Branchen | USA | Metallerzeugung und -verarbeitung
Aufziehender Handelskonflikt trifft US-Stahlgeschäft
Die US-Stahlkonjunktur soll 2025 etwas besser laufen als im Vorjahr. Allerdings müssen sich die großen Abnehmerbranchen auf neue Zölle und steigende Preise einstellen.
20.01.2025
Von Roland Rohde | Washington, D.C.
Die US-Stahlindustrie konnte ihren Umsatz 2024 um rund 5 Prozent auf knapp 140 Milliarden US-Dollar (US$) steigern. Dies geht aus Prognosen des Marktforschungsunternehmens IBIS World hervor. Das Plus sei aber vor allem auf Preiseffekte zurückzuführen. Diese sorgten auch für einen Gewinnanstieg von gut 19 Prozent. Die Gewinnmargen hätten sich sogar nahezu verdoppelt.
Kennzahl | 2024 |
---|---|
Anzahl Unternehmen *) | 235 |
Mitarbeiter *) | 80.713 |
Umsatz (in Milliarden US$) *) | 139,6 |
Gewinn (in Milliarden US$) *) | 10,7 |
Gewinnmarge (in Prozent) *) | 7,7 |
Ausstoß (in Millionen Tonnen) | 87,1 |
Kapazitätsauslastung (in Prozent) | 75,6 |
Einfuhren (in Millionen Tonnen), davon | 29,1 |
Fertigwaren | 22,6 |
Schaut man auf die produzierte Menge, verlief das Geschäft aber weniger gut. So sank der Stahlausstoß 2024 nach Angaben des American Steel and Iron Institute um 2,5 Prozent auf 87 Millionen Tonnen. Damit musste der Verband das dritte Jahre in Folge rote Zahlen registrieren.
Boomender Bau fragt mehr Stahl nach
Der schwache Output ist umso erstaunlicher, als sich die USA in einer Phase der Hochkonjunktur befinden. So dürfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2024 um nahezu 3 Prozent gewachsen sein. Für 2025 erwartet die Zentralbank Fed nur eine minimale Abkühlung auf 2,5 Prozent.
Auch in der Hauptabnehmerbranche – dem Baugewerbe – ging es bergauf. Die erbrachten Bauleistungen stiegen zwischen Januar und November 2024 um nominal 6,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, so das nationale Statistikamt. Überdurchschnittlich gut lief es in vielen Sparten des gewerblichen Hochbaus sowie des Tiefbaus, die besonders viel Stahl nachfragen.
Die Infrastruktur wird mit Hilfe des Ende 2021 verabschiedeten Infrastructure Investment and Jobs Act (IIJA) kräftig ausgebaut. Im Rahmen des IIJA stellen die USA insgesamt 550 Milliarden US$ für neue Projekte zur Verfügung. Das Programm läuft zwar Ende 2026 aus. Doch auch darüber hinaus wird es sich noch lange auf die Stahlnachfrage auswirken. Großprojekte, die 2025 und 2026 bewilligt werden, dürften erst Anfang der 2030er-Jahre fertiggestellt werden.
Aber: Schwache Nachfrage von Seiten des Automobilsektors
Auf Rang 2 der Hauptabnehmerbranchen liegt die Kfz-Industrie. Hier verlief das Geschäft 2024 nur mäßig. Die Neuzulassungen stiegen laut Cox Automotive lediglich um rund 2 Prozent. Der Wert der verkauften Neuwagen sank hingegen um fast 1 Prozent, meldet das Autoportal Edmunds.
Die Aussichten für 2025 sind etwas positiver. Laut Cox sollen die Neuzulassungen um knapp 3 Prozent zulegen. Das größte Wachstum ist aber laut S&P Global in den unteren Preiskategorien zu erwarten, so dass der wertmäßige Zuwachs abermals gering ausfallen dürfte.
USA sind auf Stahlimporte angewiesen
Die US-Stahlindustrie kann den einheimischen Bedarf nicht vollständig decken. Daher ist das Land auf Einfuhren angewiesen. Diese legten laut Branchenverband in den ersten elf Monaten 2024 um 2,5 Prozent zu, und dürften sich bis zum Dezember auf rund 29 Millionen Tonnen summiert haben.
Land | Wert (in Mrd. US$) | Menge (in Mio. Tonnen) |
---|---|---|
Kanada | 7,8 | 6,6 |
Brasilien | 5,0 | 4,8 |
Mexiko | 3,9 | 3,5 |
Südkorea | 3,3 | 2,8 |
Deutschland | 2,1 | 1,1 |
Vietnam | 1,3 | 1,4 |
Japan | 1,8 | 1,2 |
Taiwan | 1,5 | 1,0 |
Gemäß der International Trade Commission gaben die wertmäßigen Einfuhren zwischen Januar und Oktober 2024 um knapp 7 Prozent nach. Sie dürften bis zum Dezember einen Wert von hochgerechnet gut 40 Milliarden US$ erreichen. Bei Stahl könnten die USA damit 2024 ein Handelsbilanzdefizit von 26 Milliarden US$ eingefahren haben. Diese Zahlen liefern US-Präsident Donald Trump frische Munition für den sich abzeichnenden Handelskonflikt, insbesondere mit Kanada und Mexiko.
Kanada und Mexiko werden als erste unter Zöllen leiden
Für die beiden Länder hat Trump Zölle in Höhe von 25 Prozent angekündigt. Diese könnte er mit Hilfe eines "presidential decrees" einführen und wäre dabei nicht auf die Kooperation des US-Kongresses angewiesen. Dort verfügt seine republikanische Partei nur über ein hauchdünne und – wie sich bereits in der Vergangenheit zeigte – wackelige Mehrheit.
Ob Trump, wie im Wahlkampf angekündigt, auch Zölle in Höhe von 10 bis 20 Prozent auf sämtliche Importe durchsetzen wird, bleibt derweil fraglich. Seit seiner Wiederwahl hat er sich nicht mehr zu dem Thema geäußert, sondern scheint sich auf China, Kanada und Mexiko zu konzentrieren.
Die Frage bleibt allerdings, wer letztendlich die Kosten der Zölle tragen muss. Zunächst entrichtet der US-Importeur die Abgabe. Wenn er keine alternativen in- oder ausländischen Lieferanten findet, wird er den Aufpreis größtenteils auf die Endkunden weiterwälzen. Ökonomen sind sich weitgehend einig, dass die Zölle in den Vereinigten Staaten stark preistreibend wirken werden.
Biden verbietet Nippon Steel Übernahme von US Steel
Zusätzlich versucht die US-Regierung die Stahlbranche vor ausländischem Einfluss abzuschirmen, und zwar unabhängig von der Parteizugehörigkeit des Präsidenten. So verbot Joe Biden Anfang 2025 als eine seiner letzten Amtshandlungen die Übernahme des Stahlherstellers U.S. Steel durch den japanischen Konkurrenten Nippon Steel. Trump – da sind sich die Analysten einig – hätte kaum anders entschieden.
Als Grund für sein Veto führte Biden die nationale Sicherheit an. Dabei handelte er gegen den ausdrücklichen Wunsch der beteiligten Unternehmen. In einer gemeinsamen Presseerklärung führten die beiden Firmen an, dass Nippon Steel der einzige Kandidat sei, der bereit gewesen sei, notwendige Investitionen in Höhe von 1,3 Milliarden US$ in das US-Unternehmen zu tätigen.
Lokale Wertschöpfungsanteile mit Ausnahmeregelungen
Laut dem "Build America, Buy American Act" vom November 2021 müssen bei Projekten im Rahmen des Infrastructure Investment and Jobs Act die Baustoffe zu 100 Prozent in den USA produziert werden. Allerdings sieht das Gesetz Ausnahmen vor, wenn es keine inländischen Hersteller gibt.
Auch für öffentlich geförderte Projekte aus dem Inflation Reduction Act und dem Chips and Science Act gelten lokale Wertschöpfungsanteile – ebenfalls mit entsprechenden Ausnahmetatbeständen. Hinzu kommen die "domestic content"-Erfordernisse der Bundesstaaten und Kommunen, so dass sich ein kaum zu durchschauendes Geflecht an Vorgaben ergibt.