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Branche kompakt | USA | Chemische Industrie

Die US-Chemieindustrie weitet ihre Produktion aus

Der amerikanische Markt für Chemieprodukte wird in den kommenden Jahren solide wachsen. Projekte zur Emissionsminderung tragen zu einer hohen Investitionstätigkeit bei.

Von Heiko Stumpf | San Francisco

Ausblick auf die chemische Industrie in den Vereinigten Staaten

Bewertung:

 

  • Für alle wichtigen Sparten der US-Chemie werden in den Jahren 2024 und 2025 stabile Produktionssteigerungen erwartet.
  • In zentralen Abnehmerindustrien wie dem verarbeitenden Gewerbe und der Bauwirtschaft steigt die Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen.
  • Durch den Inflation Reduction Act kommen milliardenschwere Projekte für emissionsarme Technologien in Gang.
  • Deutsche Chemieunternehmen sind an zahlreichen Projekten beteiligt und bauen ihre Kapazitäten in den USA aus.

Anmerkung: Einschätzung des Autors für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: November 2024.

  • Gesamtwirtschaftlicher Ausblick

    Entgegen aller Vorhersagen strotzt die US-Konjunktur im Herbst 2024 vor Kraft. Für 2025 erwarten Analysten eine sehr weiche Landung.

    Top-Themen: Bevölkerung traut den guten Zahlen nicht

    Das US-amerikanische Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird 2024 voraussichtlich um 2,5 bis 2,7 Prozent wachsen. Für 2025 rechnen Analysten mit einer Abkühlung auf 1,4 bis 1,9 Prozent. Sie erwarten einstimmig eine weiche Landung. Diese wird seit über einem Jahr vorhergesagt, doch sie blieb bislang aus.

    Die Inflation ist zum Herbstbeginn 2024 unter die 3-Prozent-Marke gerutscht. Die Notenbank Fed leitete daher Ende September die Zinswende ein und senkte die Leitzinsen um ganze 0,5 Prozentpunkte. Analysten gehen für 2025 von weiteren Anpassungsschritten nach unten aus. Dadurch werden Kredite günstiger und der ohnehin schon boomende private Wohnungsbau bekommt weiteren Rückenwind.

    Die Bevölkerung stuft die allgemeine Wirtschaftslage mit großer Mehrheit als schlecht ein, das zeigen alle Umfragen. Die Haushalte beklagen vor allem die gestiegenen Lebenshaltungskosten, die seit 2019 um insgesamt rund 20 Prozent zugelegt haben. Viele hoffen angesichts rückläufiger Inflationsraten – fälschlicherweise – auf sinkende Preise. Daher misstrauen sie den offiziellen Konjunkturindikatoren. Die USA sind im postfaktischen Zeitalter angekommen.

    Die Haushalte können zudem kaum von den riesigen Infrastruktur- und Konjunkturprogrammen profitieren. Der Inflation Reduction Act (IRA) etwa hat sich als gigantisches Steuersenkungsprogramm für die Geschäftswelt entpuppt, das die Staatsverschuldung massiv in die Höhe treibt.

    Wirtschaftliche Entwicklung: Investitionen und Konsum stützen Konjunktur

    Der IRA regt Investitionen vor allem im Bereich Umwelt und Klimaschutz an. Sein Volumen ist nicht gedeckelt und dürfte bis Ende 2031 die Grenze von 1 Billion US-Dollar (US$) deutlich überschreiten. Der Ende 2021 verabschiedete Infrastructure Investment and Jobs Act (IIJA) sieht Ausgaben von 550 Milliarden US$ für neue Projekte zur Modernisierung der Infrastruktur vor. Der Chips and Science Act fördert zusätzlich den Aufbau einer Halbleiterfertigung in den USA.

    Die Folgen sind überall zu spüren: Die erbrachten Bauleistungen in der Tiefbausparte wuchsen 2023 laut nationalem Statistikamt zweistellig. Im industriellen Hochbau haben sie sich zwischen 2020 und 2023 sogar mehr als verdreifacht. In den ersten drei Quartalen 2024 setzte sich der Aufschwung fort. Investitionen in Fabriken zur Produktion von Solarpanels, Elektroautos und Batterien sowie Halbleitern im Umfang von zusammengerechnet fast 500 Milliarden US$ befinden sich in der Pipeline. 

    Der private Konsum ist traditionell für rund 70 Prozent der BIP-Verwendung verantwortlich. Die Verbraucher zeigten im Herbst 2024 angesichts des leergefegten Arbeitsmarktes ihre ausgabenfreudige Seite. Jedoch gaben sie sich vor den Wahlen am 5. November zurückhaltend bei der Anschaffung langlebiger Konsumgüter. Der Automobilabsatz lag in den ersten drei Quartalen 2024 lediglich um 1 Prozent über dem Vorjahresniveau, so Cox Automotive. 

    Die Abkopplung von China zeigt sich bereits deutlich in der Außenhandelsstatistik.

    Paradigmenwechsel bei den Importen: Jahrzehntelang war China das mit Abstand wichtigste Lieferland der USA. Doch 2023 errang Mexiko den ersten Platz. Nach den Störungen der Lieferketten während der Coronapandemie setzen die US-Unternehmen auf eine Diversifizierung ihrer Beschaffungsmärkte sowie auf Nearshoring.

    Viele deutsche Unternehmen planen, ihr Engagement in den USA zu verstärken. Dahinter steckt einerseits die hohe Nachfrage nach Anlagegütern. Andererseits wollen sie sich vor dem zunehmenden Protektionismus schützen etwa durch den Aufbau einer Produktion vor Ort.

    Gefragt sind beispielsweise deutsche Maschinenbauer. Nach dem Trump-Sieg ist der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) daher durchaus optimistisch: Einen Tag nach der Wahl rechnete der Branchenverband zwar mit einer Belastung des internationalen Handels, gibt aber gleichzeitig für die vertretenen Unternehmen vorsichtig Entwarnung.

    Deutsche Perspektive: USA größter Absatzmarkt der Welt

    Die Vereinigten Staaten waren 2023 laut dem Statistischen Bundesamt der größte Zielmarkt für die deutsche Exportwirtschaft. Gemäß der U.S. International Trade Commission stiegen die Einfuhren aus Deutschland in dem Jahr um 9 Prozent auf rund 160 Milliarden US$. Für die ersten acht Monate 2024 ergab sich ein Plus von 1 Prozent. Der statistische Basiseffekt macht sich bemerkbar: Die kräftigen Zuwachsraten der Vergangenheit lassen sich nicht unendlich lange fortsetzen. 

    Insbesondere deutsche Investitionsgüteranbieter profitieren stark von den großen Konjunkturprogrammen, denn dort greifen die nicht tarifären Handelshemmnisse oftmals nicht. So gelten für öffentliche Projekte zwar Vorgaben zur Erbringung lokaler Wertschöpfungsanteile ("local content"). Es gibt jedoch Ausnahmen, wenn nicht genug einheimische Anbieter existieren. So klaffen beispielsweise im Maschinenbau in etlichen Sparten Lücken. Die Lieferungen von deutschen Maschinen in die USA legten 2023 um 19 Prozent auf 37 Milliarden US$ zu. Zwischen Januar und August 2024 stagnierten sie. 

    Weitere Informationen zu den USA bietet die GTAI-Länderseite.

    Von Roland Rohde | Washington, D.C.

  • Markttrends

    Der Aufbau neuer Industrien begünstigt die Chemieindustrie. Investitionen in die Produktion von Halbleitern oder Elektroautos steigern den Bedarf für chemische Erzeugnisse.

    Die amerikanische Chemieindustrie kann zuversichtlich in die Zukunft blicken. Laut Prognosen des Branchenverbandes American Chemistry Council (ACC) wächst die mengenmäßige Produktionsleistung im Jahr 2024 um 2,2 Prozent. Für 2025 wird mit einem Anstieg um 1,9 Prozent gerechnet. Die kurze Schwächephase 2023, in der die Produktion um etwa 1,3 Prozent zurückging, ist damit überwunden.

    11 Prozent

    der weltweiten Chemieproduktion entfallen auf die USA.

    Reindustrialisierung gibt der Chemienachfrage Aufwind

    Auch auf lange Sicht versprüht der Verband Optimismus: Denn in den kommenden zehn Jahren soll die Nachfrage nach chemischen Erzeugnissen in den USA insgesamt um 15 Prozent steigen. Die Ursache liegt in einer regelrechten Renaissance der US-Industrie. Mehr als 80 Prozent der in den Vereinigten Staaten hergestellten Basis- und Spezialchemikalien fließen in andere Industriesektoren ein.

    Förderprogramme wie der Inflation Reduction Act (IRA) oder der Chips and Science Act schaffen landesweit neue Produktionskapazitäten. Laut ACC wird die US-Industrieproduktion im Jahr 2025 um stattliche 3 Prozent zulegen, was die Nachfrage nach Chemieprodukten mit ankurbelt. 

    Ein Paradebeispiel ist die Halbleiterindustrie: Seit dem Start des Chips Act wurden entlang der Wertschöpfungskette für Halbleiter über 80 Projekte angekündigt. Zusammengerechnet erreichen sie ein Investitionsvolumen von rund 450 Milliarden US-Dollar (US$). Infolge dürfte sich die Chipproduktion in den USA bis 2032 mehr als verdreifachen.

    Zur Herstellung eines Mikrochips werden rund 500 verschiedene Spezialchemikalien benötigt. Als Nebeneffekt löste der Chips Act deshalb bereits knapp 30 Projekte für chemische Ausgangsmaterialien aus. Für die Herstellung von chemischen Halbleiterlösungen investiert das zu Merck aus Darmstadt gehörende Unternehmen EMD Electronics rund 300 Millionen US$ in Pennsylvania. Weitere Großinvestitionen gibt es beispielsweise durch Entegris in Colorado (600 Millionen US$) und Soulbrain in Texas (575 Millionen US$).

    Automobilindustrie trägt zu höherer Kunststoffnachfrage bei

    Das Interesse an Kunststoffen ist in den USA weiterhin ungebrochen. Laut Prognosen von Freedonia dürfte der Gesamtbedarf bis 2028 um insgesamt 1 Million Tonnen ansteigen. Dies entspricht einer durchschnittlichen Wachstumsrate von etwa 0,6 Prozent pro Jahr.

    Insbesondere in der Automobilindustrie werden immer mehr Kunststoffe verbaut. Im Jahr 2023 enthielt ein in den USA verkauftes Kfz im Durchschnitt rund 193 Kilogramm Plastik. Damit stieg der Kunststoffanteil in Kraftfahrzeugen seit 2014 um 18,4 Prozent an. Durch die Elektromobilität wird sich dieser Trend verstärken. Laut Analysen des ACC ist die in einem elektrischen Mittelklassewagen verwendete Plastikmenge im Schnitt um etwa 48 Prozent höher als in einem vergleichbaren Verbrenner. Dabei dient Plastik beispielsweise der Gewichtsreduktion oder der elektrischen Isolierung.

    Laut dem Marktforschungsinstitut Atlas Public Policy investieren die US-Autobauer rund 70 Milliarden US$ in den Aus- und Neubau von Werken für die Fertigung von Elektrofahrzeugen. Trotz der Verzögerungen bei einzelnen Projekten dürften die USA bis 2027 über Kapazitäten für den Bau von 5,5 Millionen Elektrofahrzeugen pro Jahr verfügen. Der Wert von 2023 würde sich damit verfünffachen, was auch den Bedarf an Kunststoffen mit nach oben zieht.

    Impulse auch von Bauindustrie und Landwirtschaft

    Ein wichtiger Treiber der Chemienachfrage ist die Bauindustrie. Der Neubau eines Einfamilienhauses verschlingt in den USA rund 15 Tonnen an chemischen Produkten. Sinkende Zinsen dürften für eine Belebung im Wohnungsbau sorgen. Der Branchenverband ACC rechnet für 2024 mit knapp 1,6 Millionen Baustarts. Im Jahr 2025 könnten die Arbeiten für rund 1,5 Millionen Wohneinheiten starten.

    Neben Isoliermaterialien, Kunststoffrohren, Bodenbelägen und Fensterrahmen profitiert davon auch die Nachfrage nach Farben und Lacken. Nach Prognosen von ChemQuest dürfte die Gesamtnachfrage im Jahr 2024 um 2,8 Prozent auf rund 5,1 Milliarden Liter ansteigen. Mit einem mengenmäßigen Anteil von rund 60 Prozent bildet der Architekturbereich das wichtigste Marktsegment für Farben und Lacke in den USA. 

    Nach einer Phase rückläufiger Entwicklung kehren auch die Agrarchemikalien auf den Wachstumspfad zurück. Die Herstellung von Düngemitteln soll 2024 um 2 Prozent und 2025 um 1,5 Prozent steigen. Bei Pflanzenschutzmitteln wird ein Plus von 3 Prozent beziehungsweise 0,5 Prozent erwartet. Nach einem Höchststand im Jahr 2022 sinken die Preise für Agrarchemikalien – und Düngemittel werden für die Farmen erschwinglicher. Das für Ende 2024 erwartete Wetterphänomen La Niña könnte jedoch in den südlichen Teilen des Mittleren Westens für Trockenheit sorgen, wovon insbesondere die Anbauflächen in der Kornkammer Kansas betroffen wären.

    Wahlsieg von Trump mit Folgen für Chemieprojekte

    Der 2021 verabschiedete Inflation Reduction Act (IRA) sorgt mit seinen Steuergutschriften dafür, dass viele Chemiekonzerne in emissionsarme Technologien investieren. Carbon Capture and Storage (CCS) wird beispielsweise mit bis zu 85 US$ pro eingesparter Tonne CO2 gefördert. Mehr als zehn Großprojekte wollen CCS nutzen, um blauen Wasserstoff zu produzieren. Dieser dient als Basis für die Herstellung von blauem Ammoniak (für Düngemittel) oder synthetischen Kraftstoffen.

    Die Projektentwickler verfolgen gespannt die Entwicklungen nach der US-Wahl, denn Donald Trump hat angekündigt, den IRA im Fall eines Wahlsieges rückgängig zu machen. Unternehmen wie ExxonMobil und Chevron lobbyieren bei den Republikanern dafür, dass die Förderung auch nach der Rückkehr von Trump ins Weiße Haus erhalten bleibt. Beide Konzerne wollen zusammengerechnet über 30 Milliarden US$ in emissionsarme Chemieprojekte stecken.

    Als Hub für CCS-Projekte entwickelt sich insbesondere die Golfregion mit den Staaten Texas und Louisiana. Doch auch im Landesinneren tut sich etwas. So erhält Wabash Valley Resources von der US-Regierung 1,6 Milliarden US$ an Förderkrediten für ein Großprojekt in Indiana.

    Von Heiko Stumpf | San Francisco

  • Branchenstruktur

    Die Chemieindustrie findet in den USA gute Standortbedingungen vor. An der Golfküste entstehen Anlagen für Flüssigerdgas. Auch deutsche Unternehmen bauen ihre Produktion aus.

    Nach China sind die Vereinigten Staaten der weltweit zweitgrößte Produzent von chemischen Erzeugnissen. Die Branche deckt die gesamte Bandbreite von Grundchemikalien, chemischen Zwischenerzeugnissen und Spezialchemikalien ab. Wichtige Segmente sind Agrarchemikalien, Automobilchemie, Substanzen zur Wasserbehandlung, Kleb- und Dichtstoffe sowie industrielle Gase.

    Produktion ausgewählter chemischer Erzeugnisse in den USA ¹)Produktionsindizes ²)

    Sparte

    2021

    2022

    2023

     2024 3)

    Chemische Erzeugnisse (außer Pharmazeutika und Arzneimittel)

    93,4

    95,9

    95,7

    94,7

    Organische Chemikalien

    94,3

    91,3

    90,2

    85,7

    Anorganische Basischemikalien

    89,1

    96,2

    100,9

    101,7

    Harz, Synthesekautschuk und -fasern

    86,5

    87,1

    87,3

    87,8

    Agrarchemikalien

    106,3

    111,8

    112,5

    110,1

    Farben, Lacke und Klebstoffe

    95,0

    108,5

    100,4

    98,3

    Seifen und Körperpflegemittel

    93,4

    96,8

    101,0

    104,3

    1 Durchschnittswert, 2017=100; 2 saisonbereinigt; 3 im 1. Halbjahr.Quelle: Federal Reserve 2024

    LNG-Großanlagen im Aufbau

    Über die größten Kapazitäten verfügt mit insgesamt 132 Raffinerien die Petrochemie. Die Anlagen können im Jahr 2024 eine Rohölmenge von insgesamt 18,4 Millionen Barrel pro Tag verarbeiten. Große Kapazitätserweiterungen sind in den kommenden Jahren nicht zu erwarten. 

    Auf Hochtouren läuft hingegen der Ausbau der Terminals für Flüssigerdgas (LNG), das in den USA durch Fracking gewonnen wird. Mit einer bereits installierten Kapazität von rund 106 Millionen Tonnen sicherten sich die USA 2023 den Titel des Exportweltmeisters für LNG. Und überholten damit Katar und Australien

    In den Bundesstaaten Louisiana und Texas entstehen derzeit fünf zusätzliche Gasverflüssigungsanlagen. Dadurch kommt bis 2028 eine Kapazität von knapp 85 Millionen Tonnen hinzu. Zu den Vorhaben zählt das gigantische Plaquemines-Projekt, welches pro Jahr bis zu 24 Millionen Tonnen LNG bereitstellen soll.

    Ein von US-Präsident Biden verhängtes Moratorium für neue LNG-Exportprojekte ist durch gerichtliche Verfahren noch nicht rechtskräftig und dürfte durch die neue Trump-Regierung wieder aufgehoben werden. Ohnehin gibt es keine Auswirkungen auf zehn weitere Projekte, die bereits genehmigt sind, sich aber noch nicht im Bau befinden. Allein dadurch könnten weitere LNG-Kapazitäten von mindestens 114 Millionen Tonnen entstehen.

    Attraktive Standortbedingungen dank günstiger Erdgaspreise

    Die reichhaltige und kostengünstige Verfügbarkeit von Erdgas ist einer der Hauptgründe für die guten Standortbedingungen der Chemieindustrie in den USA. Die U.S. Energy Administration (EIA) erwartet für das Jahr 2024 einen durchschnittlichen Spotpreis für Erdgas im als Benchmark geltenden Henry Hub von 2,30 US-Dollar (US$) pro Million britischer Wärmeeinheiten (MMBtu). Damit liegt der erwartete Preis deutlich unter dem 20-jährigen Durchschnitt von 4,46 US$.

    Hinzu kommt günstige Energie: Laut der EIA lag der durchschnittliche Industriestrompreis im Juli 2024 bei 8,81 US$ pro Megawattstunde. In Deutschland sind die Stromkosten mehr als doppelt so hoch.

    Die US-Chemieindustrie kann deshalb in die Zukunft ihrer Standorte investieren. Nachdem im Jahr 2023 investive Ausgaben in Höhe von 32,6 Milliarden US$ getätigt wurden, erwartet der American Chemistry Council (ACC) für 2024 einen Anstieg um 2,5 Prozent. Im Jahr 2025 sollen die Investitionen sogar um 4,2 Prozent wachsen.

    Deutsche Unternehmen auf Investitionskurs

    Auch deutsche Chemiekonzerne bauen ihre Anlagen in den USA aus: BASF steckt bis 2025 rund 780 Millionen US$ in die Erweiterung der Fertigungsstätte Geismar, Louisiana. Evonik erhöht die Produktion von Kieselsäure in Charleston, South Carolina, bis 2026 um die Hälfte.

    RWE aus Essen ist zusammen mit Mitsubishi und Lotte an einem Projekt für emissionsarmen Ammoniak in Corpus Christi beteiligt. Im für 2030 anvisierten Endausbau könnte das Projekt bis zu 10 Millionen Tonnen pro Jahr auf den Markt bringen. Auch die BASF und Yara evaluieren die Produktion von blauem Ammoniak an der US-Golfküste: Beide prüfen, ob eine Anlage mit einer Gesamtkapazität von 1,4 Millionen Tonnen pro Jahr machbar ist.

    Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in den USAInvestitionssumme in Millionen US-Dollar
    Akteur/Projekt

    Investitionssumme

    Geplante Fertigstellung

    Anmerkung

    Chevron Phillips/Qatar Energy

    Golden Triangle Polymers

    8.500

    2026

    Polymerproduktion in Orange, Texas; Kapazität von 2,1 Mio. t Ethylen und 2 Mio. t Polyethylen pro Jahr

    Formosa Plastics

    Sunshine Project

    9.400

    Baustart unklar

    Genehmigung noch nicht vollständig erteilt

    Herstellung von Polymeren in St. James, Louisiana; Kapazität von 2,4 Mio. t Ethylen für u. a. 800.000 t LLDPE und HDPE pro Jahr

    LG Chemicals

    Kathodenherstellung

    3.200

    2027

    Herstellung von Kathodenaktivmaterial in Clarksville, Tennessee, mit einer Kapazität von 120.000 t pro Jahr
    Cronus Chemicals

    2.300

    2028

    Herstellung von Ammoniak für Düngemittel in Tuscola, Illinois; Kapazität von 840.000 t pro Jahr

    Mitsubishi Chemical

    1.000

     2025

    Herstellung von Methylmethacrylat in Geismar, Louisiana; Kapazität von 35.000 t pro Jahr
    Syenqo

    850

    2027

    Herstellung von Polyvinylidenfluorid für die Batterieindustrie in Augusta, Georgia; Kapazität ausreichend für 5 Mio. Elektroautobatterien pro Jahr

    Koura Chemicals

    Batteriechemikalien

    800

    2027

    Herstellung von Lithiumhexafluorophosphat (11.000 t pro Jahr) und R-142b (44.000 t pro Jahr) in St. Gabriel, Louisiana

    Epsilon Advanced Materials

    Anodenmaterial

    650

    2026

    Herstellung von Grafitanoden in Clarksville, Tennessee; Kapazität von 50.000 t pro Jahr

    PPG Industries

    Farben und Lacke

    225

    2026

    Herstellung von Farben und Lacken in Loudon, Tennessee; Kapazität von 42 Mio. l pro Jahr
    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2024

    Für Bewegung sorgen auch Batteriehersteller, die in den USA eine Gigafactory nach der anderen hochziehen. Bis 2028 könnte eine Gesamtkapazität von mehr als 1.000 Gigawattstunden entstehen. Dadurch steigert sich beispielsweise die Nachfrage nach Fluorkunststoffen, die für Batterien gebraucht werden.

    Gleichzeitig löst die Förderung durch den Inflation Reduction Act (IRA) eine Investitionswelle entlang der gesamten Batteriewertschöpfungskette aus. BASF gehört zu einer Reihe von Unternehmen, die die Produktion von Kathodenmaterial starten. Lanxess ist in El Dorado, Arkansas, zusammen mit dem kanadischen Unternehmen Standard Lithium an einem Lithiumprojekt beteiligt.

    Vielzahl an regionalen Chemieclustern

    Der heterogene Charakter der Chemieindustrie und die engen Verbindungen zu anderen Wirtschaftszweigen zeigen sich auch geografisch. So verfügen fast alle US-Staaten über chemische Produktionskapazitäten. Herausgebildet haben sich klare regionale Schwerpunkte.

    Für die Produzenten chemischer Grundstoffe auf Erdöl- und Erdgasbasis ist unter anderem die Nähe zu den Förderstätten und Häfen wichtig. Rund 90 Prozent der petrochemischen Produktion ballt sich deshalb in den Küstenstaaten Texas und Louisiana. Auch die Herstellung von Basischemikalien und Kunststoffen konzentriert sich stark an der US-Golfküste.

    Nach Texas und Louisiana ist Ohio das drittwichtigste regionale Chemie-Cluster in den USA, unter anderem mit Schwerpunkten bei Kunststoff und Gummi. Die Unternehmen sind vor allem im südwestlichen Teil des Bundesstaates ansässig, entlang der Achse CincinnatiDayton, aber auch im Städtedreieck Cleveland, Akron und Youngstown im Nordosten.

    Der Mittlere Westen ist ein Zentrum für die Herstellung von Agrarchemikalien und trägt rund ein Drittel zur Produktion in diesem Segment bei. Er sowie der Südosten der USA sind zudem führend bei Spezialchemikalien. Auch viele Hersteller von Haushaltschemie haben ihren Sitz in den südöstlichen Bundesstaaten.

    Regionale Schwerpunkte in der US-Chemieproduktion

    Region

    Schwerpunkte

    Golfküste

    Petrochemikalien, Grundchemikalien, Polymere, Kunstharze, Synthesekautschuk

    Mittlerer Westen

    Agrarchemikalien, Kunststoffe, Farben

    Ohio Valley

    Organische Chemikalien, Kunststoffe, Spezialchemikalien

    Mittelatlantik

    Konsumgüter

    Südosten

    Anorganische Chemikalien, Fasern, Konsumgüter, Batteriechemikalien

    Nordosten

    Konsumgüter, Spezialchemikalien

    Westküste

    Grundchemikalien, Agrarchemikalien, Konsumgüter
    Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2024

    Die Stärke der US-Chemie zeigt sich auch in der Unternehmenslandschaft. Die USA haben weltweit agierende Branchengrößen wie Dow, ExxonMobil und Chevron hervorgebracht. DuPont kündigte im Mai 2024 an, sich in drei börsennotierte Unternehmen aufzuspalten: Elektronik und Wasserlösungen werden ausgegliedert, während sich "New DuPont" auf diversifizierte Industriebereiche konzentrieren wird.

    Wichtige Branchenunternehmen in den USAUmsatz in Milliarden US-Dollar

    Unternehmen

    Sparte

    Umsatz 2023

    Dow

    Chemieproduktion

    44,6

    ExxonMobil

    Petrochemikalien

    40,7

    LyondellBasell Industries

    Chemieproduktion

    32,0

    Mosaic

    Düngemittel

    13,7

    Air Products and Chemicals

    Industriegase

    12,6

    DuPont

    Chemieproduktion

    12,1

    Chevron Phillips Chemical

    Petrochemikalien

    11,6

    Celanese

    Chemieproduktion

    10,9

    Albemarle

    Spezialchemikalien

    9,6

    Eastman Chemical

    Chemieproduktion

    9,2

    Quelle: Chemical & Engineering News (C&EN)

    Von Heiko Stumpf | San Francisco

  • Rahmenbedingungen

    Der TSCA reguliert die meisten Industriechemikalien. Immer mehr Maßnahmen zielen darauf ab, den Kunststoffverbrauch zu reduzieren und moderne Recyclingtechnologien zu fördern.

    In den USA gibt es eine Vielzahl von Aufsichtsbehörden, Gesetzen und Normen zur Chemikaliensicherheit. Chemikalien und gefährliche Stoffe unterliegen den Vorschriften des Gesetzes über gefährliche Stoffe (Toxic Substances Control Act; TSCA), das inzwischen überarbeitet wurde. Es reguliert die meisten Industriechemikalien, die in den USA hergestellt oder verarbeitet werden, sowie Importe. Bestimmte chemische Substanzen und Gemische müssen nach dem TSCA gemeldet, registriert und geprüft werden. Darüber hinaus regelt das Gesetz auch die Formaldehydemissionsnormen in Holzwerkstoffprodukten.

    Aufsichtsorgane sind unter anderem die Arbeitsschutzbehörde (OSHA; gehört zum Arbeitsministerium), die Bundesbehörde für arbeitsmedizinische Forschung (NIOSH; Gesundheitsministerium) und die Umweltschutzbehörde (EPA; unabhängige Exekutivbehörde der US-Bundesregierung). Informationen für Importeure und Exporteure zu bestimmten chemischen Stoffen, Pestiziden, ozonschädigenden Substanzen und weiteren umweltgefährdenden Stoffen veröffentlicht die EPA auf einer Sonderseite.

    Trump verspricht weitgehende Deregulierung

    Nach der US-Wahl steht der Chemiesektor vor entscheidenden Weichenstellungen in Sachen Umweltregulierung. Donald Trump plant, unmittelbar nach seiner Rückkehr ins Weiße Haus eine weitgehende Deregulierungs-Agenda umzusetzen. Dabei dürfte er an seine erste Amtszeit anknüpfen, während der etwa 100 Vorschriften der Umweltbehörde EPA zurückgenommen oder abgeschwächt wurden.

    Diesmal dürften insbesondere die unter Joe Biden erlassenen Richtlinien für Klimaschutz, Luftqualität und Wasserreinhaltung im Fokus stehen. Dazu zählen verschärfte Luftreinhaltungsvorschriften für chemische Anlagen. Durch die strengeren Vorschriften des Clean Air Act sollen die chemischen Luftschadstoffe um rund 6.200 Tonnen pro Jahr zurückgehen. Die Emissionen durch Ethylenoxid müssen beispielsweise um 67 Prozent sinken, bei Chloropren sind es sogar 74 Prozent. Laut Angaben der EPA sind mindestens 200 Anlagen für synthetische organische Stoffe technisch nachzurüsten, was mit Kosten von über 500 Millionen US-Dollar verbunden ist.

    US-Position zum UN-Plastikabkommen steht infrage

    Auswirkungen hat die Wahl auch auf das geplante weltweite Abkommen zur Vermeidung von Kunststoffabfall. Die Vereinten Nationen wollen bis 2025 eine verbindliche Vereinbarung erzielen, die globale Standards setzt. Die amerikanische Regierung hat unter Joe Biden ihre Haltung gegenüber dem Abkommen deutlich geändert: Anfangs beschränkte sich die Unterstützung auf Ansätze, die sich stärker auf den Umgang mit Plastikabfällen und Recycling konzentrierten.

    Im Jahr 2024 schlossen sich die USA jedoch einer Koalition von über 60 Ländern an, die auch für Beschränkungen der Plastikproduktion eintreten. Auch für die Erstellung einer Liste mit problematischen Kunststoffen und gefährlichen Chemikalien sprach sie sich aus, was zu Einschränkungen der Produktionsmenge oder Verboten führen könnte. Mit dem Wahlsieg von Donald Trump dürfte sich die Position der US-Regierung erneut deutlich ändern.

    Ungeachtet dessen gibt es immer mehr Maßnahmen auf bundesstaatlicher und lokaler Ebene, um den Kunststoffverbrauch zu reduzieren und die Wiederverwertung zu fördern. Einige Staaten erlassen Gesetze zur Förderung sogenannter fortschrittlicher Recyclingverfahren, andere verbieten vor allem Einwegplastik.

    Bislang haben Kalifornien, Oregon, Washington, Colorado, Hawaii, Maryland, Delaware, New Jersey, New York, Connecticut, Rhode Island, Maine und Vermont Gesetze verabschiedet, welche bestimmte Einwegkunststoffe verbieten. Kalifornien war der erste US-Staat mit einem umfassenden Gesetz, das sowohl die Reduzierung als auch das Recycling von bestimmten Kunststoffverpackungen umfasst. Sechs Staaten folgten bislang diesem Vorbild.

    Superfund-Steuer für bestimmte Chemikalien

    Der Infrastructure Investment and Jobs Act (IIJA) von 2021 brachte mit der Wiedereinführung der sogenannten Superfund-Steuer auch Nachteile für die chemische Industrie: So fällt auf 121 Substanzen, darunter Kunststoffe und andere synthetische Materialien, eine Verbrauchsteuer an, die im Fall von Aceton bis zu 20,06 US$ pro Tonne erreicht. Die Abgabe wird von den Herstellern oder Importeuren dieser Chemikalien erhoben. Sie wird bei der ersten Verwendung oder dem ersten Verkauf in den USA fällig.

    Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Die Publikation Zoll und Einfuhr kompakt zu den USA informiert über aktuelle Zollvorschriften, die Handelspolitik der USA und Handelshemmnisse, die den Marktzugang erschweren können. 

    Von Heiko Stumpf | San Francisco

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Germany Trade & Invest

    Außenhandelsinformationen für die deutsche Exportwirtschaft

    Deutsch-Amerikanische Handelskammer (AHK USA)

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    Der Delegierte der Deutschen Wirtschaft/Representative of German Industry and Trade - RGIT

    Verbindungsbüro des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) und des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) in Washington, D.C.

    U.S. Census Bureau

    Statistikbehörde

    U.S. Energy Information Administration (EIA)

    Behörde für Statistiken speziell zur Energiewirtschaft (einschließlich Öl und Gas)

    U.S. Department of Agriculture (USDA)

    Ministerium für Landwirtschaft

    American Chemistry Council (ACC)

    Verband der Chemieindustrie

    Plastics Industry AssociationFachverband für die Kunststoffindustrie

    American Coatings Association

    Fachverband für Farben und Lacke 

    US Oil and Gas Association

    Verband der Öl-/Gasindustrie

    Chemical Week

    Fachzeitschrift für Chemie

    Oil and Gas Journal

    Fachzeitschrift für Öl und Gas

    RIGZONE

    Newsletter für Öl und Gas

    NPE 2027 Plastics ShowFachmesse, 3. bis 7. Mai 2027 in Orlando, Florida

    ATCE - SPE Annual Technical Conference and Exhibition

    Fachmesse, Schwerpunkte: Chemie, Petrochemie, Energiewirtschaft, 6. bis 8. Oktober 2025 in Dallas, Texas

    The Battery Show - North America

    Fachmesse, 6. bis 9. Oktober 2025 in Detroit, Michigan

    Carbon Capture Technology Expo North AmericaFachmesse, 25. bis 26. Juni 2025 in Houston, Texas

    Independent Commodity Intelligence Services (ICIS)

    Internetportal für die Chemieindustrie

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