poznań, hauptsächlich für den Export. Kleinere Hersteller in Polen sind Arthur Bus und ARP E-Vehicles.
Tankstellen mit Komponenten aus Deutschland
Was fehlt, sind öffentlich zugängliche Tankstellen. Diese gibt es bislang nur in wenigen Gegenden, darunter in Warschau, Katowice oder in Rybnik. Weitere Städte wollen Tankstellen im Laufe des Jahres 2024 in Betrieb nehmen. Es sind vor allem zwei Unternehmen, die das Netz ausbauen: ZE PAK und der staatliche Mineralölkonzern Orlen. Die Firmen nutzen dabei europäische Fördergelder zur Finanzierung ihrer Vorhaben.
Gut möglich, dass ZE PAK und Orlen schon bald das Fernstraßennetz in den Blick nehmen. Polens Klimaministerium hat 37 Standorte entlang der Autobahnen für neue Investitionen vorgeschlagen. Ab 2030 sollen Fahrzeuge hier Wasserstoff tanken. Davon könnten auch deutsche Zulieferer profitieren. Komponenten für den Überspannungsschutz aus dem Hause der bayerischen Firma Dehn kommen bereits heute in Polens Wasserstofftankstellen zum Einsatz.
Staatlicher Mineralölkonzern ist besonders aktiv
Ein anderes Vorhaben mit deutscher Beteiligung steht hingegen vor dem Aus. Nach der Firmenübernahme durch Orlen hat Polens Gasversorger PGNiG (Polskie Górnictwo Naftowe i Gazownictwo) mehrere Forschungsprojekte im Wasserstoffsegment abgebrochen. Dazu gehört auch eine Initiative mit dem deutschen Stickstoffhersteller Messer. PGNiG will laut eigener Auskunft Dopplungen mit Orlen vermeiden.
Tatsächlich verfolgt kein Unternehmen in Polen so viele Wasserstoffprojekte wie Orlen. Bis 2030 will das Unternehmen mindestens 111 Wasserstofftankstellen und sechs Produktionszentren in Polen, Tschechien und der Slowakei bauen. Die Kosten des Wasserstoffprogramms beziffert der Mineralölkonzern auf 1,7 Milliarden Euro. Die Umsetzung läuft schleppend. Gleichzeitig denkt Orlen darüber nach, emissionsfreie Kraftstoffe für die Luftfahrt auf Basis von Wasserstoff zu produzieren. Das Projekt mit dem Namen "HyFly" steht noch am Anfang.
Wenn es nach dem Staatsbetrieb geht, dann wird Wasserstoff auch im Schienenverkehr eine Rolle spielen. Gemeinsam mit dem polnischen Zugbauer PESA hat Orlen eine Wasserstofflokomotive entwickelt. Das Interesse der Kunden hält sich aber in Grenzen.
Bahnunternehmen skeptisch
Immerhin: Polens größter Regionalbahnbetreiber Polregio spricht mit einem Hersteller über Wasserstoff-Hybridzüge. Der Einsatzort wären teil-elektrifizierte Strecken. Die Regionalbahn Wielkopolskie will zwei Schienenfahrzeuge mit Wasserstoffantrieb testen, bleibt dabei aber zurückhaltend. "Wir betrachten das Thema sehr vorsichtig, auch aufgrund der hohen Kosten", erklärte Regionalbahn-Chef Marek Nitkowski auf einer Branchenkonferenz.
Der Stromversorger PGE Energetyka Kolejowa baut bis 2025 nördlich von Wrocław eine Anlage, um grünen Wasserstoff als Energiespeicher im Bahnstromnetz zu nutzen. Partner ist SBB Energy. Bis 2028 verspricht der Bahnstromversorger außerdem 50 Wasserstofftankstellen für Züge.
Für einige Anwendungsfälle ist Wasserstoff zu teuer
Nicht jede große Ankündigung wird Realität. Der Verkehrsverbund GZM in der Woiwodschaft Śląskie wollte 20 Wasserstoffbusse einkaufen, entschied sich am Ende aber für lediglich acht Fahrzeuge. Der Grund: Kein Hersteller konnte Wasserstoff zu einem Preis liefern, der ins Budget von GZM passte.
Auch andere Unternehmen kämpfen mit Hürden. ZE PAK kann einen Elektrolyseur in Konin voraussichtlich erst im Laufe des Jahres 2024 in Betrieb nehmen. Geplant war 2023. Hintergrund sind technische Schwierigkeiten mit einem ähnlichen Elektrolyseur in einem anderen Werk. ZE PAK wollte außerdem die Energie einer Müllverbrennungsanlage in Rybnik für die Wasserstoffproduktion nutzen. Doch um das Projekt ist es still geworden.
Ein anderes Unternehmen wagt hingegen Pionierarbeit. SES Hydrogen baut in Śrem, südlich von Poznań, die erste Wohnsiedlung Polens, die mit Wasserstoff heizt. Die Stadtverwaltung und eine Wohnungsbaugenossenschaft unterschrieben im November 2023 einen Planungsvertrag. Wann der Bau beginnt, ist offen.
Von Christopher Fuß
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Warschau